Parteileben

Wie Klara Geywitz und Olaf Scholz die SPD verändern wollen

Klara Geywitz und Olaf Scholz wollen die SPD wieder zu einer „linken Volkspartei“ machen, „die stolz sein kann auf sich selbst“. Dafür fordern die Kandidierenden für den Parteivorsitz in der SPD einen solidarischeren Umgang miteinander.
von Kai Doering · 5. November 2019
„Wir stehen für Erneuerung und Erfahrung“, sagen Klara Geywitz und Olaf Scholz.
„Wir stehen für Erneuerung und Erfahrung“, sagen Klara Geywitz und Olaf Scholz.

An den Tag, an dem sie das erste Mal mit Olaf Scholz in einem Raum war, kann sich Klara ­Geywitz noch sehr gut erinnern. „Es war der Mannheimer Parteitag und ich war die jüngste Delegierte.“ Damals, im November 1995, war Klara Geywitz 19 Jahre alt und gerade drei Jahre in der SPD. Inzwischen blickt die 43-jährige Potsdamerin auf reichlich Erfahrung in unterschiedlichsten Ämtern und Funktionen in Brandenburg zurück. Und doch sagt Geywitz über sich: „Ich bin, was die Bundespolitik anbelangt, eher aus der Abteilung Erneuerung.“

Nachbarn in Potsdam

„Wir stehen für Erneuerung und Erfahrung“, findet Olaf Scholz. Von letzterer hat der amtierende Vizekanzler und ­Bundesfinanzminister jede Menge: etwa als SPD-General­sekretär, Bundesarbeitsminister und ­Erster Bürgermeister von Hamburg. ­Welche Aufgabe ihm am meisten Freude bereitet hat, kann der 61-Jährige gar nicht sagen. „Ich habe in jedem Amt sehr viel Spaß gehabt und viel gelernt.“

Wer schließlich wen angesprochen habe, gemeinsam für den SPD-Vorsitz zu kandidieren, wollen Geywitz und Scholz nicht verraten. „Klara fand schon länger, ich solle antreten“, erinnert sich Scholz. Gleiches habe er über sie gedacht. „Als ich mich dann entschieden habe, zu kandidieren, erschien mir Klara ideal für ein gemeinsames Team.“ Die beiden kennen – und schätzen – sich schon lange, nicht zuletzt durch die gemeinsame Arbeit im Parteivorstand. Seit einigen Monaten sind sie auch entfernte Nachbarn in Potsdam.

Freude über Platz eins

„Klara ist eine durchsetzungsstarke Frau mit einem klaren Kompass“, sagt Olaf Scholz. „Olaf weiß, was er will, und verbreitet keine Hektik“, sagt Klara Geywitz. Beide beschreiben sich als „sachliche Politiker und eher pragmatisch“. Für Geywitz habe auch ihre ostdeutsche Herkunft eine Rolle dabei gespielt, für den Parteivorsitz zu kandidieren. „Wir Ostdeutschen müssen stärker repräsentiert sein“, findet sie. „Unsere Kandidatur ist auch eine gesamtdeutsche Aussage“, meint Olaf Scholz.

Über ihr Abschneiden in der ersten Runde der Migliederbefragung mit 22,68 Prozent freuen sich Geywitz und Scholz sehr. „Wir sind mit Zuversicht in die Regionalkonferenzen gegangen und froh, als Erstplatzierte in die Stichwahl zu gehen“, sagt er. Im Gegensatz zu manch anderem Team nahmen Geywitz und Scholz beide an allen 23 Konferenzen teil. Einmal hatte Scholz die ganze Nacht hindurch das Klimapaket der Bundesregierung mitverhandelt und stand trotzdem am nächsten Abend in Neubrandenburg auf der Bühne. „Er ist ein Politiker mit guter Kondition“, meint Klara Geywitz dazu.

Erinnerungen an Hamburg 2009

Sie und Scholz waren das Team, das sich in den Vorstellungsrunden wohl am deutlichsten zur großen Koalition bekannte. „Die SPD hat viel durchgesetzt“, wiederholte Olaf Scholz immer wieder. „Nur wenn die SPD regiert, kann sie das Land voranbringen“, ist auch Klara Geywitz überzeugt. Sie sagt aber auch: „Olaf Scholz und ich wollen die SPD wieder so stark machen, dass wir eine Regierungskoalition im Bund anführen können und keine große Koalition mehr brauchen.“ Die SPD müsse wieder zu einer „linken Volkspartei“ werden, „die stolz sein kann auf sich selbst“.

Auch deshalb fordern Geywitz und Scholz einen Mindestlohn von zwölf Euro, eine Vermögenssteuer wie in der Schweiz und die Abschaffung sachgrundloser Befristungen. Im Klimaschutz sehen sie ein Innovationsprojekt, das Arbeitsplätze nicht gefährden muss, sondern sogar neue Arbeitsplätze schaffen kann. In der SPD setzen sie auf ein neues Miteinander. „Die Härte, mit der inzwischen manche innerparteiliche Auseinandersetzung geführt wird, schadet uns allen“, sagen sie. „Wir müssen wieder solidarischer miteinander umgehen und gut übereinander sprechen.“

Dass die Partei in einem miesen ­Zustand ist, beunruhigt Geywitz und Scholz. „Es wäre nicht vernünftig, nicht besorgt zu sein“, meint Scholz. Gleichzeitig traut er sich und Geywitz zu, die SPD wieder stark zu machen. „Mich erinnert die Situation etwas an den Herbst 2009“, erzählt Scholz. Damals übernahm er den Vorsitz der Hamburger SPD. Im Jahr zuvor hatten die Sozialdemokraten die Bürgerschaftswahl verloren, die Partei war in keinem guten Zustand. 2011 holte die SPD mit Scholz an der Spitze die absolute Mehrheit bei der Bürgerschaftswahl, vier Jahre später 46 Prozent. „Klara und ich behaupten nicht, auf Bundesebene einen solchen Sprung nach vorne hinzubekommen, aber wir trauen uns einen Aufbruch zu, der die SPD stärkt.“

Die Neuaufstellung braucht Zeit

Dabei setzen Geywitz und Scholz auf absolutes Team-Play. Eine Aufgabenteilung soll es mit ihnen als Vorsitzenden-Duo nicht geben. „Wir werden die Arbeit, die anliegt, gemeinschaftlich erledigen“, kündigt Klara Geywitz an. Als Doppelspitze wollen sie die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern vorleben – ein Thema, für das sich Klara Geywitz schon lange einsetzt. Als Landtagsabgeordnete war sie eine der treibenden Kräfte, dass Brandenburg im Sommer als erstes Bundesland ein Paritätsgesetz bekam. Frauen und Männer müssen künftig je zur Hälfte im Parlament vertreten sein.

Doch Geywitz und Scholz wissen auch, dass eine Neuaufstellung der SPD Zeit braucht. Als der Moderator der letzten Vorstellungskonferenz in München von den Kandidierenden wissen wollte, was sie in den ersten hundert Tagen als Vorsitzende erreichen wollen, blieb Olaf Scholz ganz realistisch. „In hundert Tagen wird die SPD nicht wieder die Stärke erreichen, die wir uns wünschen“, sagte er. Klara Geywitz und er wollten aber in dieser Zeit dafür sorgen, dass es auch  künftig weiter regelmäßige Veranstaltungen gibt, bei denen Parteiführung und -basis miteinander sprechen würden. „Das Bedürfnis zu diskutieren, ist riesengroß“, weiß Scholz.

Erneuerung als Dauerthema

„Die SPD braucht eine neue Führungskultur“, ist Klara Geywitz überzeugt. Neben der stärkeren Einbeziehung der Mitglieder gehört für sie und Scholz auch dazu, dass die unterlegenen Kandidierenden für den Parteivorsitz „in der künftigen SPD weiter eine Rolle spielen“. Dass die Erneuerung der Partei mit der Wahl ­einer neuen Führung nicht abgeschlossen ist, betonen beide. „Erneuerung ist ein Dauer­thema“, findet Olaf Scholz. Dass er die Dinge nüchterner betrachtet als manch anderer, sei dabei kein Nachteil. „Wir Sozialdemokraten sind Idealisten, die die Welt verbessern wollen“, sagt Klara Geywitz. Aus ihrer Sicht ist die SPD „die emotionalste Partei Deutschlands“ – was sie ausdrücklich positiv meint. Dennoch wollen sie und Scholz „neben den Emotionen der Vernunft Raum geben“.

Amüsiert sind die beiden, wenn sie lesen, was zuletzt alles über sie geschrieben wird. „Olaf wird häufig als konservativer dargestellt, als er ist“, hat Klara Geywitz festgestellt. Erst kürzlich hätte er ihr berichtet, für wen er bei der Ur-Wahl des Parteivorsitzes 1993 gestimmt hat: für die Parteilinke Heidemarie Wieczorek-Zeul.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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