Wie Heiko Miraß versucht, den Osten von Vorpommern für die SPD zu gewinnen
An seinem zehnten Hochzeitstag steht Heiko Miraß im Eingangsbereich des „Cura-Seniorencentrums“ in Pasewalk und wartet auf Martin Schulz. Miraß, 50 Jahre alt, fast zwei Meter groß, ist Bundestagskandidat der SPD im Wahlkreis 16 Mecklenburgische Seenplatte I – Vorpommern-Greifswald II. Der ist von der Fläche her fast doppelt so groß wie das Saarland. Direktmandate gehen hier seit der Wiedervereinigung traditionell an die CDU. Bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr holte die AfD in einigen Teilen des Wahlkreises ihre besten Ergebnisse.
In Pasewalk werden Erinnerungen an Würselen wach
Etwas Unterstützung vom SPD-Vorsitzenden und -Kanzlerkandidaten kann da also nicht schaden. Als Martin Schulz im Seniorenzentrum ankommt, regnet es in Strömen. Schulz strahlt trotzdem, als er zusammen mit Heiko Miraß, Manuela Schwesig, die zu diesem Zeitpunkt noch Bundesfamilienministerin ist, dem Staatssekretär für Vorpommern, Patrick Dahlemann, und der Pasewalker Bürgermeisterin Sandra Nachtweih in den Speisesaal geht. „Ich bin das erste Mal in Pasewalk“, gibt Schulz unumwunden zu. Die Stadt erinnere ihn aber an seine Heimat. Würselen sei zwar etwas größer, aber auch nicht gerade riesig.
„Ihr Besuch überrascht uns“, sagt auch der Leiter des Cura-Seniorencentrums Daniel Grimm. Vorpommern und Altenpflege seien zwei Bereiche, „die sich die Politik nicht so häufig ansieht“. Mehr als 400 Menschen leben in Grimms Einrichtung und wollen betreut werden. „Aber wir schaffen es nicht, genügend junge Leute für die Pflege zu begeistern.“
43.000 Ruheständler müssen ersetzt werden
Heiko Miraß kennt die Zahlen zu diesem Dilemma. Seit 2013 ist er Geschäftsführer der Agentur für Arbeit in Greifswald, die für die Region zuständig ist. „Jeder Fünfte in Vorpommern arbeitet im Bereich Gesundheit, Pflege und Soziales“, erzählt Miraß seinem Parteivorsitzenden. Und: In den kommenden Jahren würden 43.000 Menschen in Vorpommern in den Ruhestand gehen. Diese würden allerdings nur von 18.000 Schulabgängern ersetzt. „Da stoßen wir langsam an unsere Grenzen.“
Martin Schulz hört aufmerksam zu und sagt dann: „Die Mehrheit der Deutschen wohnt nicht in Großstädten. Wer in einer ländlichen Region lebt, ist kein Mensch zweiter Klasse und darf nicht das Gefühl haben, er ist uns Politikern egal.“ Wer in Pasewalk oder Würselen wohne, habe dasselbe Recht auf regelmäßig fahrende Busse und schnelles Internet wie jemand in Berlin oder Köln. Schließlich verspricht Schulz: „Wir haben diese Region im Blick.“
Bewusst und gerne in Vorpommern
Bei Heiko Miraß und Pasewalks Bürgermeisterin Sandra Nachtweih kommt das an. „Martin Schulz’ Bekenntnis zum ländlichen Raum finde ich sehr wichtig“, sagt Miraß, nachdem der Kanzlerkandidat wieder in sein Auto gestiegen ist. „Wir leben bewusst und gerne hier.“ Die Voraussetzungen in Pasewalk sind schließlich gut. Der Zug braucht von hier nun eineinhalb Stunden bis nach Berlin, schnell ist man auch auf Rügen und Usedom – und natürlich in Stettin.
Die Partnerschaft zu Polen ist für die Region besonders wichtig und liegt auch Heiko Miraß sehr am Herzen. Bald wird er – in seiner Funktion als Chef der Arbeitsagentur – im „Historischen U“ wieder Ausbildungsverträge an polnische Jugendliche übergeben. Hier waren einst die Pferde der in Pasewalk stationierten Kürassiere untergebracht. Die Nummern der Boxen und andere Innschriften sind noch heute an den Wänden zu sehen. In den historischen Mauern findet sich nun aber ein modernes Veranstaltungszentrum.
Das Direktmandat hat schon einmal geklappt
Bis zur Bundestagswahl wird Heiko Miraß wohl noch öfter hier sein. Und auch wenn der Wahlkampf in Nordosten der Republik für den SPD-Kandidaten alles andere als einfach wird: unterkriegen lassen wird er sich nicht. Dass ein Wahlsieg gelingen kann, hat schließlich Patrick Dahlemann im vergangenen Jahr gezeigt. „Er hat durch fünf Jahre intensive Arbeit mit der Mär gebrochen, dass die SPD in Vorpommern keinen Wahlkreis direkt gewinnen kann“, erinnert Manuela Schwesig. „Das wollen wir im September mit Heiko Miraß wiederholen.“
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Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.