Parteileben

Vereinigung vor 25 Jahren: Als die SPD wieder zusammenwuchs

Mit einem Konvent in Magdeburg hat die SPD am Samstag der Wiedervereinigung von Ost- und West-SPD vor 25 Jahren gedacht. Wolfgang Thierse erinnerte an einen emotionalen Moment mit Willy Brandt. Sigmar Gabriel rief dazu auf, die Erfahrungen der Einheit für künftige Herausforderungen zu nutzen.
von Kai Doering · 26. September 2015
Konvent in Magdeburg
Konvent in Magdeburg

„Die SPD ist vom heutigen Tage an wieder, was sie seit ihrer Gründung vor weit über einhundert Jahren hat sein wollen: die Partei der sozialen Demokratie für das ganze Deutschland.“ So beginnt das „Manifest zur Wiederherstellung der Einheit der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“, das die Delegierten des Berliner SPD-Parteitags am 27. August 1990 einstimmig verabschiedeten. Damit war der Zusammenschluss von Ost- und West-SPD vollzogen. Nach mehr als 40 Jahren erzwungener Trennung gab es wieder eine gesamtdeutsche SPD.

„Wir waren unfreiwillig getrennt“, sagte Katrin Budde beim Konvent „25 Jahre gesamtdeutsche SPD – vereint für ein besseres Land“, mit dem die SPD am Samstag in Magdeburg an diesen Vereinigungsparteitag erinnerte. Ein knappes Jahr zuvor, am 7. Oktober 1989, hatte sich in Schwante bei Berlin im Verborgenen die Sozialdemokratische Partei der DDR (SDP) gegründet. „Die Sozialdemokratie kam in der DDR von unten“, sagte Budde.

Die Neugründung im Verborgenen sei ein wichtiger Beitrag gewesen, „damit die Ostdeutschen aufrecht ins wiedervereinigte Deutschland gehen konnten“. Denn nur die SPD habe nach der Wiedervereinigung von DDR und Bundesrepublik nicht auf Blockparteien als Stützen des SED-Regimes zurückgreifen müssen: „Darauf können wir mächtig stolz sein.“

Willy Brandt hatte Tränen in den Augen

„Die Gründung der SDP im Herbst 1989 war ein Akt besonderen Mutes“, beschrieb Wolfgang Thierse in Magdeburg die Ereignisse vor 25 Jahren. Die Vereinigung von SPD Ost und SPD West dagegen sei eine „schiere politische Selbstverständlichkeit“ gewesen. Thierse, bis zum Vereinigungsparteitag Vorsitzender der Ost-SPD, wurde in Berlin zum Stellvertreter des SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel gewählt. „Er hat mich sofort als gleichberechtigt behandelt“, blickte Thierse zurück.

Vor allem ein Moment ist ihm in Erinnerung geblieben: „Ich werde nie vergessen, wie Willy Brandt mich als Vorsitzenden der Ost-SPD umarmte, um die Vereinigung auch emotional zu vollziehen, und ihm dabei die Tränen kamen.“

Zweifel an der Vereinigung

Willi Polte, 1990 SPD-Vorsitzender im damaligen Bezirk Magdeburg und später langjähriger Oberbürgermeister von Magdeburg, zeigte einen etwas anderen Blick auf die Zeit kurz vor und nach dem Vereinigungsparteitag: „Die Euphorie in der West-SPD ist nicht in dem Maße zu spüren gewesen wie ich sie mir gewünscht hätte.“ Vor allem der damalige Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine habe keinen Hehl aus seiner Ablehnung der Wiedervereinigung gemacht.

Das habe auch die Ost-SPD nicht kalt gelassen. „Wir haben damals darüber diskutiert, ob die SDP nicht nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten als eigene Partei weiter bestehen soll und nur bei Wahlen in einem Parteienverband mit der SPD ähnlich wie CDU und CSU antritt.“ Allerdings sei dieser Gedanke recht schnell wieder verworfen worden.

Signalwirkung für den 3. Oktober

„Auch in der SPD musste erstmal zusammenwachsen, was zusammen gehört“, griff Parteichef Sigmar Gabriel die Kontroversen zwischen den beiden Parteien auf. Auch im Westen hätten viele bedauert, „dass das gegenseitige Interesse schnell nachließ“. Die Signalwirkung, sechs Tage vor der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 Ost- und West-SPD zusammenzuschließen, sei jedoch sehr wichtig gewesen: „Die SPD war endlich wieder eine gesamtdeutsche Partei.“

Seither ist viel passiert. „Unsere Erfolgsbilanz im Osten ist stattlich“, so Gabriel: Die SPD sei an allen Landesregierungen beteiligt, in drei Bundesländern stelle sie den Ministerpräsidenten. „Und wir werden alles dafür tun, dass Katrin Budde in Sachsen-Anhalt im nächsten Jahr die vierte wird.“

Die Erfolge der vergangenen 25 Jahre sollten auch Mut machen für kommende Herausforderungen. „Viele Erfahrungen, die wir während der deutschen Wiedervereinigung gesammelt haben, können wir nutzen“, so Gabriel – etwa im Umgang mit Flüchtlingen. „Veränderungsbereitschaft und die Fähigkeit, Umbrüche zu meistern“ könnten dabei helfen, „Perspektiven zu entwickeln, wie wir auch in zehn Jahren gut miteinander leben können“.

Es war nicht alles schlecht

„Man kann von Ostdeutschland lernen“, befand auch Gabriels Stellvertreterin Manuela Schwesig. Gerade junge Menschen hätten in den Jahren nach 1990 sehr schnell Verantwortung übernehmen müssen: „Neben den Zeitzeugen von damals sollte deshalb auch die Generation danach zu Wort kommen.“

Sie sei froh, so Schwesig, dass heute viel offener darüber gesprochen werden könne, was in der DDR gut war, die Kinderbetreuung etwa oder das Modell der Polikliniken. Vor allem aber könne man für die Zukunft aus der friedlichen Revolution die Lehre ziehen, dass Veränderungen auch ohne Blutvergießen möglich sind: „Das macht Mut, dass es immer friedliche Lösungen für die Konflikte in der Welt gibt.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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