Wie sich die SPD auf die Ehe für alle freut
Am Ende ging es ganz schnell. Jahrelang hatten sich CDU und CSU gegen die rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare gestemmt. Selbst die Festschreibung der sogenannten Ehe für alle im Koalitionsvertrag mit der SPD ließ die Union nicht von ihrer Position abweichen. Nun, nach einer eher beiläufigen Äußerung von Angela Merkel am Montag Abend, sieht die Welt plötzlich komplett anders aus.
Ehe für alle: Breite Mehrheit gilt als sicher
Der Bundestag wird voraussichtlich am Freitag – und damit am letzten Sitzungstag dieser Legislatur – über die Ehe für alle abstimmen. So hatte es SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz am Dienstag Morgen gefordert. Am Nachmittag entschied die Bundeskanzlerin gegen den Willen ihres Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder, dass die Abstimmung freigegeben wird, die Abgeordneten also nicht dem Fraktionszwang, sondern nur ihrem Gewissen verpflichtet sein sollen. Da sich neben der SPD auch Grüne, Linke und sogar vereinzelte CDU-Abgeordnete für die Ehe für alle aussprechen, gilt eine breite Mehrheit als sicher.
In der SPD ist die Freude über die unerwartete Entwicklung groß. „Mehrheit steht: Ehe für alle kommt und sie kommt mit Macht. Es war richtig, das heute Morgen auf die Tagesordnung zu setzen“, schreibt Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann im Kurznachrichtendienst Twitter. Dort verspricht Bundesfamilienministerin Katarina Barley: „Wir werden die #Ehefueralle in dieser Woche im Bundestag zur Abstimmung stellen. Endlich – denn Liebe kennt kein Geschlecht.“
Jetzt nicht kneifen, CDU und CSU!
Auch unter den Bundestagsabgeordneten ist die Stimmung gut. „Das wird eine schöne Sitzungswoche. Nicht wegen, sondern trotz Merkel“, schreibt die Leipziger Abgeordnete Daniela Kolbe. Und ihr Dortmunder Kollege Marco Bülow twittert: „Unter Druck von Vielen und aus taktischen Gründen – aber Hauptsache es kommt jetzt wirklich.“ Der Sprecher des Seeheimer Kreises Johannes Kahrs nutzt die Gelegenheit, um der Kanzlerin die Meinung zu sagen: „ Die Öffnung der Ehe mal nebenbei im Brigitte TV abzuhandeln, ist symbolisch für die Abgehobenheit, den Hochmut, von Merkel“, schreibt er.
Per Pressemitteilung appelliert die Vorsitzende der Bayern-SPD Natascha Kohnen: „Jetzt nicht kneifen, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und CSU. Ein herzliches Willkommen im 21. Jahrhundert, besser spät als nie!“ Und die Vorsitzende der SPDqueer Petra Nowacki schreibt auf Facebook: „Ich bin beim Bundesparteitag bei den Worten zur Ehe für alle auf den Stuhl geklettert. Da hätte ich nicht gedacht, dass Martin Schulz mit seinen Worten so viel bewegt. Danke!“
Der Anstoß kam aus Rheinland-Pfalz
In Rheinland-Pfalz ist die Freude über die bevorstehende Gesetzesänderung besonders groß. Ministerpräsidentin Malu Dreyer hatte einen entsprechenden Antrag mit Unterstützung der Landesregierungen von Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Thüringen schon 2013 in den Bundesrat eingebracht. Den Beschluss fasste die Länderkammer im Juni 2015. Dieser soll nun am Freitag auch vom Bundestag beschlossen werden. „Wir freuen uns als Landesregierung, dass es nun endlich soweit ist, dass der Bundestag in zweiter und dritter Lesung darüber abstimmen wird“, teilt Dreyer in einem Video via Twitter mit.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.