Eigentlich könnte Harry Voigtsberger ein zufriedener Mann sein. Als Parteipolitiker, denn die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordhein-Westfalen funktioniert besser, als selbst viele
Optimisten ihr prophezeit haben. Und auch als Superminister für Verkehr und Wirtschaft, denn "NRW hat zurzeit das beste Wirtschaftswachstum seit 20 Jahren", wie Voigtsberger am zweiten Tag des
DEMO-Kommunalkongresses offen zugibt.
Und doch ist die Stimmung des Ministers in Essen getrübt. Der Grund: "Die öffentlichen Haushalte sind an ihrer Belastungsgrenze" - und das, obwohl die Wirtschaft boomt, es so wenig
Arbeitslose gibt wie lange nicht. Mit dieser Situation müssen Voigtsberger und seine Kollegen aus Bund, Ländern und nicht zuletzt den Kommunen umgehen.
Wann ist Wirtschaftspolitik nachhaltig?
Zur Orientierung hat sich der Minister eine Art Leitbild überlegt. "Wirtschaftspolitik muss ökonomisch leistungsfähig, ökologisch verantwortlich und sozial akzeptabel sein", gibt
Voigtsberger der kommunalen Familie in Essen vor. "Wenn nur einer dieser Aspekte nicht erfüllt wird, ist die Politik nicht nachhaltig."
Der Minister lässt keinen Zweifel daran, dass er sein Handeln an dieser Maxime ausrichtet. Die Aufgaben sind schließlich gewaltig. "Die Energiewende muss vor allem vor Ort geschafft
werden", nennt Voigtsberger eine. Jüngst sind die Standortkürzungen bei der Bundeswehr hinzugekommen. Sie haben auch wirtschaftlich Auswirkungen. Um die Aufgaben zu lösen, setzt der Minister auch
auf die Bürger. "Blockaden können wir nur mit den Menschen lösen", ist Voigtsberger überzeugt, "nicht gegen sie."
Zusammenarbeit macht stark
Für Stephan Weil kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu. "Moderne Kommunalpolitik ist durch die Erkenntnis geprägt, dass wir stärker sind, wenn wir zusammenarbeiten", sagt Hannovers
Oberbürgermeister, der gleichzeitig Bunes-Vorsitzender der Soziademokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK) ist. "Ein kooperativer Ansatz ist alternativlos."
Allerdings warnt Weil auch, "nicht in einen Kooperationstaumel" zu verfallen. "Jede Stadt und jede Gemeinde muss für sich klar, festlegen, was sie erreichen möchte." Auf diese Weise werde
auch ein Kampf der Bürgermeister vermieden, etwa bei der Ansiedlung von Unternehmen.
Doch wie soll Kommunalpolitik all diese Aufgaben erfüllen, wenn ihre Rechte immer weiter zurückgedrängt werden? Dieser Frage geht in Essen SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles nach. Man
merkt ihr an, dass sie selbst noch mit einem Bein in der Kommunalpolitik steht. Ihr Plädoyer "den Einfluss der Kommunalpolitik auf Dauer (zu) sichern", klingt dadurch umso ehrlicher.
Chance SPD-Parteireform
Große Chancen sieht Nahles in der Parteireform, die in einem Monat auf dem Parteitag verabschiedet werden soll. So soll ein Kommunalbeirat in den Statuten der SPD festgeschrieben werden.
Die Leitung übernimmt der Vorsitzende Sigmar Gabriel. Die SGK soll Antrags- und Rederecht auf Parteitagen erhalten. Und - nicht zuletzt - sollen Frauen in der Kommunalpolitik besser gefördert
werden. "40 Prozent unserer Direktkandidaten sollen in Zukunft Frauen sein", gibt Nahles die Richtung vor. "Auf dem Parteitag wird es den Kick-off für eine Kampagne dazu geben."
Natürlich, beeilt sich Nahles zu betonen, wolle die Parteiführung aber niemandem etwas vorschreiben. "Alle Gliederungen entscheiden selbst, wen sie als Kandidat ins Rennen schicken!" Am
Ende ihrer Rede ist den Besuchern des Kommunalkongresses klar: Die SPD meint es ernst. Und allen Zweiflern gibt Andrea Nahles noch den Satz mit auf den Weg: "Wir sind die Kommunalpartei."
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