Warum Karl-Heinz Brunner Parteivorsitzender werden will
Warum wollen Sie Parteivorsitzender werden?
Weil ich glaube, dass wir uns als Partei wieder selbstbewusst und zukunftsgewandt sozialdemokratischen Grundwerten widmen müssen. Der Fokus auf die Vergangenheit führt uns nicht weiter. Zudem will ich als Vorsitzender gegenüber der Partei und gegenüber dem Land und unseren Mitbürger*innen für Solidarität, Loyalität und Pflichtbewusstsein stehen. Und ich habe die Bereitschaft, Kompromisse einzugehen. Zwischen Flügeln, Gesellschaft und Politik.
Warum kandidieren Sie allein?
Doppelspitze finde ich gut, weil so verschiedene Strömungen der SPD gleichberechtigt an der Spitze stehen können. Gerne hätte ich daher gesehen, dass wir die beste Frau und den besten Mann wählen und diese dann die Partei gemeinsam führen. Dass ich nun der einzige Einzelkandidat bin, habe ich weder geplant noch erwartet. Ich finde es aber definitiv nicht schlimm und sage auch, dass ich nach meiner Entscheidung nicht eine Partnerin suchen wollte, die dann zu mir „passt". Privat bin ich vergeben. Politisch brauche ich Beinfreiheit.
Warum sind Sie zur SPD gekommen?
Anfang der 1980er Jahre habe ich als Gerichtsvollzieher im hart vom Strukturwandel betroffenen Allgäu gearbeitet. Täglich sah ich dunkle Werkswohnungen, Etagen-WCs, verschuldete Haushalte – die Auswirkungen der beginnenden Veränderung in der deutschen Textilindustrie und der Wirtschaftskrise. Ich versuchte, gemeinsam mit den Menschen die Missstände zu beseitigen und faire, soziale Lösungen zu finden.
Diese Arbeit wollte ich auch politisch umsetzen, deshalb wurde ich 1982 in der SPD aktiv. Seither setze ich mich auf kommunaler Ebene für eine sozial gerechte Politik, die die Menschen in ihrem Fokus hat, ein. Von 1990 bis 2002 war ich Bürgermeister von Illertissen, 2013 wurde ich in den Bundestag gewählt. Weil ich weiß, dass sozial gerechte Politik ohne Sicherheit, Frieden und Akzeptanz unmöglich ist, sind meine Schwerpunkte dort Abrüstung, Friedenspolitik, Recht und Queerpolitik.
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Was sind für Sie die drei wichtigsten Themen?
Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit! Menschen brauchen Sicherheit, um eine Perspektive zu haben und ihr Leben frei leben zu können. Konkret meine ich drei Bereiche: Innere Sicherheit, um ohne Angst leben zu können. Hier müssen wir sowohl mehr in die Bildung und Aufklärung gegen Extremismus und Kriminalität investieren als auch in eine gut ausgestattete, vernetzte und bürgerfreundliche Polizei und Justiz. Äußere Sicherheit, um sich frei im Inneren entwickeln zu können. Deutschland muss international eine klare Rolle als verlässlicher Partner spielen, der Diplomatie über militärische Mittel setzt. Ich will, dass wir uns weltweit aktiv für Abrüstung einsetzen und die Ursachen von Krieg, Umweltzerstörung, Flucht und Terror bekämpfen. Wenn wir anderswo lebenswerte, stabile Verhältnisse fördern, hilft das auch uns. Soziale Sicherheit, um für das Leben und seine Unwägbarkeiten gewappnet zu sein. Niemand soll sich Sorgen machen müssen um Wohnraum, Lohn, Rente, Gesundheitsversorgung, Bildung, Netzzugang, Mobilität oder Gleichstellung. Wir brauchen eine gerechte Verteilung des Vermögens; jeder Mensch verdient faire Chancen und ein gutes Auskommen.
Was wollen Sie als Parteivorsitzender verändern?
Den Stil des Umgangs miteinander. Egal, welchem Flügel wir innerhalb der Partei angehören, unsere Richtschnur muss sein: Wir sind Sozialdemokrat*innen und stehen zusammen! Ich wünsche mir darüber hinaus eine bessere Verzahnung zwischen Mandatsträgern und „einfachen“ Mitgliedern und weniger parteiinterne Bürokratie. Es arbeiten viele tolle Menschen mit hohem Einsatz in der SPD, ehren- und hauptamtlich. Aber die Zusammenarbeit könnte besser sein. Das liegt nicht an den Leuten, sondern an der Struktur. Wir müssen Mut und Zuversicht haben, Neues auszuprobieren!
Wo sehen Sie die größte Herausforderung, vor der die SPD steht?
Ich will, dass die SPD wieder Ideengeberin für unsere Gesellschaft wird. Dafür müssen wir uns klar werden, wer wir eigentlich sind und was wir wollen. Darum will ich ein neues Grundsatzprogramm mit den Mitgliedern aber auch mit Impulsen von außen erarbeiten und eindeutige Antworten auf Zukunftsfragen geben. Dabei müssen wir verdeutlichen, wofür es auch in diesem Jahrtausend eine starke Sozialdemokratie braucht. Nicht als Reparaturunternehmen, sondern als progressive, gestaltende Kraft.
Dies bedeutet, dass wir beantworten müssen, wie Arbeit in Gegenwart und Zukunft sein soll. Was bedeuten Digitalisierung und Arbeit 4.0 für die Menschen? Worum müssen wir uns kümmern? Unser Bildungssystem muss weiter modernisiert werden, nicht nur im digitalen Bereich sondern auch bei pädagogischen Angeboten für Kinder, Jugendliche und Eltern. Berufliche Bildung muss aufgewertet werden. Mit der Grundrente haben wir bereits eine erste Lösung gegen Altersarmut gefunden. Grundsätzlich müssen wir gewährleisten, dass jemand von seinem/ihrem Lohn leben und fürs Alter vorsorgen kann. Wir brauchen weitere Lösungen, wie auf Lebensrisiken wie Krankheit und Arbeitslosigkeit gerecht reagiert wird. Hier sehe ich die Einführung einer echten Bürgerversicherung, die weitere Erhöhung des Mindestlohns und ein Ende der sachgrundlosen Befristung und von Kettenverträgen als sozialdemokratische Antworten! Wir müssen den Menschen wieder Partner auf Augenhöhe werden, sie begleiten und stützen aber nicht bevormunden.
Wie stehen Sie zu einer Regierungsbeteiligung der SPD im Bund?
Grundsätzlich muss es das Ziel der SPD sein, Deutschland sozial zu gestalten. Dafür müssen wir regieren! Jede Regierungsbeteiligung ist so gut oder schlecht, wie sie vertraglich verhandelt und parlamentarisch gelebt wird. Das gilt im Bund gleichermaßen, wie in den Ländern. Die Groko beispielsweise läuft in der Sache viel besser, als unterstellt wird. In jedem Fall müssen wir bereit sein, mit anderen zusammenzuarbeiten und Kompromisse einzugehen, wenn wir Verantwortung übernehmen und etwas für das Land und die Menschen erreichen wollen. Aus der Opposition heraus geht das schlechter.
Aktualisierung am 16.09.2019: Karl-Heinz Brunner hat seine Bewerbung um den SPD-Parteivorsitz inzwischen zurückgezogen. Warum er sich dazu entschieden hat, können Sie hier lesen.
Hinweis in eigener Sache:
Liebe Leserinnen und Leser,
der „vorwärts“ hält Sie über das Verfahren für die Wahl des Parteivorsitzes auf dem Laufenden. Das betrifft das Verfahren genauso wie die Vorstellung der Kandidierenden oder später die Berichterstattung über Regionalkonferenzen. Anders als die klassischen Medien berichten wir als Mitgliederzeitung aber erst, wenn die Kandidierenden offiziell vom Wahlvorstand nominiert worden sind und damit auch alle vom Parteivorstand beschlossene Kriterien erfüllt haben. Dabei ist uns die Gleichbehandlung aller Kandidierenden wichtig. Deswegen stellen wir allen identische Fragen, und alle haben gleich viel Platz für das Interview. Über die Länge der Antworten zu den einzelnen Fragen können die Kandidierenden selbst entscheiden. Auf weitere Berichterstattung über einzelne Kandidierende (Einzelne oder Teams) verzichten wir im Sinne der Gleichbehandlung, bis die Bewerbungsphase abgeschlossen ist.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo