Zum Tod von Freimut Duve: Der Ausnahme-Intellektuelle
Schreiben, lesen, diskutieren, durch Argumente überzeugen, das war der rote Faden, der sich durch das ganze Leben des Ausnahme-Intellektuellen Freimut Duve zog. Der linke Sozialdemokrat, der von 1980 bis 1998 als Hamburger Abgeordneter für die SPD im Bundestag saß, ist nun mit 83 Jahren gestorben. Viele werden ihn vermissen, denn er war nicht nur besonders klug, er hatte Charme und Wärme.
Kernkraftgegner und politischer Lektor
Auch auf ihn trifft der Satz von Erhard Eppler zu: „Wer zu früh kommt, den bestraft das Leben auch“. Als er gegen das Kernkraftwerk in Brokdorf demonstrierte und schon 1984 an einem Thesenpapier „zur ökologischen Erneuerung der Industriegesellschaft“ mitarbeitete, hielten ihn so manche auch in der eigenen Partei für einen politischen Träumer.
1970 wurde Freimut Duve Lektor beim Rowohlt-Verlag und war fast 20 Jahre lang verantwortlich für die längst legendär gewordene Buchreihe „rororo-aktuell“. Wer damals jung, politisch interessiert und links war, hatte diese Taschenbücher im Regal stehen. Die Themen standen für das, was ihn sein Leben lang umtrieb: Freiheit, Ökologie, Menschenrechte. Er war noch keine 30 Jahre alt, als bei Rowohlt sein Buch erschien: „Kap ohne Hoffnung oder die Politik der Apartheid“.
Sprachkurse für „Gastarbeiter“
Die Arroganz und Ausgrenzung Rassentrennung beschäftigte ihn sein ganzes Leben lang, was auch mit seiner Herkunft zu tun haben mochte. Sein Vater war wohl Bruno Herzl aus der Familie des Zionisten Theodor Herzl und diese Herkunft musste in der Zeit der Nürnberger Rassegesetze verheimlicht werden.
Vermutlich hat ihn dies so sensibel gemacht für alle Ausgrenzungen von Menschen ihrer Herkunft wegen. Schon während seines Studiums in Hamburg war er an der Universität Beauftragter für die ausländischen Studenten. „Deutsch für Ausländer“ nannten er und seine damalige Ehefrau Sprachkurse für die sogenannten Gastarbeiter, die sie zusammen entwickelt hatten.
Büchermensch und Brandt-Unterstützer
1966 trat Freimut Duve in die SPD ein, fasziniert von Willy Brandt, empört über die Angriffe des politischen Gegners auf den Emigranten, der Nazi-Deutschland einst verlassen hatte. Zusammen mit Günter Grass und Siegfried Lenz zog er für Jochen Steffen in den Wahlkampf in Schleswig-Holstein. Von 1998 bis 2003 war er erster OSZE-Beauftragter für die Freiheit der Medien der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa).
Trotz seines politischen Engagements aber blieb er vor allem das, was ihm am wichtigsten war: Büchermensch, Leser und Schreiber. Seine Autobiografie trägt den etwas melancholisch klingenden Titel „Vom Krieg in der Seele. Rücksichten eines Deutschen.“ Vielen Menschen wird er fehlen. Denn er hatte eine in der Hektik des politischen Geschäfts seltene Eigenschaft: eine Begabung zur Freundschaft.
(† 2023) war freie Journalistin in Bonn und Erhard-Eppler-Biografin.