Warum Klara Geywitz und Olaf Scholz Parteivorsitzende werden wollen
Thomas Trutschel/photothek.net
Warum wollen Sie Parteivorsitzende werden?
Als Team wollen wir die SPD wieder zu einer starken linken Volkspartei machen, die stolz sein kann auf sich selbst. Das ist eine zentrale Voraussetzung, um wieder mehr Vertrauen von den Bürgerinnen und Bürger zu erhalten. Denn die SPD wird gebraucht, um unsere zunehmend gespaltene Gesellschaft zusammenzuführen. Gemeinsam wollen wir daran arbeiten, dass die SPD klar und erkennbar für den sozialen Fortschritt steht und eine politische Mehrheit in Deutschland möglich ist – ohne die Union. Als Team stehen wir für Erneuerung und Erfahrung.
Wie haben Sie sich zu diesem Duo zusammengefunden und wo unterscheiden Sie sich?
Wir kennen uns schon eine ganze Weile. In den vergangenen zwei Jahren hat sich unsere Bekanntschaft durch die gemeinsame Arbeit im Parteivorstand noch einmal verstärkt. Und wir wohnen beide in Potsdam, da sind die Wege kurz.
Olaf Scholz: Zunächst habe ich ja keine eigene Kandidatur in Erwägung gezogen, aber Klara ist mir stets als eine gute Kandidatin für den Parteivorsitz erschienen. Als ich mich dann entschieden habe, nun doch zu kandidieren, erschien sie mir als ideal für ein gemeinsames Team.
Klara Geywitz: Ich glaube, wir sind beide sachliche Politiker und eher pragmatisch – auch wenn die Unterschiede sicherlich überwiegen, ergänzen wir uns gut. Olaf ist ein erfahrener Macher aus dem Norden, ich bin eine junge Frau aus dem Osten, die Dinge gut auf den Punkt bringen kann.
Warum sind Sie zur SPD gekommen?
Klara Geywitz: Ich bin ein Kind der Wende, nach dem Mauerfall waren wir alle sehr politisch und ich war sehr links und in der Hausbesetzerszene in Potsdam engagiert. In meiner Klasse war ein ganz schlimmer JU-Schnösel, und deshalb war für mich als 16-Jährige klar, dass ich zu den Jusos gehe. Denn die SPD kümmert sich um die Leute, denen es weniger gut geht, das war mir immer wichtig.
Olaf Scholz: Ich war Schulsprecher auf meinem Hamburger Gymnasium, das war eine hochpolitische Zeit, wir haben viel über Gerechtigkeit gestritten und ich mochte Politiker wie Willy Brandt und Helmut Schmidt. Die SPD war für mich der nächste logische Schritt – und so bin ich als 17-Jähriger in die Partei eingetreten und bin der SPD immer treu geblieben.
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Was sind für Sie die drei wichtigsten Themen?
Es geht um ganz konkrete Themen, aber in erster Linie darum, die große Idee der SPD als linker Volkspartei des sozialen Zusammenhalts für die 20er-Jahre dieses Jahrhunderts wieder zu erneuern und dabei eine erkennbare Alternative zu den anderen Parteien zu sein. Da ist Haltung ebenso wichtig wie das Programm. Erstens: Wir sind die Partei, die für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eintritt. Es geht um gute Löhne, aber auch Respekt und berufliche Perspektiven, gerade im digitalen Wandel. Zweitens: Wir sind die Partei des Sozialstaats und der öffentlichen Daseinsvorsorge. Drittens: Die große Klimafrage kann nur in Verbindung mit den ersten beiden Themen gelöst werden, wollen wir unsere Gesellschaft wieder zusammenführen.
Was wollen Sie als Parteivorsitzende verändern?
So etwas lässt sich immer so leicht behaupten, umzusetzen ist es schwieriger. Wir alle, in Bund und Ländern, müssen uns hinterfragen, was wir besser und anders machen müssen. Dazu gehört für uns bei allen Unterschieden, die wir in einzelnen Fragen zueinander haben möchten, nie zu vergessen, dass wir alle Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind. Die Härte, mit der inzwischen manche innerparteiliche Auseinandersetzung geführt wird, schadet uns allen. Wir müssen wieder solidarischer miteinander umgehen gut übereinander sprechen. Der Wettbewerb um den Parteivorsitz ist ein guter Anlass, diesen neuen Stil gemeinsam vorzuleben.
Wo sehen Sie die größte Herausforderung, vor der die SPD steht?
Die SPD muss wieder die Partei sein, in der die relevanten Diskussionen unserer Zeit stattfinden. Also die Debatten, bei denen es um die Zukunft unserer Gesellschaft geht. So gewinnen wir wieder Anziehungskraft. Wenn wir uns vorwiegend mit uns selbst beschäftigen, wird es uns nicht gelingen, Vertrauen zu gewinnen. Die SPD wird dann wieder stark, wenn die Bürgerinnen und Bürger ihr am stärksten zutrauen, die Probleme des Landes zu lösen. Was tun wir gegen den Klimawandel? Wie halten wir die Gesellschaft zusammen? Wie stärken wir Ostdeutschland? Wie fühlen sich alle hier lebenden in Deutschland zu Hause? Wie schaffen wir mehr Gleichheit zwischen Frauen und Männern? Wie sorgen wir dafür, dass trotz des rasanten technischen Fortschritts unsere sozialen Errungenschaften nicht auf der Strecke bleiben, sondern auch im digitalen Zeitalter gelten? Wenn wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten unsere Antworten darauf geben, anständig miteinander umgehen und unseren Kurs halten, werden wir zu neuer Stärke finden.
Wie stehen Sie zu einer Regierungsbeteiligung der SPD im Bund?
Die SPD muss aus eigener Kraft stark sein wollen und nicht zuerst in Parteibündnissen oder Regierungskonstellationen denken. Unsere wichtigsten Partner finden wir in der Gesellschaft, nicht unter konkurrierenden Parteien. Es kann sich durchaus sehen lassen, was wir an Vorhaben umgesetzt haben. Vieles übrigens über den Koalitionsvertrag hinaus. Aber es geht ja darum, dass wir in Zukunft wieder eine Regierung ohne die Union bilden wollen. Nur gut regieren allein reicht daher bei weitem nicht. Unser Blick muss über diese Legislaturperiode hinausreichen. Wir brauchen Ideen für die Zeit danach, auch für die nächste Bundestagswahl. Die entwickeln wir in der Partei parallel und diskutieren sie öffentlich. Etwa für eine gerechte Steuerpolitik, anständige Löhne, bezahlbare Mieten, eine ordentliche Rente oder für den Sozialstaat der Zukunft. Es muss wieder klar und einfach verständlich sein, wofür die SPD steht.
Hinweis in eigener Sache:
Liebe Leserinnen und Leser,
der „vorwärts“ hält Sie über das Verfahren für die Wahl des Parteivorsitzes auf dem Laufenden. Das betrifft das Verfahren genauso wie die Vorstellung der Kandidierenden oder später die Berichterstattung über Regionalkonferenzen. Anders als die klassischen Medien berichten wir als Mitgliederzeitung aber erst, wenn die Kandidierenden offiziell vom Wahlvorstand nominiert worden sind und damit auch alle vom Parteivorstand beschlossene Kriterien erfüllt haben. Dabei ist uns die Gleichbehandlung aller Kandidierenden wichtig. Deswegen stellen wir allen identische Fragen, und alle haben gleich viel Platz für das Interview. Über die Länge der Antworten zu den einzelnen Fragen können die Kandidierenden selbst entscheiden. Auf weitere Berichterstattung über einzelne Kandidierende (Einzelne oder Teams) verzichten wir im Sinne der Gleichbehandlung, bis die Bewerbungsphase abgeschlossen ist.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo