Warum ein SPD-Politiker Wahlkampf per Flirt-App „Tinder“ macht
Dass Politiker ein Profil beim Facebook haben, ist mittlerweile Standard. Immer mehr wagen sich auch an den Kurznachrichtendienst Twitter heran. Doch was Alexander Freier getan hat, dürfte für einen Landespolitiker bisher deutschlandweit einzigartig sein. Der 29-jährige Kandidat für das Berliner Abgeordnetenhaus wirbt seit zwei Wochen in der Flirt-App „Tinder“ für sich und die SPD.
Direkte Kommunikation mit den Wählern
„Die Menschen wollen angesprochen werden“, ist Alexander Freier überzeugt. Zu einer klassischen Wahlkampfveranstaltung kämen aber meist nur „zehn Genossen und zwei Bürger“. Deshalb setzt Freier auf die direkte Kommunikation. Tinder spiegele die „Lebenswelt“ der Menschen wider. Ein Profil im Dating-Netzwerk sei „unaufdringlich“. Wer kein Interesse habe, kann einfach zum nächsten Profil wischen. Wer Freier gut findet, kann hingegen auf ein Herz-Symbol klicken. Gut 200 hat er seit Mitte Juli gesammelt.
Registrierte Nutzer können sich sein Profil ansehen, ihn kontaktieren und ihm Fragen stellen. „Viele haben das auch schon gemacht“, sagt Freier und ihn zu seinen Ansichten vor allem zu Familien- und Bildungsthemen befragt. Bei zwei Millionen Tinder-Nutzern in Deutschland ist die potenzielle Zielgruppe recht groß. Erreichen möchte Freier aber vor allem die Menschen im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick, denn dort kämpft er als Direktkandidat der SPD um den Einzug ins Abgeordnetenhaus.
„Politik zum Anfassen und Mitmachen“
„Ich bin ein unorthodoxer Kandidat, einer zum Liebhaben“, sagt Alexander Freier über sich selbst. Sein Ziel sei, „Politik zum Anfassen und Mitmachen“ zu machen. Deshalb hat er auch seine Handy-Nummer und seine E-Mail-Adresse auf seine Wahlplakate drucken lassen. Ab dem kommenden Wochenende werden sie überall im Wahlkreis aufgehängt – „und zwar jedes in Augehöhe des Betrachters“, wie Freier betont. Zwar befürchte er Vandalismus, aber das Symbol sei im wichtig. Außerdem hofft Freier auf kreative Unterstützung: Wer möchte, kann seine Plakate mit Stickern bekleben oder etwas darauf schreiben oder malen.
Den Wahlkampf per Dating-App weiterempfehlen will Alexander Freier allerdings nicht – zumindest nicht uneingeschränkt. „Das ist eine Typ-Frage“, sagt er. „Man muss auch die Zeit haben, das eigene Profil zu betreuen und Anfragen zu beantworten.“ Getroffen hat er sich auch noch mit keinem seiner Tinder-Kontakte, eigentlich der Sinn der Dating-App. „Aber wenn jemand ein konkretes Anliegen hätte, das wir persönlich besprechen sollten, würde ich auch das machen.“
Gute Erfahrungen aus der Schweiz
Alina Trede würde dazu wahrscheinlich nur raten. Die 32-Jährige saß für die Grünen im Schweizer Nationalrat. Im Wahlkampf 2015 setzte sie ebenfalls auf Tinder als Wahlkampfinstrument. Zwar schaffte sie nicht den Wiedereinzug ins Parlament, doch ihr Tinder-Wahlkampf sorgte für Schlagzeilen, besonders als ihr Profil für mehrere Tage gesperrt wurde: Nutzer sollen es bei Tinder gemeldet haben, weil es angeblich gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen habe. Auch in der SPD wurde Tinder bereits als Wahlkampfinstrument genutzt. Matti Merker warb im Frühjahr dieses Jahres im hessischen Kommunalwahlkampf mit der App für sich.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.