Parteileben

Was die jüngste SPD-Abgeordnete im Bundestag erreichen will

Noch Anfang des Jahres dachte Lena Werner noch nicht an eine Bundestagskandidatur. Nun ist sie mit 27 Jahren die jüngste SPD-Abgeordnete. Im Parlament will sich die gelernte Hotelfachfrau für den Tourismus in ihrer Region stark machen.
von Jonas Jordan · 29. Oktober 2021
Lena Werner ist SPD-Bundestagsabgeordnete aus Rheinland-Pfalz.
Lena Werner ist SPD-Bundestagsabgeordnete aus Rheinland-Pfalz.

Schon mit acht Jahren hat sie in ihrem Heimatort Wittlich-Wengerohr ihre erste Straße eröffnet. „Meine Mutter ist schon länger politisch aktiv. Deswegen war ich mit dabei. Irgendwer hat mich dann gefragt. Da habe ich mich gerne zur Verfügung gestellt, um das Band durchzuschneiden“, sagt Lena Werner. Künftig könnten solche Aufgaben häufiger auf sie zukommen. Denn seit kurzem ist klar: Die junge Sozialdemokratin aus Rheinland-Pfalz ist Bundestagsabgeordnete. Mit acht die erste Straße eingeweiht, mit 15 im Jugendparlament, mit 27 die jüngste weibliche SPD-Bundestagsabgeordnete.

Das klingt nach einer totalen Überfliegerin mit stringenter Karriereplanung. Doch noch zu Beginn des Jahres hatte Werner nicht einmal darüber nachgedacht, selbst für den Bundestag zu kandidieren. Stattdessen engagiert sie sich als Freiwilige für die überparteiliche Initiative BrandNewBundestag, die junge, progressive Kandidat*innen auf ihrem Weg ins Parlament unterstützt, so zum Beispiel auch Armand Zorn und Rasha Nasr von der SPD. „Ich bin dadurch in Kontakt gekommen mit den anderen tollen, jungen Menschen, die für den Bundestag kandidiert haben“, sagt Werner.

Zweimal Chicago und zurück

Einen Tag nach der für die SPD erfolgreichen Landtagswahl in Rheinland-Pfalz fasst Werner den Entschluss: Sie will das auch. Die 27-Jährige ist parteiintern die einzige Bewerberin und wird Ende April offiziell nominiert. Von da an sind es nur noch gut fünf Monate bis zur Bundestagswahl. In einem Wahlkreis, den seit 1949 immer ein Mann von der CDU gewonnen hat. Und jetzt eine junge Sozialdemokratin?

Lena Werner ist Verfechterin des ländlichen Raums. Ihr Wahlkreis erstreckt sich malerisch zwischen Eifel und Mosel. Doch schon früh zog es sie in die Welt hinaus. Nach dem Abitur geht sie für ein Jahr als Au-Pair nach Chicago. Zurück in Deutschland studiert sie Tourismuswirtschaft mit dem Schwerpunkt Eventmanagement und absolviert parallel dazu eine Ausbildung als Hotelfachfrau. „Man muss schon strukturiert sein und den Willen haben, das so durchzuziehen. Denn ich war eigentlich immer am Arbeiten oder in der Uni“, sagt sie rückblickend über diese „sehr intensiven“ dreieinhalb Jahre. Letztlich sei das auch eine gute Schule im Hinblick auf Zeitmanagement für ihre künftigen Aufgaben als Abgeordnete gewesen.

Das erste Event, das sie nach ihrem Studium organisiert, ist der deutsche Weihnachtsmarkt in Chicago, der größte Weihnachtsmarkt nach deutschem Vorbild außerhalb der Bundesrepublik. Diesen eröffnet Werner als Christkind verkleidet. Anschließend geht es wieder zurück nach Deutschland und zur Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) nach Bonn, ehe schließlich die Bundestagskandidatur folgt. Neben dem Job ackert Werner monatelang, um sich im Wahlkreis bekannt zu machen. BrandNewBundestag zeichnet sie als eine von „50 progressiven Köpfen für die Politik von morgen“ aus.

Morgens um viertel nach sechs im Bundestag

Zwischenzeitlich sieht es in Prognosen so aus, als könne sie den Wahlkreis tatsächlich zum ersten Mal für die SPD direkt gewinnen. Letztlich liegt ihr Kontrahent von der CDU doch gut zehn Prozentpunkte vorn. Werner schafft den Sprung über die Landesliste der rheinland-pfälzischen SPD in den Bundestag. Dafür muss sie lange zittern: Nach einer Nacht mit sehr wenig Schlaf stand morgens um viertel nach sechs fest, dass sie es geschafft hat. „Ich konnte es gar nicht wirklich glauben und saß erst mal zwei Stunden ungläubig auf dem Sofa.“ Als der Innenminister und SPD-Landesvorsitzende Roger Lewentz anruft und die Nachricht bestätigt, sind die letzten Zweifel beseitigt. 

Werner packt ihren Koffer und setzt sich in den Zug nach Berlin. Dort steht bereits am Dienstagvormittag die erste Fraktionssitzung im Plenarsaal auf dem Programm. Alle neuen Abgeordneten haben eine Minute Zeit, um sich vorzustellen. Sie berichtet von ihrer Handballleidenschaft, Lieblingsposition Linksaußen, genauso übrigens wie beim stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Kevin Kühnert. „Da müssen Kevin und ich mal gucken, wie wir auf Linksaußen klar kommen“, sagt sie mit einem Lächeln. 

Abgeordneten-WG in Planung

Kühnert und Werner sind zwei von 49 Jusos in der SPD-Fraktion. „Einmal hatten wir einen kleinen Rundgang und sind alle mit unseren Rucksäcken und Sneakers durch die Gegend gelaufen. Da haben wir eine Abgeordnete von den Grünen getroffen, die Gaby Katzmarek gefragt hat: Ach, habt ihr schon die erste Besuchergruppe? Da hat Gaby ganz stolz geantwortet: Nein, das sind alles unsere neuen Abgeordneten“, berichtet Werner von der ersten Woche im Bundestag, die sich für sie ein wenig anfühlt wie eine Einführungswoche im Studium: Man erhält viele Informationen, verläuft sich in den neuen Räumlichkeiten, lernt sich abends beim Bier oder Wein besser kennen und beschließt, zusammen eine WG zu gründen, in Werners Fall zusammen mit ihren Fraktionskolleg*innen Ye-One Rhie und Brian Nickholz aus Nordrhein-Westfalen. 

Eine Wohnung haben die drei seit letzter Woche gefunden, aber sonst gibt es in Berlin noch viel zu organisieren. Aktuell teilt sich Werner mit ihrer rheinland-pfälzischen Kollegin Verena Hubertz noch ein Büro. Die Besetzung der Ausschüsse steht noch nicht fest. Doch Werner hat einen klaren Wunsch: „Ich würde sehr, sehr gerne in den Tourismusausschuss. Das habe ich auch schon überall gesagt. Das ist mein Fachbereich und auch für meinen Wahlkreis ganz wichtig.“

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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