Parteileben

Warum Christina Kampmann und Michael Roth Parteivorsitzende werden wollen

Wer kandidiert für den Parteivorsitz? Der „vorwärts“ stellt alle nominierten Kandidat*innen in einem Interview vor. Alle bekommen identische Fragen und haben gleich viel Platz für das Interview. Diesmal antworten Christina Kampmann und Michael Roth. Sie planen eine Kommunalquote für den Parteivorstand einzuführen und wollen die Mitglieder über den Verbleib in der großen Koalition abstimmen lassen.
von Jonas Jordan · 23. Juli 2019
Michael Roth und Christina Kampmann bewerben sich als Duo um den Parteivorsitz der SPD.
Michael Roth und Christina Kampmann bewerben sich als Duo um den Parteivorsitz der SPD.

Nach der ersten Runde der Mitgliederbefragung haben es die Duos Klara Geywitz mit Olaf Scholz und Saskia Esken mit Norbert Walter-Borjans ins Finale geschafft. Alle übrigen Kandidierenden sind ausgeschieden.

Warum wollen Sie Parteivorsitzende werden?

Kampmann: Die Zukunft der SPD ist für uns ein echtes Herzensanliegen. Was unsere SPD jetzt braucht, sind Zusammenhalt und Teamspiel. Jetzt haben wir die Chance, gemeinsam den Aufbruch zu wagen – deshalb treten Michael und ich an!

Roth: Wir wollen dafür sorgen, dass politisches Engagement in unserer Partei wieder Freude macht. Wir beide können und wollen begeistern! Und wir sind stolz darauf, Sozis zu sein. Die SPD wird nach wie vor gebraucht: Für eine Gesellschaft, die nicht fragt, woher du kommst, sondern wohin du willst. Für ein Europa, das schützt und Globalisierung gestaltet. Für ein Land, in dem es gerecht zugeht und in dem starke Schultern mehr tragen als schwächere. Das alles gibt es nur mit einer starken Sozialdemokratie.

Wie haben Sie sich zu diesem Duo zusammengefunden und wo unterscheiden Sie sich?

Roth: Viele Menschen sind auf mich zugekommen und haben mich gefragt, ob ich jetzt bereit wäre, mehr Verantwortung zu übernehmen. Aber für mich war klar: Alleine mache ich das nicht. Eine Doppelspitze steht genau für das, was viele in der SPD seit langem vermissen: echtes Teamspiel und eine motivierende Führungskultur. Christina und ich haben uns vor Jahren im Bundestag kennengelernt. Wir vertrauen und ergänzen uns. Ich hab nicht lange gezögert und zum Hörer gegriffen.

Kampmann: Über den Anruf war ich wirklich überrascht, habe nach langem Überlegen aber zu Michael gesagt „Wir machen das“. Als ehemalige Standesbeamtin weiß ich, wie wichtig es ist, in den richtigen Situationen „Ja“ zu sagen. Zwischen uns passt es einfach. Aus unseren unterschiedlichen Erfahrungen und Talenten wird eine gemeinsame Stärke.

Warum sind Sie zur SPD gekommen?

Kampmann: Die Arbeit beim Sozialamt in Bielefeld war für mich prägend. Zu erleben, wie viele Menschen – teils auch unverschuldet – in die Armut abrutschen, war für mich der ausschlaggebende Grund, mich politisch zu engagieren. Der SPD und sozialdemokratischer Politik habe ich viel zu verdanken. Als Erste in der Familie konnte ich das Abitur machen und studieren.

Roth: Ich stamme aus einer Bergmannsfamilie in Nordhessen und auch ich wäre ohne die Bildungspolitik der SPD nicht da, wo ich heute stehe. Auch deshalb ist für mich der Aufstieg durch Bildung ein Versprechen, für das ich leidenschaftlich eintrete. Als 17-jähriger Schüler bin ich in die SPD eingetreten. Das war für mich nur konsequent und folgerichtig

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Was sind für Sie die drei wichtigsten Themen?

Roth: Wir stehen für Zusammenhalt, Mut und Anstand. Viele Menschen sind angesichts der dramatischen Umbrüche dieser Zeit zutiefst verunsichert. Nationalisten und Populisten schüren diese Ängste. Wir wollen den Menschen wieder Mut machen. Wir brauchen mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt. Alleine werden wir es nicht schaffen, Freiheit, Demokratie und unser Sozialmodell zu verteidigen. Die SPD ist das älteste Bündnis gegen Rechts! Wir stehen an der Spitze des Aufstands der Anständigen gegen die Unanständigen, die Hass, Gewalt und Lügen verbreiten.

Kampmann: Wir wollen den Menschen durch gute sozialdemokratische Politik wieder ein Gefühl von Sicherheit und Orientierung geben. Das gilt vor allem bei der Zukunft der Arbeit. Digitalisierung darf kein Schreckgespenst sein, das Arbeitsplätze vernichtet. Wir fordern eine gerechte Verteilung von Arbeitszeit überall dort, wo Technologie und Maschinen Arbeit übernehmen. Wir wollen offensiv neue Ideen fördern und gleichzeitig den Beschäftigten Sicherheit bieten. Klimaschutz ist für uns auch eine soziale Frage, an der unsere Gesellschaft nicht zerbrechen darf. Nur gemeinsam können wir eine ehrgeizige Klimapolitik vorantreiben.

Was wollen Sie als Parteivorsitzende verändern?

Kampmann: Wir sind in der SPD zuletzt nicht immer anständig miteinander umgegangen. Damit müssen wir Schluss machen. Es geht uns um mehr Respekt und Fairness in der Zusammenarbeit. Das ist für uns die Grundlage für eine solidarische, fruchtbare Debattenkultur und nicht zuletzt eine Frage des Stils. Wir wollen weniger Zeit in Gremiensitzungen verbringen und stattdessen mehr im Land unterwegs zu sein, um den Menschen zuzuhören.

Roth: Wir müssen unsere Türen und Fenster weit aufreißen, um neue Ideen reinzulassen. Wir schlagen vor, dass künftig ein Drittel des Parteivorstands aus der kommunalen Familie kommt. Außerdem soll jeder fünfte Listenplatz für neue, kreative Geister, der Schichtarbeiterin, dem Krankenpfleger und Mutmachern – auch ohne Parteibuch – offen stehen.

Wo sehen Sie die größte Herausforderung, vor der die SPD steht?

Roth: Gerade einmal zwei Prozent der Deutschen trauen uns noch zu, überzeugende Ideen für die Zukunft zu haben. Viele Menschen haben den Eindruck, wir lassen sie mit ihren Alltagssorgen im Kapitalismus allein. Am Ende ist Europa der Schlüssel zur Lösung vieler Probleme. Hier wollen wir unserer SPD Mut machen, noch europäischer zu denken und zu handeln.

Kampmann: Die SPD muss endlich wieder mehr Freude und Zuversicht ausstrahlen. Wir gewinnen Vertrauen zurück, indem wir wieder die Debatten über die großen Fragen dieser Zeit führen. In den letzten Jahren haben wir uns zu sehr in internen Personaldebatten verzettelt. Das hat uns nur geschadet.

Wie stehen Sie zu einer Regierungsbeteiligung der SPD im Bund?

Kampmann: Die große Koalition ist wahrlich kein Wunschbündnis, sie hat uns einige Zugeständnisse abverlangt. Die SPD ist eine linke Volkspartei und wir wollen künftig für andere progressive Mehrheiten in diesem Land kämpfen.

Roth: Wir haben gemeinsam entschieden, in diese Koalition einzutreten. Jetzt sollten wir auch gemeinsam mit einer Mitgliederbefragung entscheiden, ob es nach zwei Jahren großer Koalition und einer ehrlichen Halbzeitbilanz noch weitergehen kann. Wir müssen klären, was wir in den verbleibenden zwei Jahren noch erreichen wollen. Und machen wir uns nichts vor: Die große Koalition ist nun wirklich nicht der einzige Grund, warum es der SPD derzeit so schlecht geht.

 

Hinweis in eigener Sache:

Liebe Leserinnen und Leser,

der „vorwärts“ hält Sie über das Verfahren für die Wahl des Parteivorsitzes auf dem Laufenden. Das betrifft das Verfahren genauso wie die Vorstellung der Kandidierenden oder später die Berichterstattung über Regionalkonferenzen. Anders als die klassischen Medien berichten wir als Mitgliederzeitung aber erst, wenn die Kandidierenden offiziell vom Wahlvorstand nominiert worden sind und damit auch alle vom Parteivorstand beschlossene Kriterien erfüllt haben. Dabei ist uns die Gleichbehandlung aller Kandidierenden wichtig. Deswegen stellen wir allen identische Fragen, und alle haben gleich viel Platz für das Interview. Über die Länge der Antworten zu den einzelnen Fragen können die Kandidierenden selbst entscheiden. Auf weitere Berichterstattung über einzelne Kandidierende (Einzelne oder Teams) verzichten wir im Sinne der Gleichbehandlung, bis die Bewerbungsphase abgeschlossen ist.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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