Parteileben

Wie ein SPD-Unterbezirk die Jugend für Politik begeistert

Junge Menschen interessieren sich nicht für Politik. Irrtum. Man muss sie nur richtig ansprechen. Wie das geht, zeigt die SPD in Hameln.
von Kai Doering · 18. Februar 2016
SPD Hameln
SPD Hameln

Um die Geschichte vom Rattenfänger kommt man in Hameln einfach nicht herum. Schon am Bahnhof grüßt eine zwei Meter große Rattenskulptur. Auf dem Weg in die Innenstadt sind kleine Messingtafeln mit Rattenbildern in den Asphalt eingelassen. Und in der Fußgängerzone steht eine Bronzestatue des Mannes mit der Flöte auf einem Brunnen. Selbst die SPD in der Rattenfängerstadt scheint auf junge Menschen eine ähnliche Anziehung auszuwirken wie die Figur aus dem Grimm’schen Märchen.

Die SPD von innen kennenlernen

„Wir wollten etwas tun, damit junge Leute Interesse an Politik im allgemeinen und an der SPD im besonderen bekommen“, erzählt Gabriele Lösekrug-Möller. Sie ist Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium und war bis vor kurzem Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Hameln-Pyrmont. Von ihr stammt die Idee für das Projekt „10 unter 20“: Zehn Personen, die höchstens 20 Jahre alt sind, bekommen ein Jahr lang die Möglichkeit, die SPD von innen kennenzulernen. 2003 hat die SPD im Südwesten Niedersachsens das Programm gestartet.

„Wir machen alle Türen auf“, sagt Lösekrug-Möller. „Die jungen Leute können an den Sitzungen der Stadtrats- und der Kreistagsfraktion teilnehmen oder bei Unterbezirkskonferenzen dabei sein.“ Höhepunkte seien für die meisten aber das Wochenendseminar zur Geschichte und Arbeit der SPD und die Fahrt nach Berlin zum Bundestag. „Das Programm sieht jedes Jahr anders aus, denn die Schwerpunkte setzen die Teilnehmer selbst.“

Plötzlich keine Hürden mehr

„Politikunterricht in der Schule ist ganz anders als Politik im Alltag zu erleben“, sagt Sarah Schneider. Die 20-Jährige hat 2014 an „10 unter 20“ teilgenommen. Inzwischen ist sie Vize-Vorsitzende der Jusos in Niedersachsen. „Junge Leute wollen sich gern politisch beteiligen, wissen aber oft nicht so richtig wie und wo“, ist Schneider überzeugt. „10 unter 20“ setze genau da an. „Plötzlich gab es keine Hürden mehr“, beschreibt sie ihre Erfahrung.

Zumindest eine Hürde haben die Inte­ressierten aber zu nehmen, wenn sie an „10 unter 20“ teilnehmen wollen: Sie müssen sich offiziell bei der SPD bewerben. „Im Vergleich zu den ersten Jahren haben wir das Verfahren aber verschlankt“, sagt Torben Pfeufer, der das Projekt seit 2014 leitet. Es reiche, wenn Interessenten einen Bewerbungsbogen ausfüllen. Bewerbungsgespräche gebe es inzwischen nicht mehr. „Zu Anfang waren wir uns nicht sicher, ob es nicht zu verwegen ist, zehn junge Leute unter 20 Jahren zu finden, die Interesse an praktischer Politik haben“, gibt Barbara Fahncke zu. Der Erfolg gibt aber nicht nur der Unterbezirksvorsitzenden recht: Im aktuellen Jahrgang nehmen sogar zwölf junge Leute am Programm teil.

Viele finden den Weg in die SPD

Einer von ihnen ist Felix Münkemeier. „Ich interessiere mich schon lange für Politik. Bei der SPD habe ich in den letzten Monaten viel dazugelernt.“ In die Partei eintreten wird der junge Mann trotzdem nicht. „Die SPD wird nicht meine Partei“, gibt Münkemeier zu. „Wir wollen junge Menschen grundsätzlich an Politik heranführen“, erklärt Torben Pfeufer. „In welcher Form sie sich engagieren ist zweitrangig. Aber natürlich freuen wir uns, wenn sie den Weg in die SPD finden.“

Sebastian Kurwächter wird sich mit einem Eintritt noch Zeit lassen. „Ich möchte mir auch noch die anderen Parteien ansehen“, sagt der 14-Jährige. Laurien Wiechmann hat sich schon entschieden. Er hat am Tag des Gesprächs seinen SPD-Mitgliedsantrag unterschrieben. „In der SPD fühle ich mich gut aufgehoben“, sagt er. Wiechmann gefällt an „10 unter 20“, auch, dass er „Parteigrößen wie Stephan Weil und Sigmar Gabriel“ treffen konnte. Auch seine Familie hat die Teilnahme am Programm positiv aufgenommen, „und das, obwohl meine Großeltern in der CDU sind“. Die eine oder andere hitzige Debatte am Kaffeetisch habe es schon gegeben.

Ein Gewinn für die Demokratie

Can Bolat ist über die Landtagswahl 2013 zu den Jusos und zur SPD gekommen. An „10 unter 20“ hat er 2014 teilgenommen. Im vergangenen Dezember durfte er zum Parteitag fahren – als jüngster aller 600 Delegierten.

Das Fazit der Hamelner SPD fällt deshalb durchweg positiv aus. „Junge Menschen haben Interesse an Politik, man muss ihnen nur über die Schwelle helfen“, meint die UB-Vorsitzende Barbara Fahncke. Mit „10 unter 20“ gelinge das sehr gut. 2005 wurde das Projekt beim Wilhelm-Dröscher-Preis ausgezeichnet. SPD-Gliederungen in der ganzen Republik haben ähnliche Programme aufgelegt. Gabriele Lösekrug-Möller ist darüber nicht böse, im Gegenteil: „Alle, die unser Programm nachmachen, sind ein Gewinn für die Demokratie.“

Schlagwörter
Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare