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Warum die Generation Y langsam macht

Sie sind jung, gut ausgebildet und anspruchsvoll, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung. Doch wie sieht sich die Generation Y selbst und wie politisch ist sie? Die Vorsitzende der JungsozialistInnen in der SPD, Johanna Uekermann, gehört zur Gruppe der 1980 bis 1995 Geborenen und beantwortet die drängendsten Fragen.
von Sarah Schönewolf · 10. September 2014
Johanna Uekermann
Johanna Uekermann

Was zeichnet für Dich die Generation Y aus?

Die „Yler“ werden in Zeitschriften, Artikeln und Fernsehsendungen als eine gut ausgebildete Generation beschrieben, die zur Zeit der Dotcom-Blase aufgewachsen ist und Werte anders setzt als ihre Vorgängergeneration X. Wir haben erlebt, wie eine Wirtschaftskrise das gepriesene Arbeits- und Lebensmodell des Neoliberalismus vermeintlich hinweggefegt hat. Wie in einem Wimpernschlag sowohl angehäufte Vermögen als auch bescheidene finanzielle Reserven verpufft sind, die in Jahrzehnten der Aufopferung, dem Ideal der 60- bis 70-Stunden Wochen entstanden sind. Nach „work hard, play hard“ kam „lose hard“. Nach Alternativen für dieses Lebensmodell zu suchen, scheint uns eine ganz logische Konsequenz.

Ist dafür nur die Wirtschaftskrise verantwortlich?

Sicherlich hat auch die Emanzipation der Geschlechter einen wichtigen Anteil an einem möglichen Umdenken in der Gesellschaft. Die Menschen, die sich einfach weigern, zwischen Familie und Karriere zu wählen treten nun auf den Arbeitsmarkt. Wir wollen uns nicht entscheiden müssen, ob Familie oder Karriere, halbtags oder Beförderung. Wir glauben, dass wir das alles verdient haben. Der Wunsch, die eigenen Fähigkeiten und Bedürfnisse auszuleben, steht bei der heutigen Generation klar im Vordergrund. Im besten Fall ist die Arbeit so sinnstiftend, dass die Grenze zwischen Job und Freizeit fließend verläuft. Dies hat auch die Digitalisierung möglich gemacht. Unsere Generation pocht jedenfalls darauf, ausreichend freie Zeit für Freunde, Familie und Hobbies zu haben.

Die Generation Y wird häufig als angepasst beschrieben, siehst Du das auch so?

Generationen werden meist nur von den Menschen als homogene Maße verstanden, die selbst nicht Teil dieser sind. Was andere über die Generation Y schreiben, würden wir selbst so pauschal nicht sagen. Wir werden mit Zuschreibungen belegt, die wir meist nicht zutreffend finden.

Gut ausgebildet? Klar, einige von uns sind das - trotzdem werden so vielen Jugendlichen und jungen Menschen auch in der westlichen Welt gute Bildungschancen verwehrt. Sie  werden abgehängt und dürfen nicht teilhaben am großen Kampf um die Fachkräfte. Beim Chef die 30-Stunden-Woche statt dem Dienstwagen fordern? Manche von uns tun das vielleicht, die meisten jedoch wollen oder müssen sich weiterhin der beruflichen Tretmühle beugen.

Ist die Generation Y politischer, sind ihre Positionen vielleicht sogar sozialdemokratischer?

Ich glaube schon, dass sich der Zeitgeist innerhalb der Gesellschaft nach der Wirtschaftskrise etwas gewandelt hat. Die Doktrin des Neoliberalismus hat offensichtlich die Gesellschaft nicht erlöst - sondern neue, sehr gravierende Probleme geschaffen. Besonders schwer wiegt die Jugendarbeitslosigkeit, die eine ganze Generation besonders im Süden Europas abhängt. Unsere Generation hat erkannt, dass andere Antworten als ungezügelter (Finanzmarkt-)Kapitalismus gefunden werden müssen. Die Hoffnung stirbt zuletzt, deshalb sage ich: ja, die Werte unserer Generation sind sehr sozialdemokratisch.

Wir sehen nicht ein, warum manche Menschen alles, und andere nicht mal eine Chance bekommen sollen. Das ist unsere Vorstellung von Gerechtigkeit. Wir glauben, dass jeder die Möglichkeit haben soll zu leben und zu lieben, wie es ihm oder ihr gefällt. Das ist unsere Vorstellung von Freiheit. Wir wissen auch, dass man dabei nur erfolgreich sein kann, wenn Menschen sich gegenseitig unterstützen und zu Freunden werden. Wir glauben an Solidarität.

Im Vergleich zu Vorgängergenerationen: Müssen die Ypsiloner stärker oder weniger stark um ihre Rechte kämpfen?

In dieser Generation wie in jeder anderen gilt: Rechte werden nicht entlang Generationen verteilt sondern entlang Reichtum und sogenannter "priveliges" - die Spaltung der Gesellschaft verläuft nicht entlang jung und alt sondern zwischen arm und reich.

Als Juso-Vorsitzende bist Du viel international unterwegs, vor kurzem warst Du auf dem Internationalen Festival der JungsozialistInnen in Malta. Stellst Du große Unterschiede innerhalb der europäischen Länder fest?

Sicherlich gibt es in südeuropäischen Ländern wie Griechenland und Spanien andere Probleme für Jugendliche als hier in Deutschland. Dort geht es darum, einer ganzen Generation eine Zukunft zu bieten. Grundsätzlich unterscheiden wir uns bei den Zukunftswünschen aber wenig voneinander.  Ganz vorne steht der Wunsch nach einem gutem Arbeitsplatz.

Wir wollen eine sichere Arbeit, die uns die Möglichkeit gibt, im Hier und Jetzt zu leben, und auch Pläne für die nächsten Monate und Jahre zu schmieden, sei es für eine Familie oder einfach nur um selbstständig zu sein. Wir wollen einen Sinn sehen, in dem was wir tun, beruflich und privat. Das Streben nach Unabhängigkeit und Sinnsuche ist dabei kein Luxusproblem, sondern Grundbedürfnis eines jeden Menschen.

Autor*in
Sarah Schönewolf
Sarah Schönewolf

ist Diplom-Politologin und Redakteurin des vorwärts.

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