Wie die SPD in Eimsbüttel-Nord mit einer eigenen Zeitung punktet
Dirk Bleicker
Während sich die meisten Bewohner Hamburgs längst im Feierabend befinden, sitzt Agata Klaus konzentriert an einem Tisch im Forum der Apostelkirche. Vor ihr liegen viele Seiten Papier, dicht bedruckt mit Text. Dabei handelt es sich um den Koalitionsvertrag von SPD und Union. Rund 20 Mitglieder des SPD-Ortsvereins Eimsbüttel-Nord sind an diesem Märzabend zusammengekommen, um Teile des GroKo-Vertrags unter die Lupe zu nehmen. Was steht konkret darin? Wie positioniert sich der Ortsverein dazu? Schnell stellt sich heraus: Es gibt Redebedarf.
Ein Brief mit Fragen
Nach zwei Stunden sind sich alle einig, einen Brief mit den eigenen Standpunkten sowie Fragen an den Hamburger Bundestagsabgeordneten Niels Annen zu schreiben. „Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass es uns gibt und was uns wichtig ist“, sagt die stellvertretende OV-Vorsitzende Agata Klaus. Der Koalitionsvertrag sei schließlich auch eine Vereinbarung zwischen Parteivorstand und Basis. „Wir sind diejenigen, die auf der Straße den Menschen erklären müssen, was die SPD in der Bundesregierung macht.“
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Partei in Eimsbüttel-Nord mit den Entscheidungen des Willy-Brandt-Hauses in Berlin auseinandersetzt. So gab es Ende Februar auf einer Mitgliederversammlung bereits eine Debatte über den Mitgliederentscheid zur großen Koalition. Mehr als 80 von insgesamt 210 Mitgliedern machten mit. Im Anschluss richtete man einen Brief mit Fragen zur GroKo an Generalsekretär Lars Klingbeil, die dieser später beantwortete.
Immer wieder neu: jeden Monat
Auch abseits der Bundespolitik ist der SPD-Ortsverein umtriebig. Eine wichtige Rolle spielt dabei die eigene Zeitung „Im Blickpunkt“, die monatlich erscheint. Auf den acht Seiten werden Nachrichten aus dem Ortsverein abgedruckt, aber auch Beiträge zu kommunalen und globalen Themen – von Urban Gardening in Eimsbüttel-Nord über ein selbst organisiertes Barcamp gegen Rechtspopulismus bis zur EU-Flüchtlingspolitik.
Wichtig ist den Genossinnen und Genossen, die die meisten Texte selbst schreiben, dass die Berichte mit den Aktivitäten des Ortsvereins abgestimmt sind. Regelmäßig lädt die SPD in Eimsbüttel-Nord zu Themenabenden ein. „Im ‚Blickpunkt‘ greifen wir diese Schwerpunkte auf“, sagt Dirk Schlanbusch, der seit 1992 für die Zeitung verantwortlich ist. Entsprechend wurde auch über die Diskussionsveranstaltung zur GroKo und die Antwort von Lars Klingbeil auf das Schreiben des Ortsvereins berichtet.
Wichtig für den Zusammenhalt
Jede neue Ausgabe der Zeitung erscheint auch auf der Website des Ortsvereins. Den Großteil der gedruckten Auflage von 400 Stück verteilen die Parteimitglieder hingegen, etwa an ihrem monatlichen Infostand. „Die Zeitung wird gerne mitgenommen“, hat Dirk Schlanbusch festgestellt. Agata Klaus ergänzt, dass der „Blickpunkt“ eben mehr als eine Zeitung für Mitglieder sei. „Er ist eine Stadtteilzeitung, die auch für Nicht-Parteimitglieder interessant ist.“
In diesem Jahr feiert „Im Blickpunkt“ ein Jubiläum. Vor genau 70 Jahren gab es die erste Ausgabe. Seither erscheint die OV-Zeitung jeden Monat. Das Engagement kommt nicht von ungefähr. „Der ‚Blickpunkt‘ ist für uns eine Form der Außendarstellung“, sagt der Vorsitzende Ralf Meiburg. Gleichzeitig sei er wichtig für den Zusammenhalt der SPD vor Ort. Als Anerkennung für den Einsatz hat der Ortsverein kürzlich den dritten Platz des Wilhelm-Dröscher-Preises gewonnen, mit dem die SPD Projekte auszeichnet, die Politik vorbildhaft vermitteln.
Auch auf Instagram
Im Jubiläumsjahr werfen die Genossen einen Blick auf die Geschichte der Zeitung, die 1948 begann. In jeder Ausgabe wird ein Artikel aus der Nachkriegszeit erneut abgedruckt. Die Recherchen dazu waren schwieriger als gedacht: Als Agata Klaus und Dirk Schlanbusch nach alten Beiträgen in Archiven stöberten, stellten sie fest, dass die ersten sieben Jahrgänge verschollen sind.
In diesem Jahr soll der „Blickpunkt“ eine Frischzellenkur erhalten. Zwei OV-Mitglieder gestalten das Design derzeit neu. Präsenter will die Redaktion in den sozialen Medien werden, um Interessierte besser zu erreichen. Seit Kurzem ist der „Blickpunkt“ auf der Foto-Plattform Instagram vertreten.
Engagiert und souverän
Der Ortsverein im Internet, die eigene Zeitung, Veranstaltungen: Die Hamburger sind engagiert und treten souverän auf, auch gegenüber ihrem Bundestagsabgeordneten. Das zeigt sich etwa nach dem Treffen in der Apostelkirche, bei dem der Koalitionsvertrag diskutiert wurde. In dem daraufhin verfassten Brief an Niels Annen heißt es: „Wenn ihr gute Politik in Berlin macht, dann schaffen wir es auch, das vor Ort so weiterzuerzählen. Lass’ es uns gemeinsam anpacken, damit wir stolz auf unsere Arbeit sein können.“