Die SPD fragt, was sich in Deutschland verbessern soll. Dafür ist der Einsatz aller Mitglieder gefordert.
Wolfgang Tiefensee konnte es nicht abwarten. Schon vor dem offiziellen Beginn des SPD-Bürger-Dialogs am 24. September hat der Bundestagsabgeordnete bei den Menschen in seiner Heimatstadt Leipzig nachgefragt. „Was muss in Deutschland besser werden?“ wollte Tiefensee im Rahmen seiner „Politischen Sommeraktion“ wissen. Dafür stand er im Juli zuerst eine Woche jeden Tag vier Stunden in der Leipziger Innenstadt. Er sprach über Themen wie „Rechtsextremismus in Sachsen“ oder „Steigende Mieten in Leipzig“. Und er wollte wissen: „Was läuft schief in unserem Gesundheitssystem?“. Danach ging es für eine Woche in verschiedene Schulen, um mit den Schülern ins Gespräch zu kommen. Und zum Schluss besuchte Tiefensee Unternehmen in Leipzig. Auch hier wollte er von Arbeitnehmern und Arbeitgebern wissen: „Was muss besser werden?“
Tiefensees Beispiel sollen ab Ende September die Genossen überall im Land folgen. „Wir wollen erfahren, was den Menschen in Deutschland am Herzen liegt“, sagt SPD-Chef Sigmar Gabriel. In sechs Themenwochen werden Parteispitze, Abgeordnete und Mitglieder bis Ende des Jahres mit den Bürgern über Deutschlands Zukunft diskutieren und Vorschläge für das SPD-Regierungsprogramm für die Bundestagswahl im kommenden Jahr machen. Jede Themenwoche hat zwei bis drei Experten als Paten. Sie sammeln am Ende alle Vorschläge ein, werten sie aus und bringen sie bei den „Bürger-Konferenzen“ ein. Zu denen lädt die SPD im kommenden Frühjahr Bürger nach Berlin ein. Das aber ist noch Zukunftsmusik. Jetzt heißt es für die SPD erstmal: zuhören und Ideen sammeln.
Paten der Bürger
Themen-Experten Sie sind Ansprechpartner für die Themenwochen und Anwälte der Bürger-Ideen
Vom ersten Tag an werden sie überall sein. Wenn am 24. September der Startschuss für den Bürger-Dialog der SPD fällt, schwärmt die Partei aus, um im besten Sinne nah am Bürger zu sein. Am Nachmittag werden SPD-Chef Sigmar Gabriel und Generalsekretärin Andrea Nahles im Internet-Chat und am Telefon Bürgerfragen beantworten. Zur selben Zeit ist Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück in der Frankfurter Fußgängerzone, der „Zeil“, unterwegs, um von Passanten zu erfahren, welche Themen ihnen wichtig sind. Gleichzeitig treffen bundesweit Abgeordnete, Bürgermeister und andere Parteimitglieder mit Bürgern zusammen, um Ideen zu sammeln und ins Gespräch zu kommen.
„Mit dem Bürger-Dialog schaltet die Partei komplett auf Empfang“, hat Andrea Nahles angekündigt. Ihren Worten folgen nun Taten. Los geht es mit der Themenwoche „Kinder und Familie“. Darauf folgen fünf weitere (s. links). Bis Mitte Dezember besuchen die Genossen Schulen, Krankenhäuser oder Betriebe, um vor Ort zu fragen: „Was muss in Deutschland besser werden?“
Am Ende jeder Themenwoche werten „Themenpaten“ die gesammelten Vorschläge aus. So werden Angelica Schwall-Düren, Ralf Stegner, Axel Schäfer und Julian Nida-Rümelin Paten der Themenwoche „Unser Europa“ sein. Joachim Poß betreut die Themenwoche „Gerechte Gesellschaft“. Die nordrhein-westfälische Staatssekretärin Zülfiye Kaykin, Sascha Vogt und Doris Ahnen kümmern sich um „Jugend und Bildung“., Ute Vogt widmet sich dem Komplex „Arbeit, Wirtschaft, Energie“. Elke Ferner und Carsten Sieling betreuen „Gesundheit und Verbraucherschutz“.
Die Paten werden Vorschläge, die per Dialog-Postkarte oder übers Internet eingebracht werden, zur jeweiligen „Bürger-Konferenz“ mitnehmen. Diese finden, je nach Thema, zwischen Januar und März kommenden Jahres in Berlin statt. Dazu werden Experten und Bürger, deren Vorschläge besonders hervorstechen, eingeladen. Gemeinsam werden sie an Runden Tischen aus den gesammelten Ideen konkrete politische Vorschläge und Projekte erarbeiten. Aus der Frage „Wie schaffen wir gleiche Bildungschancen für alle?“ könnte dort z.B. das „Projekt kleinere Klassen – Stufenplan für mehr Lehrer“ werden.
Aus jeder Bürgerkonferenz werden Delegationen zum abschließenden Bürgerkonvent eingeladen. Dort werden der SPD-Führung und dem dann feststehenden Kanzlerkandidaten die Projekte und Ideen präsentiert. Die Themenpaten werden dort als Anwälte der Bürger die Ergebnisse der Themenwochen zusammenfassen und die zentralen Forderungen vorbringen.
Eine wichtige Rolle spielen sie zudem auf dem Bundesparteitag, der Mitte 2013 das Regierungsprogramm für die Bundestagswahl verabschieden wird. Dort, so ist es geplant, werden die Themenpaten die während des Bürger-Dialogs entwickelten Projekte vorstellen und als Programmpunkte einbringen. Diese werden in der gedruckten Fassung des „Regierungsprogramms neuen Typs“ grafisch hervorgehoben. So soll sofort erkennbar sein, welche Ideen nicht aus den Gremien der Partei, sondern von den Bürgerinnen und Bürgern stammen. Transparenter geht es kaum. Dasselbe gilt für die „Werkstatt Bürger-Dialog“, die während der Sommerpause an der Spitze des Willy-Brandt-Hauses eingerichtet wurde. Die Mitarbeiter sind dort per Telefon unter 030/25991-500 zwischen 8 und 20 Uhr für Bürgeranfragen erreichbar.
Alle Fortschritte des Bürger-Dialogs werden jederzeit aktuell auf spd.de dokumentiert.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.