SPD Rheinland-Pfalz: „Wir müssen fit sein an der Theke und bei TikTok“
Mit der Wahl von Sabine Bätzing-Lichtenthäler zur Parteivorsitzenden hat die SPD in Rheinland-Pfalz den Generationenwechsel abgeschlossen. Im Gespräch mit der Juso-Vorsitzenden Beatrice Wiesner sagt Bätzing-Lichtenthäler, wie sie die Partei für die bevorstehenden Wahlkämpfe aufstellen will.
picture alliance/dpa | Arne Dedert
Neue SPD-Chefin Sabine Bätzing-Lichtenthäler: Nur gemeinsam können wir die Mittendrin-Partei sein.
Ende September wurden Sie mit 99 Prozent zur Vorsitzenden der SPD in Rheinland-Pfalz gewählt. Was waren Ihre Gedanken als Sie das Ergebnis erfahren haben?
Sabine Bätzing-Lichtenthäler: Ich habe mich riesig gefreut. Schon während meiner Bewerbungsrede habe ich die positive Stimmung im Saal wahrgenommen. Auch schon in den Wochen vorher hatte ich sehr viele gute Rückmeldungen aus der Partei bekommen. Da sind sehr viele, die Lust haben, aktiv zu sein und Dinge zu bewegen. Als dann das Ergebnis bekannt gegeben wurde, hat das einen zusätzlichen Euphorie-Schub ausgelöst. Aber die 99 Prozent sind natürlich auch ein Auftrag, ganz besonders mit Blick auf die Bundestagswahl im kommenden Jahr und die Landtagswahl 2026.
Was erwarten die Jusos von der neuen SPD-Landesvorsitzenden?
Beatrice Wiesner: Die Erwartungen der Jusos sind ganz klar: Wir wollen mitgestalten! Sabine weiß das auch und wir sind schon lange in einem guten Austausch. Wenn mir etwas nicht passt, dann besprechen wir das. Auf dem Parteitag im vergangenen Jahr zum Beispiel haben wir gemeinsam drei Anträge eingebracht, die wir zusammen entwickelt und verhandelt haben. Als SPD sind wir stark, wenn wir uns einig sind. In Rheinland-Pfalz leben wir diesen Grundsatz sehr gut.
Bätzing-Lichtenthäler: Gemeinsam besprechen, gemeinsam gestalten: Genau das ist auch mein Bild der SPD in Rheinland-Pfalz. Nur gemeinsam können wir die Mittendrin-Partei sein – mittendrin in den Dörfern, mittendrin in den Städten, mittendrin in den Vereinen. Das geht nur mit engagierten Genossinnen und Genossen. Wir haben tolle Unterbezirke und Ortsvereine, aber auch starke Arbeitsgemeinschaften wie die Jusos. Wir wären dumm, wenn wir ihre Expertise und ihren Wunsch mitzugestalten, nicht nutzen würden. Deshalb bin ich für den regelmäßigen Austausch auch so dankbar.
Der neue Ministerpräsident Alexander Schweitzer und Sie kennen sich bereits seit Juso-Tagen. Wie sehr hat Sie diese Zeit geprägt?
Bätzing-Lichtenthäler: Die Jusos waren meine allererste politische Heimat. In meinem Heimatort wollten wir unbedingt einen Jugendraum haben. Um Druck zu machen, haben wir damals eine Juso-AG vor Ort gegründet. Ich bin dann allerdings relativ schnell zur SPD gewechselt und war im Ortsverein und auch im Unterbezirk aktiv. Aber es stimmt: Alexander Schweitzer bin ich zum ersten Mal bei den Jusos begegnet. Später haben wir dann auch die Kommunalakademie der SGK und die Führungsakademie der SPD zusammen besucht. Ich bin auch heute immer noch sehr gerne bei den Landeskonferenzen der Jusos und für den konstruktiven Austausch dankbar.
Wiesner: Wir schätzen Sabine und Alexander als treue Gäste sehr. Sie kommen auch, wenn sie wissen, dass es auf der Landeskonferenz heiß hergeht, und stellen sich dem Diskurs. Das ist nicht selbstverständlich.
Bätzing-Lichtenthäler: Auch diese Erfahrungen haben mich sicher geprägt. Ich habe die Jusos ja schon als stellvertretende Landesvorsitzende erlebt. Es ist wichtig, Debatten auch zuzulassen. Ich finde das sehr wertvoll, denn einige Ideen, die heute in der Politik gang und gäbe sind, wurden zuerst bei den Jusos diskutiert.
Beatrice
Wiesner
Das Auftreten der Ampel sorgt nicht gerade für Euphorie.
Vor Ihrer Wahl haben Sie bei einer „Mittendrin-Tour“ die verschiedenen Gliederungen der Partei in Rheinland-Pfalz besucht. Was bewegt die SPD vor Ort?
Bätzing-Lichtenthäler: Wir sind ja ein großes Flächenland mit zum Teil sehr unterschiedlichen Ausprägungen in den Regionen. Es gibt aber strukturelle Themen, die alle in der SPD gleichermaßen beschäftigen. Ganz wichtig ist dabei die Frage, wie wir auch für jüngere Menschen wieder attraktiver werden und mehr Mitglieder gewinnen können. Das sind auch Dinge, die ich als Parteivorsitzende angehen möchte. Wir müssen als Partei niedrigschwelliger werden, damit auch mitmachen kann, wer nicht bei jeder Sitzung des Ortsvereins dabei ist. Und natürlich müssen wir Wege finden, wie Familie, Beruf und Partei gut miteinander vereinbart werden können. Und wir müssen uns im Feld der Sozialen Medien steigern, sichtbarer, schneller und attraktiver werden. Das alles, um stark und kampagnenfähig zu bleiben.
Wiesner: Das sind auch Themen, die die Jusos sehr umtreiben. Wir haben deshalb eine Erneuerung gefordert, die ja nun mit den Wahlen von Sabine und Alexander stattgefunden hat. Mit Blick auf die Landtagswahl 2026 kann ich sagen: Die Jusos haben Bock auf Wahlkampf! Schwieriger wird es, wenn der Blick nach Berlin geht. Das Auftreten der Ampel sorgt nicht gerade für Euphorie.
Auch in Rheinland-Pfalz regiert eine Ampel, allerdings deutlich geräuschloser als in Berlin. Woran liegt das?
Bätzing-Lichtenthäler: Ich glaube, ein ganz wesentlicher Aspekt ist, dass alle drei Partner sich auf Augenhöhe begegnen. Jeder gönnt dem anderen seine Erfolge und niemand redet schlecht über den anderen. Natürlich gibt es auch Konflikte, aber die werden nicht in der Öffentlichkeit ausgetragen. All das braucht mehr Anstrengung und mehr Kommunikation als wenn nur zwei Partner sich miteinander arrangieren müssen, aber das zahlt sich am Ende durch sehr gute Ergebnisse aus. Ich glaube aber auch nicht, dass sich das einfach so eins zu eins auf Berlin übertragen lässt.
Mit ihrer Wahl Ende September sind nun Partei- und Fraktionsvorsitz in einer Hand. Ist das ein Vorteil?
Bätzing-Lichtenthäler: Ich denke schon. Für die Kommunikation sehe ich durchaus Vorteile in der Verbindung von Partei- und Fraktionsvorsitz. Auch inhaltlich eröffnet uns das viel Klarheit. Und es macht Wege kürzer und Reaktionen schneller. Wir sind überzeugt, dass wir so unser großes Ziel optimal angehen können, dass Alexander Schweitzer auch nach 2026 Ministerpräsident bleibt. Dafür machen wir uns gemeinsam stark.
Sabine
Bätzing-
Lichtenthäler
Wir müssen so sprechen, dass wir an von den Menschen auch verstanden werden.
Sie sind die erste weibliche Fraktionsvorsitzende. Nun sind sie auch die erste Frau an der Spitze der rheinland-pfälzischen SPD. Was bedeutet Ihnen das?
Bätzing-Lichtenthäler: Das ist eine große Ehre. Ich werte das auch als ein gutes Zeichen an alle Frauen, mit dem wir zeigen, dass wir voll angekommen sind. Ich glaube nicht, dass Frauen eine komplett andere Politik machen, aber wir bringen eine andere Perspektive mit und können hoffentlich auch andere Frauen motivieren, die sich vielleicht noch vor dem Schritt in die Politik scheuen.
Wiesner: Auch deshalb freue ich mich riesig, dass mit Sabine nun endlich eine Frau Parteivorsitzende ist. Wir haben in Rheinland-Pfalz ja schon eine gewisse Tradition, was starke Frauen angeht. Zuletzt mit Malu Dreyer. Sicherlich teilen unsere männlichen Genossen dieselben Werte und Überzeugungen, aber ich bin davon überzeugt, dass der Politikstil bei einer Frau doch anders ist. Außerdem zeigt Sabine, dass auch Frauen vorangehen können.
Sie haben beide schon die Landtagswahl im übernächsten Jahr angesprochen. Wie müssen sich die SPD und die Jusos dafür aufstellen?
Bätzing-Lichtenthäler: Eine – wenn nicht sogar die Grundvoraussetzung – für einen erfolgreichen Wahlkampf ist, dass wir geschlossen sind. Darüber hinaus wird wichtig sein, dass wir das Mittendrin, das ich schon angesprochen habe, weiterleben und uns auch dann nicht wegducken, wenn es mal ungemütlich wird, sondern rausgehen an die Haustüren, an die Infostände, auf die Sportplätze. Dabei spielt auch die Sprache eine ganz entscheidende Rolle. Wir müssen so sprechen, dass wir an von den Menschen auch verstanden werden.
Und in den sozialen Medien?
Bätzing-Lichtenthäler: Wir müssen nicht nur fit sein an der Theke, sondern auch bei TikTok. Für die Theke mache ich mir keine Sorgen, das liegt in unserer DNA. Aber bei TikTok haben wir Nachholbedarf. Gerade junge Menschen erreichen wir nicht gut mit unseren klassischen Formaten. Das haben wir schon in vergangenen Wahlkämpfen gesehen. Da müssen wir dringend ran, auch weil die AfD da leider schon einen ordentlichen Vorsprung hat. Dem müssen wir mehr entgegensetzen. Klare Kante gegen rechts – das ist mir im Netz und überall ein großes Anliegen.
Wiesner: Antifaschismus ist auch das Feuer, das in mir brennt. Der Anstieg derjenigen, die die AfD wählen, ist unter jungen Menschen besonders hoch. Das macht mir große Sorge. Gerade was ich von Schülerinnen und Schülern mitbekomme, was dort an der Schule passiert, ist wirklich besorgniserregend. Die Rechten haben da teilweise schon eine Hegemonie aufgebaut. Wir müssen anders kommunizieren, aber wir müssen auch noch mehr tun.
Bätzing-Lichtenthäler: Das stimmt. Eine gute Möglichkeit, um gegenzuhalten, sehe ich in mehr Beteiligung. Ich möchte deshalb unser Wahlprogramm gemeinsam mit den Menschen in Rheinland-Pfalz entwickeln, damit sich alle, die wollen, mit ihren Vorstellungen und Ideen einbringen können. So möchte ich auch das unglaubliche Potenzial, das es in unserer Partei gibt, optimal einbinden. Gemeinsam und geschlossen – so steuern wir auf eine erfolgreiche Landtagswahl 2026 zu.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.