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Wie bei der SPD in Parchim der Generationenwechsel funktioniert

In der SPD in der Kleinstadt Parchim in Mecklenburg hat die junge Generation das Zepter übernommen – und wird von erfahrenen Mitgliedern unterstützt. Der Generationen-Mix ist in der kleinen Stadt politische Praxis und Basis des Erfolgs für die Sozialdemokraten.
von Kerstin Wintermeyer · 27. November 2019
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Auf Bundesebene ist es noch nicht ganz entschieden, wer die SPD führen wird. Im mecklenburgischen Parchim waren sie da schneller: Sebastian Langer ist neuer ­Vorsitzender des Ortsvereins mit 56 Mitgliedern. Chefin der Stadtratsfraktion ist die 38-jährige Jana Haak. Die beiden gehören zu den jungen Parteimitgliedern, die in der Stadt sozialdemokratische Politik zusammen mit den älteren Genossinnen und Genossen gestalten wollen.

Erst seit kurzem wohnt Langer nach seinem Medizinstudium in Berlin und den USA wieder in seiner Heimatstadt. Dass er zurückgekommen ist, um zu bleiben, freut nicht nur seine Familie. Langer absolviert seine Facharztausbildung in Innere Medizin in dem Krankenhaus, „in dem ich geboren wurde“. Auch in der Stadtvertretung ist der 31-jährige Arzt aktiv. „Politik macht mir einfach Spaß“, sagt er, der seit 2006 SPD-Mitglied ist und zuletzt in Berlin Stellvertreter des damaligen Juso-Landesvorsitzenden war. Der hieß Kevin Kühnert.

Fußläufig kaum fünf Minuten vom Wahlkreisbüro entfernt, in der schmuck sanierten Parchimer Altstadt, führt Jana Haak in der Stadtvertretung die mit ­sieben Mitgliedern stärkste Fraktion. Wichtig ist ihr, die seit 2011 der SPD angehört, dass Politik die Menschen „auch widerstandsfähig macht gegen Demokratiefeinde“. Auch in der Kommunalpolitik gelte es, die Balance zu finden, den richtigen Weg, „wie man sich zur AfD verhalten soll“. Gerade jetzt heißt es, Kräfte zu bündeln gegen Antidemokraten: „Da müssen wir durchaus noch lauter werden“, findet Haak. Dass die CDU sich in der Stadt „auf Kungelei mit der AfD“ einlasse, sorgt bei den Sozial­demokraten für Empörung. „Das dürfen wir der CDU nicht durchgehen lassen!“

„Pütt“ attraktiv gestalten

Die Landeshauptstadt Schwerin ist nicht weit weg. Entscheidend sei aber, betont Haak, die Lebensqualität in „Pütt“ – wie die 18.000-Einwohner-Stadt Parchim genannt wird – zu erhöhen und für Fachkräfte attraktiv zu sein, etwa mit einem dezentralen Kulturangebot. Um in der Stadt als SPD Präsenz zu zeigen, setzt der Vorstand auch auf ein niedrigschwelliges Politikangebot, sprich: Geselligkeit. Frauentagskino, Glühwein-Trinken oder ein Weihnachtsessen für alleinstehende Seniorinnen und Senioren. „Zur Pilzwanderung sind Dutzende Parchimer gekommen – an einem Sonntagnachmittag“, freut sich neben Haak auch Simone Schmülling.

Die Verwaltungsfachwirtin ist seit 2017 in der SPD aktiv und sitzt als sachkundige Einwohnerin im Finanzausschuss. Ihr liegen die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit am Herzen. „Ich wollte etwas für mein Parchim tun“, begründet sie ihr Engagement ganz ohne Pathos. Zwar liege Parchim inmitten reizvoller Seenlandschaft, aber weil ihre Stadt „noch schöner, grüner und lebenswerter werden soll“, beteiligt sich die 49-Jährige am Projekt „Essbare Stadt“, um Obst und Gemüse auf städtischen Flächen anbauen zu lassen.

Entscheidend für den ländlichen Raum sei eine gute Infrastruktur, damit die Menschen „auch schnell zu den Ärzten in die Kreisstadt kommen können“, meint Dietmar Knecht. Deshalb dürfe die Südbahn nicht kaputt gemacht werden, sagt der 52-jährige gelernte Lokführer, der heute als Landesgeschäftsführer des Deutschen Beamtenbundes in Schwerin arbeitet. Mit dem ehemaligen Bürgermeister und Stadtrats-Kollegen Bernd Rolly ist Knecht sich einig: Die Bahnstrecke im Süden des Landes muss ausgebaut werden. Ob es so kommt, entscheide sich noch in diesem Jahr.

Mitglieder der ersten Stunde

Die Friedliche Revolution 1989 ist nicht nur im Gedenkjahr für die Parchimer Genossen Thema: „Ich bin stolz darauf, dass ich dabei war! Ich wollte die Struktur ­einer freien Partei, um den Wandel im Land mitzugestalten“, sagt der heute 70-jährige frühere Bürgerrechtler ­Rolly. Von 1994 bis 2015 war der Diplom-­Ingenieur Bürgermeister in Parchim. Manfred Arndt, wie Rolly und Knecht SPD-Mitglied der ersten Stunde, erinnert sich gern an die „Umbenennung“ der Parchimer SDP in SPD vor bald 30 Jahren: „Ein besseres, ein freies Leben – das ging für mich nur in und mit der SPD“, beschreibt der 80-jährige frühere Internist. „Wir wollten etwas Unbelastetes, keine Blockpartei. Und wir haben viel Gutes erreicht!“

Den Generationen-Mix im Ortsverein sehen sie alle als Vorteil. „Die beste Senioren­vertretung hatte man in der letzten Stadtverwaltung“ sagt Bürgermeister a.D. Rolly mit verschmitztem Lächeln. Und ergänzt mit Seitenblick auf die beiden jungen Vorsitzenden: „Über den Generationenwechsel in der SPD bin ich froh. Das läuft gut – und hat Zukunft.“ Dass es wieder gut läuft, wünschen die Parchimer auch der Bundespartei. Die Erwartungen an das künftige Vorsitzenden-Duo sind klar und werden von OV-Chef Langer ausgesprochen: „Die SPD muss ihre Politik mehr und auch die Kompromisse besser erklären.“

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