Vor 20 Jahren outete sich Klaus Wowereit (SPD) – und das ist gut so!
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Zurückblickend sei es für Wowereit einfach das richtige gewesen, sich zu outen und dies mit seinen Worten zu tun. Der Satz „Ich bin schwul und das ist auch gut so“ sei aus einem Bauchgefühl heraus entstanden und habe keine besondere Bedeutung gehabt, er habe einfach mitteilen wollen, dass er schwul sei, so der ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin. Er diskutierte auf Einladung der SPDqueer unter dem Motto „Zeit für ein Update“ mit der ehemaligen Umweltministerin Barbara Hendricks sowie Parteivize Kevin Kühnert über die Wahrnehmung von Homosexualität gestern und heute.
Ein Tabubruch par excellence
Vorab sei Homosexualität in der Öffentlichkeit ein verkrampftes Thema gewesen. Man habe zwar gewusst, wer schwul sei, alles aber in einer „verhuschten Atmosphäre, mit Sensationsgeilheit“, erzählt Wowereit weiter. Er sei damals in einer besonderen Situation gewesen. Die SPD hatte sich in Berlin gerade aus einer Koalition mit der CDU gelöst, nun ging es darum, ihn zum Bürgermeister zu wählen. Mit den Stimmen der Grünen – aber auch mit denen der PDS. „Das war ein Tabubruch par excellence und dann kam auch noch dazu, dass der Kandidat schwul ist“, erinnert sich Wowereit und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Eigentlich sei sein öffentliches Outing nie geplant gewesen, er habe sein Schwulsein immer als Privatangelegenheit angesehen, die keinen etwas angehe. Ob dieser schwierigen politischen Situation habe er allerdings allen Genoss*innen noch einmal deutlich in einer Fraktionssitung gesagt, dass er homosexuell sei, für den Fall, dass einige dies noch nicht wussten und ihn unter diesen Umständen nicht aufstellen wollen würden.
Doch damit sei die Geschichte nicht beendet gewesen: „Mich erreichte am Sonntag dann die Nachricht, dass berühmte Medien Journalisten zum Recherchieren in der Szene abbestellt hatten – nicht mit positiver Absicht“. Entgegen der Meinung seiner Berater*innen habe er sich also „aus einer Wut heraus“ auf dem Nominierungsparteitag der Berliner SPD noch einmal in aller Öffentlichkeit geoutet. Seine Genoss*innen wählten ihn daraufhin einstimmig.
Hendricks wurde von Markus Lanz bedrängt
Für Barbara Hendricks lief das Outing eher ruhiger und unabsichtlich ab. Als frisch gekürte Umweltministerin habe sie sich ausnahmsweise auf eine Homestory eingelassen. Damals standen Koffer im Flur und auf die Frage des Journalisten,wo es hingehe, erklärte Hendricks, dass sie noch mit ihrer Frau nach Berlin wolle. Danach war klar, dass sie lesbisch sei. Doch auch, wenn sie ihr Outing nicht geplant habe, sondern auf später legen wollte, sei sie froh gewesen, dass es gesagt sei. Überwiegend seien ihr keine größeren Probleme dadurch begegnet. „Es war auch viel einfacher als früher, keine Frage. Das ist natürlich ein Verdienst von Klaus.“ Jedoch kann sich Hendricks erinnern, wie Markus Lanz sie danach drei Wochen „stalkte“, um mit ihr über ihr Coming Out zu sprechen. Hendricks wollte aber durch ihre Politik und nicht als erste lesbische Ministerin in die Medien geraten und sagte ab. Lanz habe sie danach nie wieder eingeladen, um über politische Themen zu sprechen.
Kühnert sieht Wowereit als Wegebner
Auch Kevin Kühnert hat nach eigener Aussage sein Coming Out vor drei Jahren nicht geplant. Er habe schon lange offen schwul gelebt und so sei das Interview mit dem Magazin Siegessäule für ihn nichts besonderes gewesen. Dass das kleine Magazin später seine Aussagen über seine Sexualität derart hervorheben würde, habe er aufgrund seiner damaligen Naivität im Umgang mit Medien nicht kommen sehen. Dass ihm das Outing keinerlei Probleme bereitet habe, sei dem Stimmungs- und Meinungswandel zu verdanken, den auch Klaus Wowereit damals angestoßen habe.
Doch trotz aller Errungenschaften war sich die Diskussionsrunde weitestgehend einig: Es gibt noch immer viel zu tun. Schwulenfeindlichkeit begegnete Klaus Wowereit auch nach seinem Outing in seiner Zeit als Regierender Bürgermeister Berlins immer wieder.
Teilweise Outing noch heute „Karriere-Killer“
„Immer, wenn es eine strittige Entscheidung gab, dann habe ich eine gehäufte Anzahl von homophoben Kommentaren und Briefen bekommen und E-Mails. Ich habe dann regelmäßig auch Strafantrag gestellt“, so Wowereit. Dies habe er auch gemacht, um ein Zeichen zu setzen. Lebhaft kann er sich auch noch daran erinnern, wie er bei dem Besuch eines Gymnasiums aus der Menge hörte: „Da kommt die schwule Sau“. Zwar habe sich der Verantwortliche auf Wirken des Schulleiters entschuldigen müssen. Jedoch gibt Wowereit zu bedenken, was solch ein Spruch mit einem jungen Menschen machen würde, der sich noch nicht geoutet hat und dem es an Selbstvertrauen fehle. „Wir kennen gesellschaftliche Bereiche, wo das absolut noch tabu ist oder ein Killer für die Karriere, ob es der Herrenfußball ist oder ob es die Banker oder die CEOs in den großen Unternehmen sind", so Wowereit.
Am Ende fragte Moderatorin Margot Schlönzkes, die sich zur Jahrtausendwende als selbsternannte „Polit-Tunte“ einen Namen gemacht hat, wann es denn endlich eine Drag-Bundespräsidentin gäbe. Sie selbst habe ab 2027 Zeit. Daraufhin Barbara Hendricks keck: „Man muss aber mindestens 40 sein“.
Die Diskussion zum Nachgucken auf der Facebook-Seite der SPDqueer