Ein Hinterhof in Kreuzberg. Eine rostrote Stahltür. Ausgetretene Stufen führen nach oben – und zum erhofften Wahlsieg 2013. So ungewohnt die Adresse der Werbeagentur –  so neuartig verspricht der SPD-Bundestagswahlkampf zu werden.

super j+k: So heißt die Agentur mit der kiezigen Berliner Adresse, die wirkt wie ein Ziegelstein gewordener Ausdruck der Aufforderung Sigmar Gabriels, dahin zu gehen, „wo es brodelt, riecht und stinkt“.

Seit dem Herbst 2010 hat die SPD keine Landtagswahl mehr verloren. Besonders eindrucksvoll gewonnen hat sie, wenn sie, wie zuletzt in NRW und in Kurt Becks Worten, „nah bei den Menschen“ war: ein Erfolgsrezept, das Sigmar Gabriel und Andrea Nahles auf die Bundes-SPD übertragen wollen. Weil dies nicht in wenigen Wahlkampfwochen erreichbar ist, hat die Kampagne für 2013 schon 2011 begonnen. „Wir haben ein Jahr im Dunkeln gearbeitet,“ sagt Karsten Göbel von super j+k.

Aus dem Dunkel bereits hervorgestochen ist die neue Hintergrundfarbe für Werbemittel und Parteitage: Purpur.  Verschreckte Genossen argwöhnten, das Purpur solle Rot ersetzen. Völlig falsch, beruhigt Heiko Kretschmer – er ist das „k“ in super j+k: „Wir haben eine Farbe gesucht, die das Rot nicht verdrängt, sondern betont.“ Die ein „Hinseher“ sei, mit „hohem Wiedererkennungswert“.

Kretschmer und seine Kollegen bringen Erfahrungen aus zahlreichen Wahlkämpfen mit. Sie wissen, was sie tun, wenn sie davon reden, diesmal vieles anders machen zu wollen als gewohnt. Statt um „Inszenierungsarbeit“ gehe es um „Kärrnerarbeit“. Auch haben sie sich genau angesehen, womit Barack Obama 2008 erfolgreich war, die Labour Party in Kommunen wie Oxford, GenossInnen in Frankreich und den Niederlanden. 

Ein Tag im April. Im 6. Stock des Willy-Brandt-Hauses (WBH) sitzt Sigmar Gabriel zwischen Andrea Nahles und Barbara Hendricks, der Generalsekretärin und der Schatzmeisterin. Kretschmer und Co. stellen das Konzept einer breit angelegten Diskussion vor. Sie soll auf Straßen und Plätzen, in Wohnzimmern, Büros, in Gemeindesälen und im Internet stattfinden, im Herbst 2012 beginnen und zu einem Wahlprogramm „neuen Typs“ führen. 

Die SPD will mit möglichst vielen Bürgern ins Gespräch kommen und fragen: „Was soll die SPD für dich tun?“ Alle Antworten werden gesichtet und einem „Programmcheck“ unterworfen: Was verträgt sich mit sozialdemokratischen Werten, was nicht? Alle Parteimitglieder sind aufgerufen mitzumachen, Nachbarn anzusprechen, Kollegen und Freunde.  Der „Einsammelphase“ folgen „Bürgerkonferenzen“ und schließlich, im Juni 2013, ein „Bürgerkonvent“. Das letzte Wort wird dann, jetzt wieder wie gewohnt, ein Parteitag haben.  

Ziel ist ein Programm mit Vorhaben, die in einer Legislaturperiode verwirklicht sein können. Gemäß der Vorgabe des Vorsitzenden, nur zu versprechen, was gehalten werden kann – und genau das nach dem  Wahlsieg auch zu tun.

Frühere SPD-Wahlkämpfe wurden oft aus einem Büro neben der Parteizentrale organisiert, Kampa genannt.  Diesmal, kündigt Andrea Nahles an, werde das WBH selbst die Kampa sein, mit „war room“ zur Gegnerbeobachtung und einer effizienten Datenbank nach amerikanischem Vorbild.

400 „Campaigner“ (so heißen sie in den USA)  sollen wie lokale Nervenenden der Zentrale übermitteln, worüber  vor Ort geredet wird. Gesucht werden engagierte Freiwillige, die das Vertrauen ihres örtlichen Kandidaten haben, die kontaktfreudig sind, interneterfahren und die einen exklusiven Draht zur Zentrale in Berlin bekommen. In den USA  sind Campaigner oft jung und sehr oft Frauen.

„Der Wahlkampf“, heißt es in einem internen Konzeptpapier, „führt die Erfahrungen aus der „guten, alten Zeit der Willy-Wahlkämpfe“ mit Methoden moderner, internetgestützter Kampagnenführung zusammen.“ Im Vordergrund stehe dabei der persönliche Kontakt zu Wählerinnen und Wählern. 

„Sehr gut“ befindet Sigmar Gabriel das Konzept an jenem Tag im April. Drei Wochen später stimmt der Parteivorstand zu. Im WBH finden im Mai erste Personal-umstellungen statt. Andrea Nahles: „Ab heute sind wir kampagnenfähig.“

Autor*in
Uwe Knüpfer

war bis 2012 Chefredakteur des vorwärts.

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