Parteileben

Wieso immer mehr SPD-Verbände Cannabis freigeben wollen

Bremens neuer Bürgermeister Carsten Sieling hat sich als erster Ministerpräsident dafür ausgesprochen, den Gebrauch von Cannabis zu legalisieren. Die Forderung passt zum Kurs von immer mehr SPD-Landesverbänden. In Berlin könnten die Genossen im kommenden Jahr mit der Cannabis-Legalisierung in den Wahlkampf ziehen.
von Kai Doering · 20. Juli 2015
Cannabis
Cannabis

139 Seiten ist der Koalitionsvertrag von SPD und Grünen in Bremen dick. Die kleine Revolution steht auf Seite 99. „Unser Ziel ist es, dass der bloße Besitz von Cannabis zum Eigenverbrauch nicht mehr strafrechtlich verfolgt wird“, schreiben die Koalitionäre. „Wir wollen einen Wechsel in der Drogenpolitik weg von der Kriminalisierung und hin zu mehr Prävention und Aufklärung.“

Die rot-grüne Koalition in Bremen ist damit die erste Landesregierung, die sich die Legalisierung von Cannabis auf die Fahnen geschrieben hat. Zwar müsse der Jugendschutz eingehalten werden, betonte der neue Bürgermeister Carsten Sieling am Wochenende in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“. „Aber unbestritten ist doch mittlerweile auch, dass die Kriminalisierung von Cannabis nicht mehr zeitgemäß ist.“ Sie verursache auch hohe Kosten, etwa bei der Polizei. Eine „Entkriminalisierung“ von Cannabis spare daher „am Ende auch öffentliches Geld“. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi zeigt sich aufgeschlossen und sprach sich am heutigen Montag vor Journalisten in Berlin für eine testweise Freigabe aus.

BayernSPD für „Neuanfang in der Drogenpolitik“

Der Vorstoß aus Bremen unterstreicht eine Entwicklung, die seit einigen Monaten im Gange ist. So sprach sich die bayerische SPD auf ihrem Landesparteitag Ende Juni einstimmig für einen „Neuanfang in der Drogenpolitik“ aus. Die Genossen aus dem Süden fordern, dass eine Menge Cannabis festgelegt wird, die Konsumenten im gesamten Bundesgebiet legal besitzen dürfen. „Die bayerische Polizei hat besseres zu tun, als Menschen wegen sieben Gramm Cannabis in der Tasche festzunehmen“, sagt Generalsekretärin Natascha Kohnen. Die „jahrzehntelange Kriminalisierung der Kiffer“ ist aus ihrer Sicht gescheitert.

Auch die Berliner SPD befasste sich auf ihrem Landesparteitag im Juni mit der Cannabis-Legalisierung. Der Antrag aus dem Bezirk Mitte zwar wurde zunächst an die „Steuerungsgruppe Wahlprogramm“ überwiesen, soll dort aber weiter entwickelt werden. Gut möglich also, dass die Berliner Genossen mit der Forderung „Gebt das Hanf frei!“ in den Wahlkampf um das Abgeordnetenhaus im kommenden Jahr ziehen werden.

Cannabis-Freigabe müsste der Bund regeln

Allerdings: Selbst wenn einzelne Bundesländer die Cannabis-Freigabe beschließen – entscheidend sind die Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes, das den Umgang mit Betäubungsmitteln regelt, und zwar bundeseinheitlich.

Das Bundesverfassungsgericht hat zwar bereits 1994 im sogenannten Cannabis-Beschluss geurteilt, dass bei geringfügigen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz durch den Erwerb und Besitz von geringen Cannabis-Mengen zum Eigenverbrauch von einem Strafverfahren abgesehen werden kann. Und wie diese „geringen Mengen“ ausgelegt werden, liegt im Ermessen der einzelnen Bundesländer. Doch eine generelle Freigabe von Cannabis könnte nur der Bundestag mit einer Gesetzesänderung erwirken.

Jusos fordern „ernsthafte Debatte“ der großen Koalition

Hier allerdings sperren sich vor allem CDU und CSU. „Ich hoffe sehr, dass auch in der großen Koalition eine ernsthafte Debatte über die Entkriminalisierung von Cannabis begonnen wird“, sagt deshalb die Juso-Bundesvorsitzende Johanna Uekermann. Von dem bisher bestehenden Cannabis-Verbot profitiere vor allem die organisierte Kriminalität. Produktion und Verkauf von Cannabis sollten daher aus Sicht der Jusos staatlich kontrolliert, und der private Anbau für den Eigenbedarf legalisiert werden. „Die Steuern, die man durch den Verkauf von Cannabis einnimmt, könnte man für die Suchtprävention verwenden“, meint Johanna Uekermann.

Die Argumente liegen damit auf dem Tisch. Die Debatte über die Legalisierung von Cannabis hat gerade erst begonnen.

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Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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