Was die SPD von Schwedens Sozialdemokraten lernen kann
Anders Löwdin
Warum haben die schwedischen Sozialdemokraten nach dem Amtsantritt von Stefan Löfven als Parteivorsitzender einen Erneuerungsprozess eingeleitet?
Wir hatten zwei Wahlen verloren und sind in ein Muster verfallen, auf alles zu reagieren, was unsere politischen Gegner getan haben, anstatt uns auf unsere eigenen bewährten Erfolgsrezepte zu besinnen. Noch schlimmer war die Tatsache, dass unsere politischen Gegner dies für sich zu nutzen gewusst haben. Deshalb hatten wir das Gefühl, uns auf unsere Wurzeln besinnen zu müssen und uns auf die Probleme in der Gesellschaft zu konzentrieren und nicht darauf, was andere Parteien tun. Wir wollten die Lehren aus der Vergangenheit ziehen und dies auf Ebene der Parteiführung gemeinsam anpacken. Und vor allem war wichtig: eine brutal ehrliche Aussprache darüber, wie wir von den Wählern gegenwärtig gesehen werden und wie wir als Partei selbst sein wollen.
Auf welchen Ebenen der Partei lief dieser Prozess ab?
In die erste strategische Phase waren der Parteivorstand, alle Bezirksvorstände sowie die Vorstände unserer Partnerorganisationen sowie einige andere Gruppen miteinbezogen. Wir haben die Meinungen unserer Mitglieder über Umfragen auf einer neu gestarteten Online-Mitgliederplattform eingeholt. Die Strategie wurde vom Parteivorstand beschlossen und dann mit Workshop-Materialien, Kursen und neuen Arbeitsweisen in die Partei hineingetragen.
Was hat sich programmatisch mit dieser Parteireform verändert?
Wir haben nunmehr klarere Prioritäten und achten darauf, dass wir unsere Anstrengungen auf die Themen fokussieren, die von uns und den Bürgern als die wichtigsten angesehen werden. Bei den Wahlen 2014 waren diese Themen Arbeitsplätze und Schulen. Im Moment sind dies Kriminalität, Schulen, Gesundheitsversorgung und Integration. Wir konzentrieren uns neben Fragen der Umverteilung mehr auch auf wirtschaftliches Wachstum und betrachten beides als komplementär. Und wir lassen uns nicht zu untragbaren Positionen hinreißen, nur um uns von unseren poltischen Gegnern abzugrenzen. Es geht im Kern darum, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und sicherzustellen, dass unsere Politik eine breite Legitimation findet.
Welchen Effekt hatte der Erneuerungsprozess auf den Wahlkampf 2014?
Unsere Partei hat bei der Wahl 2014 einen wichtigen Erfolg erzielen können – nach acht Jahren in der Opposition hat Schweden eine neue rot-grüne Regierung bekommen. Einer der Hauptgründe für den Erfolg war, dass wir eine klare Vorstellung davon hatten, wer wir sind und welche Probleme wir angehen wollen. Hinzu kommt, dass wir ebenso klar wussten, für wen wir Politik machen: nämlich eine sehr breite Gruppe der Bevölkerung. Nicht nur die Leute am unteren Ende der Gesellschaft, sondern auch ein großer Teil der arbeitenden Bevölkerung, der Verbesserungen erwartet, sowie Rentner, die eine größere Anerkennung ihrer Lebensleistung verdienen. Der Prozess hat auch Ruhe in der Partei einkehren lassen, da jeder an der strategischen Neuausrichtung teilhaben und die Probleme in der öffentlichen Wahrnehmung unserer Partei diskutieren konnte. Darüber hinaus war der organisatorische Teil des Erneuerungsprozesses der Grundstein für einen erfolgreichen Wahlkampf. So wurden mehr Menschen als zuvor mit einbezogen.
Seit 2014 führt Stefan Löfven als Ministerpräsident die schwedische Regierung. Mit welchen Schritten seid Ihr als Regierungspartei dabei, Eure Partei weiter zu entwickeln?
Nach der Wahl haben wir zwei neue Runden mit Workshops in allen Parteibezirken veranstaltet. Das erste Mal, um unsere Prioritäten festzuzurren, das zweite Mal um diese in konkrete Aktionspläne für jeden Bezirk umzumünzen. Was wir aus alldem gelernt haben ist, dass wir auf nationaler Ebene mit Initiativen vorangehen müssen, aber dass es auch Zeit braucht und dass Veränderungen an unterschiedlichen Orten mit unterschiedlicher Geschwindigkeit ablaufen. Also geht es nicht so sehr darum, neue Dinge zu tun, sondern vielmehr das zu Ende zu führen, was wir begonnen haben.
Was ist das Resumée nach fünf Jahren Parteierneuerung und drei Jahren Regierung?
Immer einen Fokus auf die Probleme in der Gesellschaft zu haben und eigene Lösungsstrategien anzubieten. Bei einer Botschaft bleiben. Nicht zu erwarten, dass eine Strategie einfach so umgesetzt wird, nachdem man sie beschlossen hat. Dazu ist viel Arbeit nötig.
ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.