150 Jahre – im kommenden Jahr feiert die SPD dieses bedeutende Jubiläum. Im Vorfeld aber diskutiert die Partei in einer sechsteiligen Veranstaltung über die „langen roten Linien“ sozialdemokratischer Politik. Den Auftakt machte am Montag in Berlin die Veranstaltung „Links und frei?“, eine Diskussion über die Identität der SPD.
„Die Idee von Freiheit und Solidarität hält die Sozialdemokratie am Leben.“ Davon ist Parteichef Sigmar Gabriel nach wie vor überzeugt. In seiner Begrüßungsrede zur Veranstaltung „Links und frei?“ im Willy-Brandt-Haus wies er auf die Kontinuität der Werte innerhalb der Partei hin, einer Veranstaltung, die sich mit eben diesen Werten auseinandersetzen will.
Dem Titel der Veranstaltung, welcher dem der Autobiografie Willy Brandts über die Jahre 1930 bis 1950 entspricht, ist dabei bewusst ein Fragezeichen angehängt. Gilt „Links und frei“ noch für die Sozialdemokratie? Wo steht die Partei? Und welche Antworten bietet sie für die Herausforderungen von heute und morgen? Zur Diskussion geladen waren der Historiker Bernd Faulenbach, der Politologe Johano Strasser sowie die Journalisten Julia Friedrichs und Albrecht von Lucke.
„Meine Geschichte mit der Partei ist die einer enttäuschten Liebe“, bekundet Friedrichs gleich zu Beginn. Während ihrer Sozialreportagen habe sie den Eindruck gewonnen, die SPD habe sich von der sozialdemokratischen Idee ein Stück weit entfernt. Dabei sieht die Journalistin gerade in der jetzigen Zeit eine „wahnsinnige Sehnsucht“ nach Solidarität. „Ich gehöre einer Generation an, in der wir in dem Wissen groß gezogen wurden, uns durchkämpfen zu müssen“, so die junge Journalistin. „Ich würde gern glauben, dass die SPD diese Idee der Solidarität weiter hochhält.“
Auch von Lucke kritisiert die Entwicklung der letzten Jahre. Sein Eindruck ist, dass vor allem die Freiheit einiger weniger größer geworden sei. „Die Frage, welche die SPD heute beschäftigen müsste, ist die, wie man Gleichheit und Freiheit wieder gleichwertig stellen kann“, so der Journalist. Er sieht hier vor allem ein Problem der Realpolitik, die von den Werten der SPD abweiche. Ein Zwist, der seit jeher die Sozialdemokratie geprägt habe, so der Einwand Wolfgang Thierses, der zwar als Moderator in der Runde sitzt, zwischenzeitlich aber eher als Diskussionsmitglied agiert. Die Diskrepanz zwischen Zielen und der tagesaktuellen Politik habe schon immer Unzufriedenheit erzeugt, erzählt der Vizepräsident des Bundestags.
Die Sehnsucht nach Sicherheit
Während die Diskussion sich zunächst der veränderten Basis der Partei zuwendet, führt Friedrichs schließlich wieder auf diesen zentralen Punkt zurück: „Ich glaube, dass die SPD ihre Utopien in der Alltagspolitik nicht erreichen kann, ist nicht das Problem. Mein Eindruck ist, dass ihre Tagespolitik der Utopie gar den Rücken kehrt“, kritisiert sie. Von der SPD wünscht sie sich deshalb, die „Freiheit wieder mit der Sicherheit zu verheiraten“. Man müsse den Leuten wieder das Gefühl geben, dass das „gute Leben“ möglich sei. „Ich wünsche mir eine neue soziale Idee, eine alltagstaugliche, die nicht der Tagespolitik geopfert wird“, so die Journalistin.
Auch Bernd Faulenbach, der sich an diesem Abend sonst lieber auf die Vergangenheit besinnt und die „stolzen Momente“ wie Otto Wels’ Rede zum Ermächtigungsgesetz in Erinnerung ruft, stimmt dieser Forderung zu. „Wir brauchen Strukturen, in denen Menschen ihr Leben auch ein Stück weit planen können. Und da sind die Gegebenheiten heutzutage unzureichend“, kritisiert der Historiker.
Und wie sehen die konkreten Empfehlungen an die SPD im Hinblick auf den Bundestagswahlkampf aus? Johano Strasser plädiert vor allem dafür, die ideologischen Grundvoraussetzungen der Sozialdemokratie wieder stärker zu artikulieren. „Dann werden wir auch wieder die Menschen erreichen“, ist der Politologe überzeugt. Mehr Solidarität, mehr soziale Sicherheit, so lauten die Wünsche der anderen Diskussionsteilnehmer an die SPD – im Grunde eine verstärkte Besinnung auf ihre bestehenden Werte.
ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2013 hat sie beim vorwärts volontiert.