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Wie ein SPD-Mitglied das Klima schützen und die Wirtschaft ankurbeln möchte

Den CO2-Ausstoß reduzieren und gleichzeitig der Wirtschaft einen deutlichen Schub geben: Dass das geht, davon ist das Berliner SPD-Mitglied Günter Wittemeyer überzeugt. In einem Brief hat der Architekt Bundesumweltministerin Svenja Schulze konkrete Vorschläge gemacht.
von Ulf Buschmann · 30. März 2021
Klimaschutz am Gebäude: In Essen fördern Stauden, Gräser und Kleingehölze Schadstoffe aus der Luft und verbessern damit das Stadtklima.
Klimaschutz am Gebäude: In Essen fördern Stauden, Gräser und Kleingehölze Schadstoffe aus der Luft und verbessern damit das Stadtklima.

Beim Klimaschutz geht noch was – vor allem beim Wohnungsbau. „Das ist ein Zukunftsthema, das wir nicht aus den Augen verlieren dürfen.“ Das sagt der Architekt Günter Wittemeyer. Er befasst sich nicht nur beruflich damit, für Menschen ein Dach über dem Kopf zu planen. Er stellt sein Wissen auch der SPD zur Verfügung – in Berlin leitet er den Arbeitskreis „Wohnen – Klima – Energieeffizienz“ innerhalb der Arbeitsgemeinschaft der Selbstständigen (AGS).

Den Verbrauch halbieren, den Wohlstand verdoppeln

Die SPD sei die Partei, die schon vor mehr als 25 Jahre das Wissen über den notwendigen Schutz der Erde und die daraus entstehenden Folgen in ihren Reihen hatte – Lösungen inklusive, betont Wittemeyer. Dies alles habe der „Wissenschaftler und SPD-Genosse“ Ernst-Ulrich von Weizsäcker in seinem Buch „Faktor Vier“ aufgeschrieben. Er habe nachgewiesen, dass sich der Verbrauch von Rohstoffen halbieren und im Gegenzug der Wohlstand verdoppeln ließe, meint Wittemeyer.

„Heute können wir erreichen, dass der Faktor Vier mehr als verdoppelt wird, wenn wir jetzt in nachhaltige Lösungen investieren und endlich den Mut haben, gegen den Widerstand der Energielobby das Wort Energieeinsparung in den Sprachschatz der Politiker zu übernehmen“, ist der Berliner AGS-Mann überzeugt. Nachzulesen ist dies in einem Brief, den Wittemeyer bereits im Juni vergangenen Jahres Bundesumweltministerin Svenja Schulze geschrieben hat. Darin zeigt er auf, wie eine bessere, sozialdemokratisch geprägte und sich von den anderen Parteien unterscheidende Klimapolitik in die Wirklichkeit umsetzen lässt.

Klimaschutz und Klimaeffizienz

Auf den Plan gerufen hat Wittemeyer nun die Vorstellung des SPD-Zukunftsprogramms für die Bundestagswahl im Herbst. Dass das Thema Klimaschutz ein Schwerpunkt ist, freut den Berliner. Allerdings hätte er sich gewünscht, dass es noch mehr Platz einnimmt. Wie gute, sozialdemokratische Klimapolitik im Bereich Wohnen und darüber hinaus funktionieren kann, macht der Berliner ebenfalls in seinem Brief an die Bundesumweltministerin deutlich: Schritt eins sei die Gründung eines Fachausschusses mit dem Titel „Klimaschutz und Klimaeffizienz“.

Und dann liefert Wittemeyer gleich acht Themenbereiche, die seinen Worten nach „absolut notwendig“ sind, um das Klimaziel nicht erst 2050, sondern viel früher zu erreichen – eben so, wie es Kanzlerkandidat Olaf Scholz propagiert. Zur Durchsetzung der Maßnahmen sei es unter anderem notwendig, zusammen mit der bundeseigenen KfW-Bank bestehende Fördersysteme zu überarbeiten sowie neue zu entwickeln.

Daneben geht es um die „dezentrale Erzeugung von Wärme und Strom“, um „Wärmedämmung“, um „Energieeinsparung durch energieeffiziente Geräte“ sowie um „Energieeinsparung durch Lüftungstechnik für Gesunde Luft in Wohnungen, Schulen und am Arbeitsplatz“. Aber auch dem „Wohlfühlklima in Wohnungen und am Arbeitsplatz durch energieeffiziente Heizung und Kühlung“ widmet sich AGS-Mann Wittemeyer. Selbst Bereiche, die auf den ersten Blick nicht mit Energienutzung und Klimaschutz zu haben, kommen in seiner Aufstellung vor. Hierzu gehören „Anstrichsysteme“ und eingesparte Gesundheitskosten.

Klimaschutz, der Geld spart

So setzt sich Wittemeyer für die dezentrale Erzeugung von Wärme und Strom durch den Einsatz von Photovoltaik-Anlagen, Blockheizkraftwerken und Strommanagement-Systemen mit Batteriespeicherung ein. Diesen Mix dürften die Menschen auch in ihrem Portemonnaie spüren, denn Wittemeyer geht in seinen Berechnungen davon aus, dass es viele Gebäude geben wird, „bei denen die Kosten für Heizung und Warmwasser auf ein sehr niedriges Niveau fallen und zum Teil sogar Heizkosten umsonst sind“.

Besonders stark macht sich Wittemeyer für einen Paradigmenwechsel bei der Wärmedämmung von Gebäuden. Styropor, Mineralwolle oder sogenannten Naturstoffe sollen verschwinden. Stattdessen soll es eine sogenannte infrarotreflektierende Wärmedämmung geben. Hierzu sei eine ministerielle Anordnung notwendig. Hintergrund: Die KfW berücksichtigt die Reflektionsisolierung bei Anträgen auf öffentliche Förderung nicht – als einziges Land in der Europäischen Union. Die „Dämmstoff-Lobby“ habe das bislang verhindert, klagt Wittemeyer. Dabei habe der Deutsche Max Planck die Formel dafür als Grundlage der Quantentheorie gefunden und sei dafür sogar mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden.

Pluspunkte auf allen Ebenen

Werden seine Maßnahmen umgesetzt, würde alle profitieren, ist Wittemeyer überzeugt: Der Kohlenstoffdioxid-(CO2)-Ausstoß werde erheblich verringert und volkswirtschaftlich gebe es einen erheblichen Schub. So könnten allein durch die dezentrale Erzeugung von Energie und Strom etwa 180 Milliarden Kilowattstunden Energie eingespart werden, was laut Wittemeyer einer CO2-Reduzierung von rund 50 Millionen Tonnen im Jahr entspräche. Weitere 90 Millionen Tonnen CO2 ließen sich durch den Einsatz von Reflektionsisolierung einsparen. Denn: Der Verbrauch von Heizwärme für die rund fünf Milliarden Quadratmeter öffentlich und privat genutzter Flächen könne so um 100 bis 120 Kilowattstunden pro Quadratmeter pro Jahr im Jahr reduziert werden.

Volkswirtschaftlich sieht Wittemeyer Pluspunkte auf allen Ebenen. Alleine durch die Investition in hocheffiziente Haushaltsgeräte und LED-Beleuchtung entstehe ein Auftragsvolumen in Höhe von rund 300 Milliarden Euro.

Autor*in
Ulf Buschmann
Ulf Buschmann

arbeitet als freier Journalist in Bremen.
 

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