vorwärts.de: Frau Drohsel, am Wochenende werden Sie vom Juso-Bundesvorsitz zurücktreten. Warum gerade jetzt, zur Hälfte ihrer zweiten Amtszeit?
Franziska Drohsel: Nach meiner Promotion möchte ich die Priorität auf meine Ausbildung als Juristin setzen. Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich mein zweites Staatsexamen
machen möchte. Davor muss ich ein zweijähriges Referendariat machen, das ich nun begonnen habe. Für mich ist das die Voraussetzung, dass ich mich auch in Zukunft für linke Positionen einsetzen
kann.
Wie?
Ganz genau weiß ich das noch nicht. Es gibt ja viele Stellen, an denen man sich für linke Positionen einsetzen kann: als linke Anwältin, in der SPD oder in anderen Organisationen. Wo mein
Platz ist, werde ich sehen. Ich bleibe aber auf jeden Fall in der SPD aktiv.
Wäre linke Anwältin denn ein Berufsziel?
Davon habe ich immer geträumt. Es gibt im Rechtsbereich viele Möglichkeiten, sich für die gute Sache einzusetzen.
Wenn Sie zurückblicken: Was war der größte Erfolg in Ihrer dreijährigen Amtszeit als Juso-Vorsitzende?
Sehr beeindruckt hat mich die Diskussion, die wir über die Frage "Was ist heute links?" geführt haben, sowohl im Bundesvorstand als auch im gesamten Verband. Ich fand es toll, dass wir zwei
Kongresse zu dem Thema veranstalten konnten, einen mit über Tausend Teilnehmern. Krönender Abschluss der Diskussion war für mich die Dokumentation in einem Buch, für das auch viele Autoren von
außen Beiträge geschrieben haben. Bei den konkreten Themen hat vor allem die Auseinandersetzung mit der SPD in der Frage der Bahnprivatisierung eine Rolle gespielt, der Umgang mit der Linkspartei
und natürlich die Diskussion über die Vermögenssteuer, deren Einführung wir ja auf dem Bundesparteitag in Dresden beschlossen haben.
Sie haben die Themen genannt. In vielen Punkten haben die Jusos bereits früh Positionen vertreten, die in der SPD erst nach der Niederlage bei der Bundestagswahl mehrheitsfähig geworden
sind. Wie kommt das?
Wir Jusos haben immer zu denen gezählt, die gefordert haben, dass sich die SPD selbstkritisch ihrer Vergangenheit stellen muss. Natürlich freuen wir uns, dass diese Erkenntnis mittlerweile
in größeren Teilen der Partei angekommen ist. Ob der Erneuerungsprozess an allen Stellen schon so gut funktioniert, ist dann nochmal eine andere Frage, aber wir haben uns auf den Weg gemacht und
das ist das Wichtige.
Worauf hätten Sie in den drei Jahren als Juso-Chefin verzichten können?
Es gibt in der politischen Arbeit schon häufig unsolidarisches Verhalten, auf das ich gut hätte verzichten können. Manchmal habe ich das Gefühl, es stehen in der politischen
Auseinandersetzung sehr viele persönliche Eitelkeiten im Vordergrund. Das finde ich anstrengend. Aus meiner Sicht gibt es auch ein ziemliches Funktionärsgehabe, das Dinge unnötig schwierig macht.
Bei der SPD würde ich mir wünschen, dass es weniger Denken in vorgefertigten Strukturen gibt. Wir sind junge Leute, die gemeinsam Dinge verändern wollen. Das muss im Vordergrund stehen.
Sie haben mal gesagt, Frauen hätten es in der Politik besonders schwer, weil sie von den Platzhirschen nicht ernst genommen werden. Hat sich das für Sie bewahrheitet?
Meine Erfahrung in der Politik ist, dass es immer den Versuch gibt, politische Gegner nicht ernst zu nehmen, damit man sich mit ihren Positionen nicht auseinandersetzen muss. Gerade in der
Auseinandersetzung mit den Jusos gibt es die Strategie, sie als die Kleinen zu sehen, die ein bisschen rumtönen. Und gerade bei jungen Frauen gibt es den Versuch, sie zu verniedlichen. Wenn man
aber die Strategie kennt, kann man unbeeinflusst für seine Ziele kämpfen. Und wenn man dann auf einem Parteitag noch eine Mehrheit dafür bekommt, wird man auch sehr schnell ernst genommen. Das
haben wir z.B. beim Beschluss zur Einführung der Vermögenssteuer in Dresden gesehen.
Wo stehen die Jusos im Jahr 2010?
Wir stehen gut da. Die Jusos sind ein Verband, der im gesamten Bundesgebiet organisiert und sehr vielfältig ist. Die einen führen große Theoriedebatten, andere kämpfen für eine freie Wiese
für alle statt dem Bau eines großen Hotels. Das ist etwas Großartiges, denn es bedeutet eine riesige Kompetenz in ganz unterschiedlichen Bereichen. Der Verband ist wahnsinnig lebendig. Bei uns
sind Leute aktiv, dieallein von dem Willen angetrieben werden, dass sich Dinge verändern. Es ist toll, das zu sehen.
Interview: Kai Doering
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