Am Freitag hat Altbundeskanzler Gerhard Schröder sein neues Buch vorgestellt. In „Klare Worte“ spricht er über die SPD, Wladmir Putin und die Agenda-Politik. Bei letzterer zeigte er sich am Freitag ausgesprochen selbstkritisch.
Otto Schily ist einer, Anshu Jain offenbar auch und Martin Schulz sowieso. Im Gegensatz zum früheren Bundesinnenminister und dem Chef der Deutschen Bank spricht es der Präsident des Europäischen Parlaments sogar offen aus: „Ja, ich bin ein Frog.“ Freitag Mittag sitzen sie überall im Atrium der Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Bank Unter den Linden. Die „Frogs“, das sind die „Friends of Gerd“, ein Unterstützernetzwerk des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder, das ihn immerhin zu zwei Wahlsiegen getragen hat.
„Gerd“ ist an diesem sonnigen Februartag nach Berlin gekommen, um sein neues Buch vorzustellen. Es ist ein Interviewband. „Klare Worte“ lautet der Titel. In zwölf Kapiteln wurde Schröder vom stellvertretenden Leiter des Wirtschaftsressorts der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, Georg Meck, zur SPD, der großen Koalition und Wladimir Putin befragt. Es ist das erste Buch Schröders nach seinen Memoiren 2006.
Lob für Oskar Lafontaine
„Ich kann mich nicht erinnern, dass damals annähernd so viele Leute gekommen sind“, sagt Michael Naumann, der zur Buchvorstellung ein Gespräch zwischen Schröder und Parlamentspräsident Schulz moderiert. Vielleicht, so mutmaßt Naumann, der während Schröders erster Amtszeit Kulturstaatsminister war, seien ja auch ein paar Journalisten im Publikum, die gekommen sind „um Buße zu tun“. Immerhin hätten sie Schröder und seine Agenda 2010 von Anfang an niedergemacht und das, obwohl mittlerweile ja erwiesen sei, dass die Reformen Deutschland gut durch die Wirtschaftskrise gebracht hätten.
Es wäre ein Leichtes für Schröder, in dieselbe Kerbe zu schlagen, sich als den Unverstandenen zu präsentieren, doch der Altkanzler zeigt sich milde: „Reformpolitik ist nur dann möglich, wenn die Menschen auch bereit für Veränderung sind“, sagt er und: „Es hat bei der Agenda Fehlentwicklungen gegeben, die korrigiert werden mussten.“ Selbst für Oskar Lafontaine, den „Fahnenflüchtigen“, wie ihn noch heute viele in der SPD nennen, findet Schröder lobende Worte: „Er ist einer der begabtesten Politiker, die ich je kennengelernt habe.“ Allerdings sei er auch einer, der immer geliebt werden wolle.
Wie es zur Agenda kam
Im Buch geht es gleich im ersten Kapitel um die Agenda. Hier bestätigt Schröder nicht nur, dass der Name von seiner Frau Doris stammt („Meine Leute fanden den Vorschlag viel zu abstrakt, zu kalt und zu technokratisch. Aber meine Frau hat mich überzeugt und sie hat recht behalten.“), sondern gibt auch Arbeitgebern und Gewerkschaften die Schuld, dass es überhaupt zu dem Reformpaket gekommen sei. „Keiner von ihnen wollte etwas preisgeben, alle wollten ihre Interessen mithilfe der Regierung durchsetzen.“ Er habe sich das eine Zeit lang angesehen und schließlich gedacht: „Jetzt ist Schluss, jetzt machen wir es selber.“
„Wir haben den Menschen damals eine Mengen zugemutet“, räumt Schröder am Freitag ein. Doch die Reformen seien dringend notwendig gewesen. Von einer Aufweichung bei der Rente hält er deshalb auch nichts. „Die demografische Entwicklung lässt sich durch Parteitagsbeschlüsse nicht austricksen“, gibt der Altkanzler zu bedenken und mahnt: „Was jetzt passiert, werden die jungen Leute bezahlen müssen.“ Dafür erntet Schröder Applaus, den ersten der Veranstaltung.
„Geburtstagsgeschenk an mich selber“
„Wie wäre die Krise verlaufen, wenn die europäischen Staatschefs die Schrödersche Entschlossenheit an den Tag gelegt hätten?“, will schließlich EU-Parlamentspräsident Schulz wissen. Es bleibt eine rhetorische Frage, doch das „Besser“ liegt förmlich in der Luft. „Gerhard Schröder war nie ein naiver Europäer“, lobt Schulz. Er habe schon früh gesehen, dass eine europäische Wirtschaftsunion nur dann erfolgreich sein könne, wenn es sie auch im politischen Bereich gebe. „Gerhard Schröder hat im Wesentlichen mit seinen damaligen Hinweisen recht gehabt“, sagt Schulz.
Bleibt am Ende nur noch eine Frage, die schließlich auch eine Journalistin aus dem Publikum stellt. Warum hat Gerhard Schröder dieses Buch geschrieben? Der Altkanzler, der am 7. April seinen 70. Geburtstag feiert, richtet sich in seinem Sessel auf und setzt ein Grinsen auf, bevor er antwortet: „Es ist ein Geburtstagsgeschenk an mich selber.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.