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Tür-zu-Tür-Wahlkampf: Wenn plötzlich Martin Schulz klingelt

In zwei Wochen wählt Nordrhein-Westfalen. In der heißen Wahlkampfphase bekommt die NRW-SPD prominente Unterstützung: In Hamm beteiligte sich Parteichef und Kanzlerkandidat Martin Schulz am Tür-zu-Tür-Wahkampf – und stieß auf überraschte Gesichter.
von Kai Doering · 27. April 2017
 Martin Schulz und Landtagskandidat Marc Herter im Tür-zu-Tür-Wahlkampf in Hamm
Martin Schulz und Landtagskandidat Marc Herter im Tür-zu-Tür-Wahlkampf in Hamm

„Guten Tag. Mein Name ist Martin Schulz.“ Die Frau, die eben ihre Haustür geöffnet hat, guckt irritiert. „Guten Tag“, sagt sie. Der fragende Unterton ist nicht zu überhören. „Am 14. Mai ist Landtagswahl“, setzt Martin Schulz das Gespräch fort. „Das hier ist Marc Herter, Ihr Kandidat.“ Der dunkelhaarige Mann, der neben dem SPD-Chef vor der Tür steht, lächelt und streckt der immer noch verdutzten Frau einen Flyer entgegen. „Schönen Tag noch“, sagt Martin Schulz. Dann gehen die beiden weiter.

Wählerpotenzial im Neubaugebiet

Die „Brokbrede“ ist eine Straße im Neubaugebiet des Hammer Stadtteils Heessen. Einfamilienhäuser reihen sich aneinander, Klinker an der Fassade, Mittelklassewagen vor der Tür. Der SPD-„Mobilisierungsplaner“ zeigt hier viel Rot an. Das bedeutet, die Sozialdemokraten haben hier ein hohes Wählerpotenzial. Der Ortsverein Heessen hat deshalb zum Tür-zu-Tür-Wahlkampf eingeladen. Prominentester Mitstreiter ist Parteichef und Kanzlerkandidat Martin Schulz.

Vor dem nächsten Haus müssen er und Landtagskandidat Marc Herter etwas warten. Dann öffnet sich die Tür einen Spalt breit. „Hallo“, sagt ein Junge. „Meine Eltern sind nicht da.“ „Das macht nichts“, sagt Martin Schulz. „Du kannst ihnen ja erzählen, dass wir da gewesen sind.“ Als Schulz und Herter bei den Nachbarn klingeln, geht statt der Haustür eine Dachluke auf. Eine junge Frau und ein junger Mann strecken ihre Köpfe hinaus. „Wir sind etwas krank“, sagt der Mann. „Dann hoffe ich, Sie sind bis zum 14. Mai wieder gesund“, ruft Schulz. „Gute Besserung!“

Freundliche Reaktionen, sogar von den „Schwatten“

60 Haushalte besuchen Marc Herter und sein Team bei ihren Tür-zu-Tür-Aktionen im Wahlkampf pro Stunde. „Mein Ziel ist mindestens eine Aktion in einem der 26 Ratswahlkreise“, erzählt der Landtagsabgeordnete. Normalerweise ist er vier Stunden pro Tour unterwegs, klingelt also an 240 Haustüren. Die Reaktionen seien in den meisten Fällen freundlich, „selbst dann, wenn die Besuchten sich klar als Schwatte, also CDU-Wähler, zu erkennen geben“.

Herter setzt bereits in seinem dritten Landtagswahlkampf auf die Tür-zu-Tür-Aktionen – und das bewusst. „Ich habe extra wenig Plakate drucken lassen, weil mir die Gespräche mit den Menschen wichtiger sind, als sie von möglichst vielen Laternenmasten anzuschauen“, erzählt Herter. Sein Motto, das auf Aufstellern und sogar einem roten Kabinenroller prangt, lautet nicht von ungefähr: „ansprechbar“.

Inzwischen stehen Marc Herter und Martin Schulz vor der nächsten Haustür. Eine Frau öffnet und ruft sofort ihren Mann. Nachdem Schulz sich und Herter vorgestellt und an den Wahltermin erinnert hat, drückt ihm die Frau ein Glas Honig in die Hand – „aus unserer eigenen kleinen Imkerei“. „Nehmen Sie einen Löffel vor Ihrer nächsten Rede“, rät sie dem SPD-Chef. Der ist kurz überrascht, bedankt sich dann und lädt das Ehepaar ein. „Wir haben hier gleich ein kleines Fest. Ich würde mich freuen, wenn wir uns dort sehen.“

Selfies und Gespräche beim Stadtteilfest

Eine Viertelstunde später steht Schulz zwischen einer Schaukel und einem Klettergerüst – umringt von einer Menschenmenge. Das Ehepaar hält sich etwas abseits und beobachtet das Treiben. Die Heessener SPD hat zu einem Stadtteilfest auf einen Spielplatz eingeladen. „Martin Schulz im Quartier!“, steht auf den Plakaten, die die Genossen in den Straßen rundherum aufgehängt haben.

„Es soll hier keine großen Reden geben, sondern viele gute Gespräche“, sagt Marc Herter, der Landtagskandidat, zur Begrüßung. Dann übergibt er das Mikrofon an Martin Schulz, der von einigen Begegnungen der vergangenen Tage erzählt. „In den Gesprächen begegnet mir immer wieder das Gefühl der Menschen, die Politik würde sich nicht für sie interessieren.“ Dieses Gefühl sei gefährlich. „Ob Chirurg oder Busfahrer: Sie alle übernehmen Verantwortung und verdienen unseren Respekt und unsere Anerkennung.“ Mehr Respekt und mehr Gerechtigkeit in die Gesellschaft zu bringen, das sei das Ziel seines Wahlkampfes.

Fragen zur AfD und zu Erdoğan

Nach dieser kurzen Einleitung ist Zeit für Gespräche – was nicht ganz leicht ist, denn die Mengen um Schulz ist groß und die Wünsche an den Kandidaten sind vielfältig. Ein paar Jungen mit Baseball-Kappen wollen ein Selfie, eine Frau mit grauen Haaren ein Autogramm. Doch auch die, die Fragen haben, kommen nicht zu kurz. Warum er den Vorsitzenden der Kirchen nach dem AfD-Parteitag einen Brief geschrieben habe, will eine Frau wissen, eine andere, wie er als Bundeskanzler mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan umgehen werde. Damit auch die, die hinten stehen, etwas mitbekommen, reicht jemand Martin Schulz ein Mikrofon.

„Die Kirchen in Deutschland stehen für die aufgeklärte, respektvolle Gesellschaft“, sagt Schulz. Deshalb habe er es abscheulich gefunden, dass ein AfD-Funktionär die Parteimitlieder zum Kirchenaustritt aufgerufen habe, nur weil diese sich klar gegen Rechtspopulismus positioniert hätten. „Wenn Ihr Euch gegen diese Leute stellt, erweist Ihr der Demokratie einen Dienst“ – das habe er den Kirchenvertretern geschrieben. Und Erdoğan? Der müsse sich an demokratische Regeln halten, findet Schulz. Daran werde er gemessen.

Nach einer knappen Stunde muss Martin Schulz weiter. Seine Mitarbeiter bahnen ihm einen Weg durch die Menschenmasse, doch die Leute wollen ihn nicht so recht gehen lassen. Hier noch ein Selfie, da noch ein Autogramm, dann hat Schulz den Ausgang des Spielplatzes erreicht. Zum Abschied winkt er nochmal. Dann macht er sich auf dem Weg nach Werl.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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