Parteileben

Was Martin Schulz in den ersten 100 Tagen als Kanzler ändern möchte

Gleiche Bezahlung für Frauen und Männer und ein Rückkehrrecht in Vollzeit: Bei einer Mobilisierungskonferenz der SPD hat Kanzlerkandidat Martin Schulz einige Vorhaben für die ersten 100 Tage seiner Regierung vorgestellt. Der „Aufrüstungslogik“ von Donald Trump widersprach er erneut.
von Kai Doering · 27. Mai 2017
„Bei der Bundestagswahl geht es um eine Richtungsentscheidung für unser Land.“ SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz bei der Mobilisierungskonferenz am Samstag im Willy-Brandt-Haus.
„Bei der Bundestagswahl geht es um eine Richtungsentscheidung für unser Land.“ SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz bei der Mobilisierungskonferenz am Samstag im Willy-Brandt-Haus.

So einiges erinnert an diesem Samstagvormittag an den 29. Januar. Damals war Martin Schulz gerade vom Parteivorstand der SPD zum Kanzlerkandidaten und neuen Parteivorsitzenden gewählt worden. Mit Spannung warteten rund 1000 Menschen im Willy-Brandt-Haus auf Schulz’ erste Rede in der neuen Funktion.

Auch vier Monate später ist das Atrium der Parteizentrale in Berlin gut gefüllt, auch wenn die langen Schlangen am Eingang diesmal ausbleiben. Die SPD hat die Vorsitzenden der Unterbezirke, die Bundestagskandidaten und interessierte Wahlkämpfer zu einer Mobilisierungskonferenz eingeladen.

„Richtungsentscheidung für unser Land“

„Lasst euch nichts erzählen“, appelliert Generalsekretärin Katarina Barley gleich zu Anfang an sie. „Wir sind die erste der etablierten Parteien, die ihr Wahlprogramm vorgelegt hat.“ Damit reagiert sie auf die Kritik der vergangenen Wochen, die SPD und Martin Schulz würden bei ihren Vorhaben zu vage bleiben. „Zeit für mehr Gerechtigkeit ist keine Floskel“, sagt Barley am Samstag, „aber wir werden natürlich noch viel konkreter werden“.

Martin Schulz nimmt seine Generalsekretärin beim Wort. „Bei der Bundestagswahl geht es um eine Richtungsentscheidung für unser Land“, sagt er zu Beginn seiner gut einstündigen Rede. Es sei eine „Schande“ und „eine der schlimmsten Demütigungen“, dass Frauen und Männer für dieselbe Arbeit noch immer nicht gleich bezahlt würden. Als Bundeskanzler werde er das „in den ersten 100 Tagen“ ändern. Auch das von CDU und CSU blockierte Rückkehrrecht von einer Teilzeit- in eine Vollzeitbeschäftigung soll noch in den ersten drei Monaten kommen.

Schulz’ Vorhaben als Bundeskanzler

Als weitere kurzfristige Vorhaben nennt Martin Schulz die schnelle Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen, die Einführung der „Ehe für alle“ sowie mehr öffentlich geförderten Wohnungsbau, um den Anstieg von Mieten zu begrenzen. Zudem sollen ein Schulmodernisierungsprogramm aufgelegt und mehr Schulsozialarbeiter eingestellt werden. „Ich will, dass der Bund das dafür nötige Geld Ländern und Kommunen zur Verfügung stellt.“ Damit das möglich ist, will Schulz das sogenannte Kooperationsverbot im Grundgesetz abschaffen, denn „Schüler, Lehrer und Eltern scheren sich nicht um Kompetenzgerangel“.

Die Bundesagentur für Arbeit will Schulz zu einer „Bundesagentur für Arbeit und Qalifizierung“ weiterentwickeln und bei den Beiträgen zur Krankenversicherung zur paritätischen Finanzierung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zurückkehren. „Parität heißt fifty-fifty“, so Schulz. Bei der Einführung des Zusatzbeitrags habe dieser den schwächelnden Unternehme geholfen. Nun sei dieser aber nicht mehr nötig. „Die Arbeitnehmer haben ihren Beitrag zur Sanierung des Landes geleistet.“

Schulz fordert „Vorfahrt für Investitionen“

Doch der Kanzlerkandidat wird in seiner Rede auch grundsätzlich. „Noch haben wir in Deutschland und Europa einen Vorsprung, aber die anderen holen auf“, warnt Schulz mit Blick vor allem auf China. „Wuchtige Steuersenkungen“, wie sie CSU-Chef Horst Seehofer vor wenigen Tagen versprochen hatte, lehne er deshalb ab. „Ich bin für wuchtige Investitionen.“ Auf 140 Milliarden Euro beziffert Schulz den Investitionsrückstand in den Kommunen. „Wir leben von der wirtschaftlichen Substanz unseres Landes.“ Schulz fordert deshalb am Samstag „Vorfahrt für Investionen“. Diese seien „auch eine Frage der Generationengerechtigkeit“.

Dasselbe gelte für Europa, das Schulz als „einzigartiges Erfolgs- und Friedensprojekt“ beschreibt. Dem Zwei-Prozent-Ziel der Nato erteilt er am Samstag eine erneute Absage und kündigt an: „Mit einer SPD-geführten Bundesregierung wird es mehr Abrüstung und Rüstungsbegrenzung geben.“ Zwar müssten die Soldaten für ihre vielfältigen Einsätze bestmöglich ausgestattet sein, aber „wir unterwerfen uns nicht der Aufrüstungslogik eines Donald Trump“.

Barley stimmt SPD auf „den geilsten Wahlkampf“ ein

Bei allen Vorteilen, die die Europäische Union bringe, müsse sie jedoch reformiert werden. Auch das hebt Schulz am Samstag hervor. „Man muss nicht alles in Europa regulieren.“ Vielmehr müsse darüber nachgedacht haben, welche Kompetenzen auf nationaler Ebene besser aufgehoben sind. „Was du lokal machen kannst, mach da“, sagt Schulz. Globale Aufgaben wie der Kampf gegen den Klimawandel oder die Sicherung der Außengrenzen müssten jedoch europäisch gelöst werden.

Auch die Flüchtlingsfrage will Schulz europäisch beantworten. Sie sei eben kein „deutsches Problem“ wie es Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán dargestellt hat, sondern eine Aufgabe für die gesamte EU. Als Bundeskanzler werde er auf eine „faire Verteilung der Flüchtlinge“ innerhalb Europas drängen – notfalls indem Finanzhilfen für die Ländern gekürzt würden, die keine Flüchtlinge aufnehmen.

Bei den Wahlkämpfern im Willy-Brandt-Haus kommt Schulz’ Rede an. Bevor sie in Workshops die kommenden Wochen und Monate planen, gibt der Kanzlerkandidat ihnen mit auf den Weg: „Wir sind bereit, die Gestaltung der Zukunft im Interesse der Menschen in die Hand zu nehmen.“ Und Generalsekretärin Katarina Barley freut sich auf „den geilsten Wahlkampf, den die Sozialdemokratie je gesehen hat“.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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