„Unser eigentliches Ziel ist der demokratische Sozialismus.“ Dieser Satz in der Vorstellungsrede der neuen Juso-Bundesvorsitzenden Johanna Uekermann ist wohl der, der den meisten Delegierten des Bundeskongresses in Nürnberg im Gedächtnis bleiben wird – ganz zur Freude der „Falken“.
Wie wollen wir leben? Wie soll unser Europa sein? Wie wollen wir Arbeit gestalten? Johanna Uekermann stellt in ihrer Vorstellung viele Fragen. Dabei macht die 26-Jährige bei ihrer Kandidatur für den Juso-Bundesvorsitz deutlich klar, dass es ihr eigentlich um die Überwindung des Kapitalismus geht, dass die Jusos künftig wieder ganz grundlegende Fragen an das politische und wirtschaftliche System stellen wollen. Dafür erntet sie großen Applaus von den Delegierten.
Für Uekermann ist der Feminismus kein Nebenwiderspruch. Sie fordert, dass mehr Frauen in die erste Reihe müssten und nimmt dabei den eigenen Verband und die eigene Partei nicht aus.
Deutlich stiller wird es im Saal bei der Vorstellung von Hauke Wagner aus Hamburg, Uekermanns Gegenkandidaten. Er präsentiert einen absoluten Gegenentwurf zu dem von Uekermann skizzierten Programm. Wagner will, dass die Jusos ihren Blick auf die Realpolitik richten und für konkrete Verbesserungen im Leben vieler streiten. Aus seiner Sicht erreichten die Jusos als „linke Sektiererclique“ nichts.
deutlicher Kurswechsel bei den Jusos
Sozialistisch – feministisch – internationalistisch. Dieser Dreiklang ist es, der Herzen und Hirne der Delegierten des Bundeskongresses erreicht. Und mit dem Wahlergebnis zeigt der SPD-Nachwuchs deutlich, wo er steht. Die Jusos stehen links, weit links. Mit 69 Prozent wird Johanna Uekermann zur neuen Bundesvorsitzenden gewählt. Sie verkörpert auch einen deutlichen Kurswechsel der Nachwuchsorganisation.
Während ihrer Vorgänger Sascha Vogt eher dafür stand, möglichst viele linke Positionen in den Beschlüssen des Parteivorstandes zu positionieren, könnten die Jusos – auch das wird in Nürnberg deutlich – unter Uekermanns Führung wieder häufiger auf Konfrontationskurs zur eigenen Partei gehen. Vor allem dann, wenn diese in eine große Koalition mit Angela Merkel eintritt.
Was die jungen Sozialisten von dieser Idee halten, machten sie in Nürnberg sehr deutlich. Zu spüren bekam dies vor allem Sigmar Gabriel. Die Rede des SPD-Chefs wurde von nur wenig Applaus dafür von kritischen Zwischenrufen begleitet. Gabriel mahnte die Jugendorganisation zur Vernunft und warb für ein „Ja“ im Mitgliederentscheid. Aus seiner Sicht könne es sich die SPD nicht leisten, gegen die große Koalition zu stimmen. Dabei verwies Gabriel auch auf die Mitgliederstruktur der SPD, die sich nicht mehr aus der „Arbeiterklasse“ speise. Die Sozialdemokraten müssten ihrer Verantwortung gerecht werden: Der Mindestlohn sei wichtig für all diejenigen, die täglich zur Arbeit gingen und davon trotzdem nicht leben könnten.
„Dieser Koalitionsvertrag ist kein echter Politikwechsel“
Deutlich mehr Applaus als der Parteivorsitzende bekam die neue Bundesvorsitzende Johanna Uekermann für ihre Antwort auf Gabriels Rede. Sie machte unmissverständlich klar, dass sie in dem ausgehandelten Koalitionsvertrag keine Kehrtwende in der Politik sieht. Und mit dieser Auffassung ist Uerkermann nicht allein. Dies zeigt nicht nur die Begeisterung, die sie mit ihrer Rede gegen die große Koalition auslöst, sondern auch in den weiteren Redebeiträgen der Diskussion, die sich bis auf wenige Ausnahmen gegen den Vertrag mit der Überschrift „Zukunft gestalten“ richten.
Vor allem für junge Menschen enthielte der Koalitionsvertrag zu wenige Verbesserungen, lautet die Kritik der Jusos. Er richte sich nicht klar gegen die sachgrundlose Befristung, Leih- und Zeitarbeit würden zu wenig eingedämmt. Viele Delegierte machen klar, dass sie im Wahlkampf für einen Politikwechsel gekämpft haben, den sie im Koalitionsvertrag nicht verwirklicht sehen. Und so ist es dann auch kein Wunder, dass der Initiativantrag „Zukunft gestalten geht anders“, der sich klar gegen die Koalition aus SPD, CDU und CSU richtet, mit großer Mehrheit angenommen wird.
Nach dieser Diskussion widmet sich der SPD Nachwuchs einem gewaltigen Antragsprogramm. Es wird über den Verfassungsschutz, Drohnen und die Sozialpolitik gestritten. Auch hier wird schnell klar, dass das linke Lager inzwischen sehr stark geworden ist, zumindest bei den Jusos. Und das freut nicht nur uns Falken, die ja immer um ihr Verhältnis zur guten alten Tante SPD ringen.
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