Vorwärts SPD! Jetzt erst recht!
Florian Gaertner/photothek.net
Ich schlief schlecht. Man könnte meinen, es liege an meiner Sorge um die SPD. Manche Menschen behaupten, die SPD unterscheide sich nicht mehr von der CDU. Andere gehen sogar so weit, zu sagen, dass wir die SPD gar nicht mehr bräuchten. In dieser Nacht schnappe ich mir mein Handy und stöbere auf YouTube.
Die SPD wird gebraucht!
Es kommt vor, dass ich mich auch mal um 5 Uhr morgens mit Politik beschäftige. Ich sehe mir die Rede des Otto Wels von 1933 an. Ein Sozialdemokrat, der vielen bekannt sein dürfte. Mit seiner berühmten Rede im Reichstag stellte er sich und seine Partei gegen das Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten. Schnell wird mir klar: Die SPD wird gebraucht. Immer sollte es eine solche SPD geben, die von Mut, Entschlossenheit und vor allem einer wichtigen Tugend gekennzeichnet ist: der unverfälschten Aufrichtigkeit, sich auch in äußerster Not mit allem, was sie hat, für die Freiheit einzusetzen.
Ich studiere Geschichte. Manche sagen, dass man aus der Geschichte lernen soll, um Entwicklungen und Tendenzen in der Gegenwart einzuschätzen und vor allem Entscheidungen besser treffen zu können. Wenn ich Unverzichtbares lernen durfte in meinem Studium, so war es vor allem eines: Ich habe den Blick dafür bekommen, was alles möglich ist. Es ist vieles möglich, wenn wir uns die Wahl zum 19. Bundestag anschauen. Für mich und für viele andere Anhänger der SPD ist das Ergebnis eine herbe Enttäuschung. Die Entscheidung, die große Koalition mit CDU und CSU nicht fortzusetzen, ist vollkommen richtig. Die SPD hätte als kleiner Koalitionspartner wieder bei vielen Reformvorschlägen auf Granit gebissen und bei denjenigen Forderungen, die auf ihren Druck hin hätten erzielt werden können, wäre sie nicht genug wertgeschätzt worden. Bei den Menschen kommt meist doch nur an, dass Merkel es wieder ganz gut macht, so wie sie es eben tut. Schließlich wäre die SPD immer mehr zersetzt worden.
Auch mal „Nein“ sagen
„Zeit für mehr Gerechtigkeit“ heißt es bei uns. Aber gleichzeitig heißt es auch „Zeit für Stärke“. Auch mal Nein zu sagen. Wenn die SPD wieder wahrgenommen werden will, dann muss sie auch bereit sein, als Oppositionsführerpartei Verantwortung für unser Land zu übernehmen. Deshalb ist es gut, dass wir wir nicht zulassen, dass eine AfD als Oppositionsführer weiter aufsteigt, während sich unser Land durch eine weitere große Koalition schleppt und am Ende die SPD wieder nur verlieren kann, während der rechte Rand immer weiter Stimmen fängt. Die SPD macht sich nicht klein, wenn sie in die Opposition geht. Nein, sie stellt sich sogar in den Dienst des Staates, indem sie die Opposition im Deutschen Bundestag nicht dem rechten Rand überlässt.
Was in vier Jahren Opposition passieren muss, ist schon jetzt klar: Die SPD muss neue Kraft schöpfen, personalpolitische Entscheidungen treffen und eines gleichermaßen forcieren und wiederentdecken: die unbeugsame Leidenschaft, für sozialdemokratische Werte einzustehen.
Otto Wels hat es vorgemacht, nun muss es die SPD fortführen. In der Tradition verankert, Blick nach vorn, in der Zukunft mutig. Das ist SPD für mich. Oder wie Helmut Schmidt es 1986 in seiner Abschiedsrede im Deutschen Bundestag formulierte: „Wer ein weit entferntes Ziel erreichen will, der muss sehr viele kleine Schritte gehen.“ In diesem Sinne: „Vorwärts SPD!“
ist Student der Politik, Geschichts- und Erziehungswissenschaften an der Universität Tübingen. Seit März dieses Jahres ist er Mitglied der SPD. Aus voller Überzeugung.