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Wahlkampf in Berlin: Es läuft für Scholz, Giffey und die SPD

Der SPD-Wahlkampfzug rollt: In Berlin zeigen sich Kanzlerkandidat Olaf Scholz und die Berliner SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey kämpferisch und gut gelaunt. Kein Wunder, bescheinigen ihnen doch die aktuellen Umfragen kräftigen Rückenwind.
von Lars Haferkamp · 27. August 2021
Simply the best: SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz auf dem Bebel-Platz in Berlin
Simply the best: SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz auf dem Bebel-Platz in Berlin

Wer hätte das gedacht? Noch vor wenigen Monaten lag die SPD in den Umfragen mit teilweise nur noch 14 Prozent abgeschlagen auf dem dritten Platz. Jetzt – knapp vier Wochen vor dem Wahltag – liegt die Partei mit bis zu 24 Prozent vorn auf Platz 1. Beste Voraussetzungen also für gute Stimmung im sozialdemokratischen Wahlkampf.

Die SPD hatte sich für ihre große Kundgebung mit dem Titel „Deutschlands Zukunft: Scholz packt das an“ ein so passendes wie prachtvolles Ambiente ausgesucht: den Berliner Bebelplatz, benannt nach dem früheren SPD-Vorsitzenden August Bebel. Begrenzt vom Prachtboulevard Unter den Linden versammelt der Platz mit der Deutschen Staatsoper, der Hedwigs-Kathedrale, der früheren königlichen Bibliothek und dem ehemaligen Palais des Prinzen Heinrich die bedeutendsten Baudenkmale aus der Zeit Friedrichs des Großen.

Rote Fahnen, gute Musik, beste Stimmung

An diesem Freitag scheint einfach alles zu stimmen. Sogar das Wetter spielt mit. Statt – wie vorhergesagt – Regen und Gewitter gibt es strahlenden Sonnerschein. Der Bebelplatz ist gefüllt, viele Menschen sind gekommen. Sie tragen auch auf dem Platz einen Mund- und Nasenschutz. Manche rote SPD-Fahnen und -Fähnchen.

Für Stimmung sorgt auch die Band „Lounge Society“ mit ihren Dancefloor-Hits. Da wird „Simply the best“ gespielt, der große Hit von Tina Turner. Wer denkt dabei nicht an den Kanzlerkandidaten der SPD? Erst Recht an einem Tag, an dem eine neue Umfrage zeigt, dass Olaf Scholz für die Mehrheit der Bürger*innen wirklich „the best“ ist. Laut ZDF-Politbarometer wünschen sich nämlich 49 Prozent (plus fünf) der Deutschen Olaf Scholz als Kanzler. Weit abgeschlagen dahinter liegen Armin Laschet mit 17 Prozent (minus vier) Zustimmung und Annalena Baerbock, die sich nur 16 Prozent der Befragten als Kanzlerin wünschen.

Geschlossene SPD – „We are family“

Viele auf dem Bebelplatz swingen mit zur Musik. Und als das Lied „We are family“ erklingt, ist es wie ein Hinweis auf das neue Zusammengehörigkeitsgefühl und die große Geschlossenheit der SPD in diesem Wahlkampf. Hier gibt es keine Debatten darüber, ob der Kanzlerkandidat der Richtige ist oder man ihn vielleicht noch kurz vor der Wahl auswechseln sollte.

Das macht auch Franziska Giffey deutlich, die SPD-Spitzenkandidatin für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin in Berlin, die ebenfalls weit vor allen anderen Kandidat*innen der Konkurrenz liegt. „Rückenwind“ und „ein starkes Signal“ für die Kanzlerschaft von Olaf Scholz soll diese Kundgebung in Berlin senden, wünscht sich Giffey. Sie sei in den letzten Tagen immer wieder gefragt worden, wie sie sich den Aufwind der SPD in den Umfragen erkläre, ob das vielleicht vor allem an den Fehlern der anderen liege. „Ich sage ganz klar: Es liegt in allererster Linie daran, dass wir einen klaren Kurs, ein klares Programm und einen Kandidaten haben, der dafür steht, nicht nur erfahren zu sein und kompetent, sondern auch verlässlich, geradlinig, und genau das, was Deutschland jetzt braucht.“ Unter großem Jubel ruft Giffey: „Wir wollen Olaf als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland!“

Franziska Giffey: „Das Kanzleramt ist kein Praktikumsplatz“

Die SPD-Spitzenkandidatin spricht sich leidenschaftlich aus für „volle Unterstützung für einen Kanzler, der es kann, der bewiesen hat, dass er es kann“. Denn das sei jetzt wichtig: „Das Kanzleramt ist kein Praktikumsplatz, kein Lernort. Es ist der Ort, an dem wir denjenigen brauchen, der es wirklich kann.“ Das Publikum jubelt.

Dann kommt er: Olaf Scholz, der Kanzlerkandidat und vielleicht – immer mehr Medien schreiben es bereits – der nächste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Mit kräftigem Applaus wird er begrüßt, als er im offenen weißen Hemd die Bühne betritt. Er zeigt sich kämpferisch - und attackiert Union und FDP. Wenn man am Ende des nächsten Jahres wegen der Corona-Pandemie 400 Milliarden Euro neue Schulden habe, „dann ist das nicht der Zeitpunkt“ um Steuersenkungen von 30 Milliarden Euro für Besserverdienende zu fordern. „Das ist nicht nur unfinanzierbar, das ist auch unmoralisch“, sagt Scholz und erntet großen Beifall.

Olaf Scholz greift Union und FDP an

Harte Kritik übt er an Union und FDP auch in der Rentenpolitik. Jeder müsse sich in diesem Land sicher fühlen können, auch im Alter. Das habe auch etwas zu tun mit stabilen Renten. „Ich sage ausdrücklich: Wir garantieren ein stabiles Rentenniveau und werden es gegen alle Widerstände durchsetzen“, so Scholz. „Das ist das, was wir uns fest vorgenommen haben.“ Weder die CDU/CSU noch die FDP hätten dagegen ein stabiles Rentenniveau in ihrem Wahlprogramm stehen. „Das kommt darin nicht vor“, betont Scholz. Das sei für die Bürgerinnen und Bürgern doch sicher interessant.

Massiv kritisiert Scholz den Koalitionspartner Union auch beim schleppenden Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Stromnetze. Die Aufgabe sei groß, aber die Union drücke sich. Sie wolle nicht einmal Ausbauziele benennen. Wirtschaftsminister Altmaier habe hier eine „Kapitulationsurkunde unterschrieben“ für die Wirtschaftspolitik der Union. „Sie haben versagt vor der wichtigsten Zukunftsaufgabe für die Industrie und Wirtschaft in Deutschland!“, ruft Scholz und erntet kräftigen Applaus. „Die Unionsparteien sind ein Standortrisiko, ein Risiko für Wohlstand und Industrie in Deutschland.“

Scholz mahnt: „Wahltag ist am 26. September.“

Schließlich kommt auch Scholz auf die Umfragen zu sprechen, die in diesen Tagen in aller Munde sind. „Es ist schön, wie sich die Umfragen entwickeln. Es ist berührend, zu sehen, wie viele Bürgerinnen und Bürger mir zutrauen, der nächste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu sein.“ Das sei ein schweres Amt und deshalb sei das große Vertrauen in ihn „ein sehr bewegender Moment“. Großer, langanhaltender Applaus für Scholz.

Zugleich mahnt er: „Wahltag ist am 26. September.“ Der Kanzlerkandidat bittet seine Partei, die verbleibende Zeit zu nutzen und mit vielen Wähler*innen zu sprechen und sie zu überzeugen. Die SPD brauche einen Regierungsauftrag. „Wer will, dass der nächste Kanzler Olaf Scholz heißt, der muss sein Kreuz bei der SPD machen. Das ist der sicherste Weg, das auch zu erreichen.“ Wieder gibt es kräftigen, langanhaltenden Applaus für den Kandidaten. Und er endet: „Ich bin sicher: Wir werden einen Aufbruch für dieses Land hinkriegen! Freundinnen und Freunde, lasst es uns anpacken!“

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