Die SPD ist seine Heimat, Ballonfahren seine Passion. Zum 150. Jubiläum seiner Partei hat Rolf Rennert beide Leidenschaften miteinander verbunden.
Endlich ist der Sommer da. Rolf Rennert freut sich darüber besonders. Denn nun kann er endlich in die Luft gehen. Seit mehr als einem Monat beherbergt die Garage des 73-Jährigen in Leipzig einen Heißluftballon, den er bei einem Modell-Ballonbauer im schwäbischen Brigachtal abgeholt hat. Lange blieb „das Vögelchen“, wie Rennert den roten Ballon liebevoll nennt, flugunfähig. „Die Thermik war zu stark“, ächzt er. „Was für Segelflieger die reine Freude ist, ist für Ballonsportler ein Fluch.“ Den hat der Sommer gebrochen.
Beim Bürgerfest zum 150. Gründungstag der SPD in Leipzig konnte Rennerts Ballon zwar nicht starten, doch beim Sommerfest der Brandenburger SPD Mitte Juni war es soweit: Der Ballon stieg auf und wurde zum Blickfänger. Geht es nach Rennert, war das erst der Anfang. Schließlich ist Wahlkampf. Und auf den ist Rolf Rennert vorbereitet: Auf der Oberfläche des Ballons ist eine Freifläche ausgespart: „Da kann man
gut ein Steinbrück-Konterfei aufbringen“, sagt Rennert. Auch beim Deutschlandfest am 17. und 18. August in Berlin wird Rennerts Ballon am Start sein.
Rolf Rennert ist gebürtiger DDR-Bürger. 1955 flohen die Eltern mit dem damals 15-Jährigen in den Westen, wo Rolf seine in Leipzig begonnene Ausbildung zum Elektromaschinenbauer im schwäbischen Böblingen fortsetzte. 1958 bestand er die Facharbeiterprüfung, doch der Chef wollte das höhere Facharbeiter-Gehalt sparen und schaltete bei Rennerts Frage nach einer Gehaltserhöhung auf stur: „Damit war für den die Sache erledigt; für mich noch lange nicht“, sagt Rennert. Schnurstracks ging er ins DGB-Kreisbüro, wo ihm gleich Hilfe zugesichert wurde.
Er ist kein Nostalgiker
Unerwarteter war die Unterstützung von einer anderen Seite. Denn auch die Industrie- und Handelskammer Stuttgart stellte sich hinter Rennert und verweigerte dessen Chef in einem ausführlichen Schreiben („...sehen wir uns außerstande, Sie juristisch zu vertreten“) den juristischen Beistand gegen den jungen Arbeiter, der nur das einforderte, was ihm zustand.
„Das wäre im Jahr 2013 undenkbar“, meint Rennert. „Die alte Bundesrepublik war so unsozial nicht, muss man aus heutiger Sicht sagen.“ 1959 wurde Rennert Genosse. Das hat er bis heute nicht bereut. „Auch wenn sich die Partei seit damals stark verändert hat.“
Dabei ist Rolf Rennert kein Nostalgiker. Bereits 1965 arbeitete er bei IBM und hantierte mit Computern herum, deren Speicher „sagenhafte 128 Kilobyte hatten“.
Als Rolf Rennert in den Vorruhestand entlassen wurde, gaben er und seine Frau ihre Wohnung im Stuttgarter Umland auf und zogen in ihr Ferienhäuschen auf der Schwäbischen Alb. Im 2000-Seelen-Ort Deilingen hat Rennert schon mal laut auf den Tisch geklopft, wenn am Nachbartisch des eigenen Stammtisches im „Hirsch“ der CDU-Ortsverband tagte und sich zusammen mit dem Pfarrer über die uneheliche Geburt von Willy Brandt mokierte: „Ich habe die gefragt, was an ihrem Geschwätz eigentlich christlich ist“, sagt Rennert.
Nach dem Mauerfall zurück in die Heimat
Wohlgefühlt haben er und seine Frau sich aber auch in der Diaspora – die CDU kam hier bei der letzten Landtagswahl auf 64 die SPD auf 12 Prozent der Stimmen. „Der Ballonfahrer“, wie Rolf Rennert im Dorf genannt wurde, genoss die Flüge über die schroffen Mittelgebirgszüge. „Eine Landschaft so zu erleben, hat etwas Erhabenes. Es ist auch ein Unterschied, ob Sie mit dem Porsche oder mit dem Fahrrad über Land fahren.“
Und doch hielt es die Rennerts nicht im Südwesten. Nach dem Mauerfall erfuhren sie, dass sie in Leipzig noch ein Grundstück besaßen. „Das haben wir dann mit 60-jähriger Verspätung bebaut.“ Im Ruhestand ging es zurück in die alte Heimat.
Ein politischer Mensch wird Rennert bis ans Ende seiner Tage bleiben, auch wenn er ab und an mit seiner SPD hadert. Derzeit engagiert er sich in der „AG60plus“, Altersarmut und Rente beschäftigen ihn. Warum er trotz einiger Enttäuschungen in der Partei geblieben ist? „Aus Optimismus, aus Hartnäckigkeit, und vielleicht auch aus so etwas wie Respekt vor den Altvorderen, die mehr gelitten haben und zum Teil ihr Leben verloren haben.“
44, ist freier Journalist und Buchautor aus Karlsruhe, schreibt für Spiegel Online und diverse Zeitungen (SZ, taz, FR, etc.) über Rechtsextremismus und Fankultur. Zuletzt erschien von ihm „Kurvenrebellen – die Ultras. Einblicke in eine widersprüchliche Szene.“ (Werkstatt-Verlag) und „Was ist links? Reportagen aus einem politischen Milieu.“ (Beck`sche Reihe)