Die SPD möchte regieren, um Verbesserungen für die Menschen zu erreichen, will aber ihre Identität nicht verlieren. Am Ende entscheiden die Mitglieder.
Sie sind hart, die Koalitionsverhandlungen mit der Union. Viele Verhandlungsführer in der Partei sagen das, auch NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Beim SPD-Bundesparteitag in Leipzig werben sie und viele andere ihrer Parteigenossinnen und -genossen um Vertrauen bei den Mitgliedern. Um Vertrauen für diesen schwierigen Verhandlungsprozess mit der Union, die in vielen Politikfeldern andere Vorstellungen hat als die SPD. Die Union „will ein weiter so, wir wollen einen Politikwechsel“, bringt es Manuela Schwesig, Partei-Vize und Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern, auf den Punkt.
Schwierige Verhandlungen mit der Union
Auch sie bezeichnet die Verhandlungen als sehr schwierig, doch sieht erste Erfolge. So sei der Abbau von Lohnungleichheit mit der Union möglich, sagt sie, zeigt sich bei der Gleichstellung von Lebenspartnerschaften jedoch skeptisch. Ebenso wie Kraft und zuvor Parteichef Sigmar Gabriel, versichert auch sie, auf die Inhalte zu achten. „Maßstab sind unsere Werte“, sagt Schwesig. Und Kraft betont: „Nur wenn die Inhalte stimmen, werde ich sagen, lasst es uns machen."
Das enttäuschende Ergebnis der Bundestagswahl - der Landesvorsitzende Schleswig-Holsteins Ralf Stegner nennt es „deprimierend schlecht“ - und die Konsequenzen, die die SPD daraus ziehen muss, stehen im Mittelpunkt der Aussprache am ersten Tag des Ordentlichen Bundesparteitags vom 14. bis 16. November 2013 in Leipzig.
Immer wieder ist von Verantwortung die Rede, und von der SPD als einer Partei der Inhalte. Man wolle die Große Koalition nicht um jeden Preis, betonen viele, auch der Juso-Vorsitzende Sascha Vogt. Die schlechte Erinnerung an die letzte Große Koalition sei nicht nur bei den Jusos erhalten geblieben. „Wir wollen keine Mehrheitsbeschaffer sein“, sagt er, „wir müssen schauen, was unterm Strich dabei herum kommt.“ Absolut notwendig sei ein Anheben des Spitzensteuersatzes und die Vermögenssteuer, so Vogt. Darin ist er sich mit dem Bundestagsabgeordneten Norbert Schmitt einig, der fordert, den Kampf um Steuergerechtigkeit energischer zu führen.
Hohe Ansprüche an den Koalitionsvertrag
Dies sei ein zentraler Punkt, „den wir durchsetzen wollen und gleichzeitig ein hartes Brot in der Debatte mit der Union“, sagt Schmitt. Doch auch die Themen Altersarmut, Rente und Arbeitsbedingungen in der Pflege tauchen als zentrale Themen immer wieder auf. Ebenso der flächendeckende Mindestlohn und die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit. Nina Scheer fordert ein klares Bekenntnis zur Energiewende; Elke Ferner mehr Frauenquote und Aydan Özoguz will den Optionszwang beim Staatsangehörigkeitsrecht abgeschafft wissen. „Wir müssen das Paket gut schnüren, dann gibt es Argumente für die Große Koalition“, sagt die Vize-Parteichefin.
Eine Menge Ansprüche, die in der SPD erhoben werden. Man wolle regieren, weil so Verbesserungen für die Menschen erreicht werden können, aber nicht um den Preis, die eigene Identität aufzugeben, erklärt die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz Malu Dreyer. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil warnt wie auch Hannelore Kraft die Delegierten davor, die Erwartungen zu hoch zu hängen. „75 Prozent der Wähler haben uns nicht gewählt“, erinnert sie. Da könnten die Forderungen nicht eins zu eins umgesetzt werden.
Noch ist nichts entschieden, sind die Koalitionsverhandlungen nicht abgeschlossen. Am Ende entscheiden die Mitglieder. „Auf den Prozess der Mitgliederbefragung können wir stolz sein“, ist der Juso-Vorsitzende Vogt überzeugt. Bis dahin stehen weitere Koalitionsrunden an, über die Manuela Schwesig urteilt: „Koalitionsverhandlungen fangen mit K an, das heißt nicht kuscheln, sondern kämpfen.“
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.