Wie es scheint, kann eine Partei auch in der Regierungsverantwortung als Schatten ihrer selbst existieren. Fragt sich nur, wie lange?
Beispiel Sachsen-Anhalt. Ich lese: Da sei die "Große" Koalition zwischen SPD und CDU wieder gezimmert. Nur die Ministersessel seien noch nicht besetzt. Und wieso "Große Koalition", wo es doch bestenfalls um die "Kleine" geht, mit einer an Auszehrung leidenden SPD. Zur "Großen" wären nach diesem Wahlergebnis nur CDU und Linke befähigt.
Ab auf die Oppositionsbank
Wie erinnerlich: Die SPD landete auf dem dritten Platz. Aber zu keinem Zeitpunkt war dieser Platzverweis der Wählerinnen in Sachsen-Anhalt von der Landespartei als das gewertet worden, was es ist: Ab auf die Oppositionsbänke. Nein, erneut bewegt sich die Partei dort in der Rolle des Steigbügelhalters der ehemaligen Blockpartei CDU. Ganz unbemerkt lässt sie dabei jedes eigene Profil vermissen. In dieser Koalition wird sie weitere Jahre genauso unauffällig verbleiben und dem gleichen Schicksal entgegen schleichen wie in Baden-Württemberg.
Wer hätte gedacht, dass es dort gelingt, auf der nach unten offenen Richterskala des Wählervertrauens erneut abzusinken. Könnte das nicht vielleicht doch mit der Unbeugsamkeit zu tun haben, mit der die SPD-Führung im Ländle am ungeliebten unterirdischen Bahnhof festhält? Und jetzt steht sogar die Koalition mit den Grünen auf dem Spiel. Es wird schon gelingen, in Stuttgart eine Situation zu bewirken, in der sich der Streit um Stuttgart 21 auf Grüne und SPD verlagert und die Union kann sich Hände reibend von ihrem Schock erholen. Wird schon schief gehen.
Und Rheinland-Pfalz - ein halbes Prozentpünktchen trennte die Partei dort von der totalen Niederlage. Und ohne die Grünen, Dank der Abwahl der Liberalen, wäre die Fortsetzung der sozialdemokratischen Regierungsbeteiligung beendet. Wie viel bei diesem Ergebnis hausgemacht ist, werden sich die Rheinland-Pfälzer hoffentlich gut überlegen. Sonst könnte die nächste Wahl noch schauerlicher werden.
Leisetreterei führt nicht weiter
Im Übrigen nicht nur in Berlin, sondern zugleich von allen drei Spitzenkandidaten gemeinsam wurde das Lied gesungen, die SPD stehe für eine verantwortliche Wirtschaftspolitik. So als ob man den Grünen nicht trauen könne und sparsam gelte es auch zu sein. Welch ein trauriger Abgesang vor dem Hintergrund einer schwarz-gelben Klientelpolitik, der die Wirtschaftslobby den Takt vorgibt.
Bislang jedenfalls ist die SPD noch nicht damit aufgefallen, durch eine annähernd gleiche hochnotpeinliche Befragung der Bankenmanager wie etwa in den USA wenigstens die Schuldigen öffentlich dingfest zu machen, die uns die größte und in der Europäischen Union sich weiter fressende Finanzkrise beschert haben. Noch immer werden die Banken geschont und wie in Griechenland, Portugal und Irland sind es die Steuerzahler, die für dieses Desaster gerade zu stehen haben. Sollte das mit vernunftgeleiteter Wirtschaftspolitik gemeint sein, dann sollte die Debatte endlich geführt werden. Leisetreterei führt jedenfalls nicht weiter. Oder bleibt es dabei: Wahlschock und keine Folgen?
War vorwärts-Chefredakteur von 2006-2010 und ehemaliger Regierungssprecher der Bundesregierung.