Yasmin Fahimi zu politischen Gesprächen in Israel und den Palästinensischen Gebieten
Ein lauer Sommerabend: Junge Leute aus Deutschland, Israel und Palästina sitzen zusammen auf der Terrasse des Willy-Brandt-Zentrums für Begegnung und Verständigung (WBC) in Jerusalem. Sie essen und diskutieren miteinander. Zwischen ihnen sitzt SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi. Sie ist anlässlich des Jubiläums 50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen zu politischen Gesprächen in den Nahen Osten gereist.
Fast könnte man meinen, dass sich in diesem kleinen Haus mit einem idyllischen Blick auf Jerusalem, das mitten auf der „Grünen Linie“ zwischen dem Ost- und Westteil Jerusalems liegt, der Nahost-Konflikt vergessen ließe. Doch der Schein trügt. Seit dem Gaza-Krieg im vorigen Jahr ist es schwer geworden, dass dort junge Israelis mit Palästinenser zusammenkommen können. Langwierige Anträge sind für die Anreise aus den Palästinensergebieten mittlerweile erforderlich, oft müssen die jungen Aktivisten für gemeinsame Treffen in andere Regionen ausweichen. Ernüchtert stellt Projektleiter Christopher Paesen fest: „Es ist durch den Gaza-Krieg alles deutlich schwieriger geworden.“ Auch das Vertrauen zueinander hat durch den jüngsten Krieg gelitten. Dennoch oder gerade deswegen machen sie weiter.
Austausch und Begegnung als Chance für gegenseitiges Verstehen
Fahimi ist angetan von der Begegnungsstätte, die Jusos einst mit ihrer damaligen Vorsitzenden Andrea Nahles gegründet haben. „Das ist ein großartiges Projekt“, ermutigt Fahimi die jungen Männer und Frauen und will mehr über deren Arbeit und das Leben der jungen Aktivisten wissen. Palästinenser berichten von mehr als 40 Prozent Jugendarbeitslosigkeit im Westjordanland, gar mehr als 60 Prozent im Gaza-Steifen. Auch in Israel tun sich junge Menschen zunehmend schwer gute Arbeit und bezahlbare Wohnungen zu finden. Umso wichtiger sei es, so argumentieren sie, dass die verschiedenen Gruppen im WBC miteinander kooperieren. Austausch und Begegnung als Chance für gegenseitiges Verstehen und eine friedliche Lösung – auch in besonders schwierigen Zeiten.
Und die Zeiten sind schwierig. Beispiel Palästinensische Gebiete: Die wirtschaftliche Lage in den palästinensischen Gebieten ist schlecht, die Arbeitslosigkeit steigt, und die Wirtschaftsleistung schrumpft spürbar. Im Gaza-Streifen noch mehr als im Westjordanland. In den Gesprächen wurde sehr deutlich, dass die in den Gebieten lebenden Menschen ihre Lage zunehmend als perspektivlos empfinden. Das gilt vor allem für die junge Generation.
Auch die politische Lage in Israel ist nach den Knesset-Wahlen im März dieses Jahres fragil. Zwar konnte die israelische Arbeitspartei, die Schwesterpartei der SPD, ihre Sitze seit der Wahl 2009 auf 24 fast verdoppeln und die zweite progressive Partei Meretz ihre Position halten, doch die vorherrschende Debatte um Sicherheit vor dem Iran und vor Raketenanschlägen aus dem Gaza stärkte hauptsächlich die Partei Likud von Benjamin Netanjahu. Der alte und neue Premierminister schaffte es eine nationalkonservative Regierung zu bilden, die den Siedlungsbau in den besetzten Gebieten weiter vorantreibt und bisher Verhandlungen über einen unabhängigen Palästinenserstaat im Rahmen einer Zwei-Staatenlösung ablehnt.
Yasmin Fahimi plädiert für die Zwei-Staaten-Lösung
Für Fahimi sind zwei Staaten der einzige Weg zu einem friedlichen Miteinander: „Eine Zwei-Staaten-Lösung und ein Miteinander und kein Gegeneinander von Israelis und Palästinenser in Frieden und Wohlstand ist und bleibt unser Ziel, an dem alle Beteiligten arbeiten müssen. Allerdings müssen wir aber auch feststellen, dass wir uns dem Ziel zurzeit eher entfernen als annähern“, macht sie in ihren Gesprächen deutlich. Zustimmung findet sie dafür bei ihrem israelischen Amtskollegen Hilik Bar von der israelischen Arbeitspartei (Awoda). Für die Arbeitspartei ist klar, dass neben der sozialen Frage, der Friedensprozess wieder ins Zentrum der israelischen Politik rücken muss.
Fahimi macht während ihrer Reise, die sie auch in die Gedenkstätte Yad Vashem und an das Grab des ermordeten israelischen Ministerpräsidenten Isaak Rabin führt, klar, dass angesichts der Shoah die politische Verantwortung Deutschlands gegenüber der israelischen Bevölkerung unverrückbar ist. „Als Deutschland und Israel vor 50 Jahren diplomatische Beziehungen aufnahmen, war das - angesichts der Schrecken des Krieges und der Shoah - ein unvorstellbar großer Vertrauensvorschuss gegenüber der jungen Bundesrepublik. Nie wieder Krieg! Nie wieder Rassismus, Intoleranz und Antisemitismus in Deutschland, das ist unsere Botschaft und Selbstverständnis.“
Großes Lob der Generalsekretärin für das Willy-Brandt-Centrum
Deutschland und Israel haben sich in den letzten 50 Jahren schrittweise angenähert und politisches Vertrauen aufgebaut. Dies wurde durch zahlreiche direkte Kontakte aus der Politik aber vor allem auch aus der engagierten Zivilgesellschaft erreicht.
Für die jungen Sozialdemokraten aus Deutschland, Israel und Palästina ist das auch der Weg, den sie im Willy-Brandt-Zentrum beschreiten wollen: Das Vertrauen und die Solidarität zwischen engagierten Menschen durch Begegnungen zu stärken und gemeinsam an einer friedlichen und gleichberechtigten Koexistenz zu arbeiten.
SPD-Generalsekretärin Fahimi unterstützt sie dabei: „In den Gesprächen, die ich mit Israelis und Palästinensern führte, wurde immer wieder deutlich, dass es immer weniger direkte Kontakte und eine zunehmende Entfremdung untereinander gibt. Und daher auch wenig Vertrauen. Dass sich das Willy-Brandt-Zentrum in Jerusalem, an dem die deutschen Jusos maßgeblich beteiligt sind, seit Jahren zur Aufgabe setzt, junge Menschen und Aktivisten von beiden Seiten zusammenzubringen, finde ich daher umso wichtiger.“
ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.