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Warum die SPD in Halle die „Schorre“ erhalten will

Hier gibt sich die SPD unter August Bebel 1890 ihren Namen. Später ist die „Schorre“ in Halle FDJ-Klubhaus, nach der Wiedervereinigung Veranstaltungsort für Konzerte und Discos. Nun soill sie abgerissen werden. Nicht nur die SPD will das verhindern.
von Vera Rosigkeit · 25. Oktober 2021

Für den ehemaligen SPD-Fraktionschef im Landtag von Sachsen-Anhalt Rüdiger Fikentscher ist die „Schorre“ in Halle „ein Ereignisdenkmal ersten Ranges“. Denn im damaligen „Hofjäger“, wie die Schorre früher hieß, fand vom 12. bis 18. Oktober 1890 der erste Parteitag der SPD nach dem Fall des Soziallistengesetzes statt und nach zwölf Jahren, in denen jede Art von Parteiarbeit verboten gewesen war. „Hier in Halle gab sich die Partei vor 131 Jahren unter der Führung August Bebels ihren noch heute gültigen Namen: Sozialdemokratische Partei Deutschlands“, erklärt Fikentscher. „Darauf stützen wir uns, denn für die Geschichte Deutschlands ist dies nicht unbedeutend“, fährt er fort und erinnert sich an 1990, „mitten im Trubel der Wiedervereinigung“, als die SPD dort eine 100-Jahr-Gedenkveranstaltung feierte, mit Johannes Rau, dem späteren Bundespräsidenten, als Festredner.

Stele erinnert an August Bebel

Schon zu DDR-Zeiten erinnerte eine Bronzetafel an das historische Ereignis. „Auf dem ersten Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands – nach dem Fall des Sozialistengesetzes – 12. bis 18. Oktober 1890 – sprach hier der Kämpfer gegen Militarismus und Krieg August Bebel“, ist dort zu lesen. Damals ist die Schorre noch FDJ-Klubhaus, doch auch nach der Wiedervereinigung wird hier gefeiert, die Schorre ist bis heute ein Veranstaltungsort für Rockkonzerte und Discos. 2013 wird die Bronzetafel in eine Stele mit einem Foto Bebels integriert und weist zudem darauf hin, dass dieser „bis zu seinem Tode Reichstagsabgeordneter und unumstrittener Führer seiner Partei“ war. So habe man bereits vor Jahren schon erfolgreich für die Erinnerung an diesen Ort gekämpft, sagt Fikentscher. Auch habe es die SPD vor Ort geschafft, die Straße, in der die Schorre liegt, nach Willy Brandt zu benennen.

Vom Abriss bedroht war die Schorre bereits 2018. Inzwischen hat der Eigentümer gewechselt, dem derzeitigen Veranstaltungsbetreiber liegt eine Kündigung zum März 2022 vor. Doch auch nach Zustimmung der Stadt zum Umnutzungsantrag durch den Eigentümer steht für die städtische SPD fest, dass ein Abriss nicht in Betracht kommen darf. In der Diskussion um die Zukunft der „Schorre“ plädieren SPD-Stadtverband, SPD-Stadtratsfraktion und die Jusos dafür, das traditionsreiche Haus mit Blick auf dessen gut 150-jährige Tradition unbedingt zu erhalten. „Die Schorre ist für Generationen von Hallenserinnen und Hallensern mit großartigen Tanzabenden und Konzerten verbunden. Für die SPD hat der damalige „Hofjäger“ als Ereignisdenkmal eine besondere historische Bedeutung“, erklärt der Bundestagsabgeordnete und SPD-Stadtvorsitzende Karamba Diaby. Für ihn kann diese große Tradition nicht „reif für die Abrissbirne sein“. Vielmehr fordert er ein tragfähiges Zukunftskonzept für das Haus.

Petition für den Erhalt der „Schorre“

Auch Eric Eigendorf, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Stadtrat, sieht die Kulturszene in Halle durch die Corona-Krise „ohnehin schwer gebeutelt“. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass städtisches Leben ohne Bar- und Clubbetreiber*innen möglich und erstrebenswert sei, sagt er. Gerade an junge Menschen sei das ein fatales Signal. „Im Sinne einer lebendigen Stadtentwicklung war und ist die Schorre für uns ein wichtiger Ort der Jugendkultur innerhalb der südlichen Innenstadt.“ Mit Blick auf ihren Erhalt wolle man noch einmal das Gespräch mit der Stadtverwaltung und im Stadtrat suchen, betont Eigendorf.

Doch nicht nur die SPD engagiert sich für den Erhalt des Gebäudes. Mit einer Petition, gerichtet an den Stadtrat, versuchen aktuell Hallenserinnen und Hallenser, den Veranstaltungsort zu retten. „Ziel sollte eine Weiterführung / Verlängerung des Mietvertrages mit der „Schorre“ sein oder eine Umnutzung des bestehenden Gebäudekomplexes unter Erhaltung der äußeren Merkmale um wenigstens der Geschichte hier ihren nötigen Respekt zu zeigen“, heißt es in der Petition.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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