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Wie die SPD in Nordrhein-Westfalen den Wandel gestaltet

Auf ihrer Sommerreise durch Nordrhein-Westfalen erleben die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans ein Bundesland im Wandel. Sozialdemokratische Oberbürgermeister haben viele kreative Ideen – und freuen sich über die Unterstützung im Kommunalwahlkampf aus Berlin.
von Kai Doering · 3. September 2020
Beeindrucken von den kreativen Potenzialen in Nordrhein-Westfalen – und den engagierten SPD-Oberbürgermeister: Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken auf ihrer Sommerreise
Beeindrucken von den kreativen Potenzialen in Nordrhein-Westfalen – und den engagierten SPD-Oberbürgermeister: Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken auf ihrer Sommerreise

Das Silicon Valley von Gelsenkirchen liegt in einem unscheinbaren Haus an der Bochumer Straße. Durch die geöffneten Fenster ist das laute Rattern der Straßenbahn zu hören. In der zweiten Etage steht die SPD-Vorsitzende Saskia Esken neben Markus Hertlein. Der IT-Sicherheitsexperte hat die Firma „XignSys“ gegründet, die digitale Authentifizierungsverfahren Alternative zum klassischen Passwort entwickelt. Entstanden ist sie aus einem Forschungsprojekt an der Hochschule Gelsenkirchen.

„Berlin kann jeder, Gelsenkirchen muss man wollen“, sagt Hertlein und grinst. Er und seine 30 Mitarbeiter*innen wollen. Das wird auf dieser Station der Sommereise der SPD-Vorsitzenden Esken und Norbert-Walter Borjans schnell deutlich. Zwei Tage sind die beiden in Nordrhein-Westfalen unterwegs, um sich über die Region im Strukturwandel zu informieren und die Partei vor Ort im Kommunalwahlkampf zu unterstützen.

Gelsenkirchen: Zukunftsideen und Lokalkolorit

In der Bochumer Straße in Gelsenkirchen ist der Wandel deutlich spürbar. Ückendorf, der Stadtteil, durch den sie führt, galt lange als „No-go-area“ wie XignSys-Geschäftsführer Markus Hertlein. „Innovation kann überall entstehen“, ergänzt er. Der Lokalpatriotismus ist in den Räumen des Start-ups deutlich zu spüren. „…weil es unsere Stadt ist“, steht auf den Plakaten, die die „Bürger ID“, ein Authentifizierungs-System per Smartphone, anpreisen. Bei der Digitalpolitikerin Saskia Esken rennt Hertlein damit offene Türen ein. „Mensch und Passwort ist etwas, das passt gar nicht zusammen“, sagt die SPD-Vorsitzende.

Ein paar Häuser weiter hat der „c/o – Raum für Kooperation“ geöffnet – ein Co-Working-Space, in dem junge Unternehmer*innen, Selbstständige und Vereine arbeiten und sich gegenseitig kreativ befruchten. Gerade hat im Stadtteil ein Festival zur Virtueller Realität stattgefunden. Der Impuls kam aus dem „c/o“. „Auch in einem Stadtteil mit begrenzten Ressourcen ist viel möglich, wenn man will“, sagt Taner Ünalgan, der Sprecher der SPD-Ratsfraktion für digitale Entwicklung und die vernetzte Stadt.

Herne: Die Hauptstadt der Disruption

Was in Herne alles möglich ist, erklärt etwas später Frank Dudda. „Zukunft machen“ lautet der Slogan, der auf den Wahlplakaten des Oberbürgermeisters überall in der Stadt prangt. „Herne ist die Hauptstadt der Disruption“, erklärt Dudda SPD-Chefin Esken und den mitreisenden Journalist*innen. Besonders deutlich wird das auf dem Gelände eines alten Güterbahnhofs, auf dem Dudda eine „internationale Technologiewelt“ erschaffen möchte – Seilbahn bis nach Wanne-Eickel inklusive.

Das Geld dafür soll aus dem Strukturhilfen kommen, die der Bundestag im Zuge des Kohleausstiegs beschlossen hat. Trotzdem sagt Dudda: „Bei uns fehlt es nicht an Ideen, sondern am Geld.“ Die Herausforderungen, vor denen Herne wegen des Endes der Kohleförderung steht, seien gewaltig. „Wenn man uns endlich die Last von den Schultern nehmen würde, könnten wir zeigen, was in uns steckt.“ Mit Last meint Dudda die Altschulden, die auf vielen Kommunen im Ruhrgebiet drücken und Investitionen in die Zukunft manchmal im Keim ersticken.

„Ich bin Norbert Walter-Borjans deshalb sehr dankbar, dass er die Altschulden zum Thema gemacht hat“, sagt Oberbürgermeister Dudda spätere beim Abendessen. Es waren der SPD-Vorsitzende und Bundesfinanzminister Olaf Scholz, die vorgeschlagen hatten, im Zuge des Konjunkturpakets die Altschulden zu erlassen. Letztlich konnten sie sich nicht gegen CDU und CSU damit durchsetzen, doch Olaf Scholz versprach jüngst beim Kommunalwahlkampf-Auftakt der SPD in Dortmund: „Die nächste Schlacht führen wir auch noch.“

Dortmund: Herzkammer der Sozialdemokratie

Und auch Norbert Walter-Borjans betont bei der Sommerreise, wie sehr Kommunalpolitiker*innen finanziellen Spielraum brauchen, um gestalten zu können statt Mangel verwalten zu müssen. Dass in der Corona-Krise den Kommunen die entfallene Gewerbesteuer ausgeglichen wird und der Bund auch mehr von den Unterkunftskosten für Menschen in Grundsicherung übernimmt, wertet Walter-Borjans als sozialdemokratische Erfolge beim Konjunkturpaket. „Da ist extrem viel Sozialdemokratie drin“, sagt Walter-Borjans in Dortmund.

Für den örtlichen SPD-Oberbürgermeisterkandidaten Thomas Westphal ist wichtig, dass eine auskömmliche Finanzierung der Kommunen Voraussetzung für sozialdemokratische Kernziele wie Bildung und bezahlbares Wohnen sei. Herbert Wehners Synonym für Dortmund, als „Herzkammer der deutschen Sozialdemokratie“ trage die örtliche SPD nicht nur vor sich her. „Das ist eine Grundüberzeugung“, betont Westphal, der in den Umfragen erkennbar vor seinen Herausforderer*innen liegt.

Düsseldorf: sozial gerechtes Wohnen

Dass es verschiedene Wege gibt, kommunal zu gestalten, zeigt sich in Düsseldorf. In der Erkrather Straße entstehen 42 Sozialwohnungen, die ein privater Investor baut, die aber von Land und Stadt gefördert werden. Beim Richtfest mit Norbert Walter-Borjans und Oberbürgermeister Thomas Geisel macht Bauherr Josef Rick deutlich, dass es für ihn selbstverständlich sei, auch in den sozialen Wohnungsbau zu investieren – selbst wenn seine Renditen nicht so hoch seien wie bei frei finanzierten Projekten.

Dafür seien die Mieten aber langfristig und verlässlich stabil. Für Oberbürgermeister Thomas Geisel ist die Zusammenarbeit mit einem privaten Investor ein guter Weg, mehr Sozialwohnungen in der teuren Stadt am Rhein bauen zu können.

Krefeld: Ein altes Stadtbad ersteht wieder auf

Das Zusammenspiel von Stadt und bürgerschaftlichem Engagement ist auch in Krefeld enscheidend.  Dort ist der Verein „Freischwimmer“ die dritte Säule für die Renovierung und Nutzung des alten Stadtbades in der Neusser Straße und somit auch für die Stadtentwicklung mitten im Krefelder Zentrum. Die Badeanstalt war 1890 eröffnet und 2000 geschlossen worden.

Oberbürgermeister Frank Meyer macht bei Walter-Borjans Besuch aus seiner Sympathie für das Projekt keinen Hehl. Für ihn – so betont er – bliebe das bürgerschaftliche Engagement für die alte Badeanstalt von Bedeutung, selbst wenn die Kommunen private Investoren für das großflächige Projekt fände. Die Sympathien des SPD-Vorsitzenden sind ihm sicher – auch weil er selbst in den 50er Jahren im Stadtbad das Schwimmen gelernt hat.

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