Sie holte zwölf Goldmedaillen bei den Winter-Paralymics. Zweimal war sie Wahlfrau in der Bundesversammlung. Nun engagiert sich die blinde Skiläuferin Verena Bentele bei der SPD
Hat man als Spitzensportler Zeit, sich mit Politik zu beschäftigten?
Eindeutig Ja. Wenn es heißt, Politik aktiv zu verfolgen, sich über das alltägliche Geschehen zu informieren und vielleicht auch etwas nachzulesen, wenn man Dinge nicht versteht.
Und politisch aktiv sein, Politik machen, schafft man das auch?
Die klassische Parteiarbeit – das ist sehr, sehr viel schwieriger. Spitzensportler sind viel unterwegs. Deshalb habe ich mich nicht politisch engagiert. Ich hätte ständig sagen müssen: Bei der Sitzung bin ich nicht da. Die Aufgabe kann ich nicht übernehmen. Das wollte ich nicht. Aber jetzt, wo ich keinen Sport mehr treibe und mehr Zeit habe, engagiere ich mich mehr für die SPD.
Sind Sie mit Ihrem politischen Interesse bei ihren Sportlerkollegen eher eine Ausnahme?
In meiner Langlauf- und Biathlonnationalmannschaft waren einige sehr politisch interessiert. Nur weil jemand Sportprofi ist, muss er sich nicht ausschließlich für Sport interessieren. Sportler sind wie der Rest der Bevölkerung. Es gibt Leute, die sachlich diskutieren, welche, die nur schimpfen und welche, die alles verurteilen, was Politiker machen.
Wie sollten Sportler darauf reagieren, wenn politische Großereignisse in Ländern stattfinden, die Demokratie und Menschenrechte mit Füßen treten?
Die Problematik hier liegt vor allem darin, dass der Sportler so etwas kaum allein entscheiden kann. Politiker und Sportverbände sollten meiner Meinung nach vorsichtig sein beim Vergeben von sportlichen Großereignissen. Die Beurteilung, ob ein Start sinnvoll ist oder nicht, ist in vielen Fällen schwierig. Die Sportler können dann die Vergabe von Großereignissen beeinflussen, wenn viele Athleten sich zusammenschließen und politisch schwierigen Wettkampforten fern bleiben.
War Politik bei Ihnen zu Hause ein Thema?
Meine Eltern sind in keiner Partei. Aber bei uns zu Hause wurde mit mir und meinen beiden Brüdern viel über das aktuelle Zeitgeschehen, über Politik, über Geschichte geredet.
Ihre Eltern haben einen Biobauernhof. Danach müsste Ihre Sozialisation grün sein.
Zu Hause ist das eher eine rot-grüne Koalition. Meine Eltern sind offen für beide Parteien und haben uns Kinder dazu ermutigt, uns eine eigene Meinung zu bilden.
Welche Themen sind Ihnen wichtig?
Die, die ich aus meinem eigenen Leben und Umfeld mitbekommen habe oder von zu Hause. Das ist vor allem das Thema Bildung. Deshalb arbeite ich jetzt auch für die Stiftung Sport in der Schule in Baden-Württemberg. Da geht es um die Entwicklung des Schulsports und das Thema Inklusion. Ich interessiere mich für Sozialpolitik und Energiepolitik. Agrarpolitik verfolge ich wegen meiner Eltern. Finanzpolitik finde ich super spannend, aber da arbeite ich mich noch besser rein und erweitere täglich mein Wissen.
Sie wurden 2010 und 2012 von der SPD Baden-Württemberg als Wahlfrau für die Bundesversammlung nominiert. Hat Sie das überrascht?
2010 hat es mich überrascht, dass ausgerechnet ich angesprochen wurde. Ich war noch nie aktiv auf eine Partei zugegangen. Außerdem gibt es ja viele Sportler, die man hätte fragen können. Allerdings kommen zu den Sportempfängen, auch bei denen der Paralympics, immer viele Politiker, mit denen wir Sportler dann ins Gespräch kommen. Ich bin ein ziemlich offensiver Mensch. Wenn ich etwas denke, sage ich das auch.
Wie war es, den Bundespräsidenten wählen zu können?
Total spannend. Ich habe sofort ja gesagt, weil ich dachte: Diese Chance hast du einmal im Leben. Nutze sie. Und dann hatte ich auch noch das Glück, 2012 wieder dabei zu sein und mitzuhelfen, Herrn Gauck als Kandidaten zu wählen.
Hat man Sie gefragt, für welchen Kandidaten Sie stimmen werden?
Nein. Da kann ich nur Positives sagen. Keiner wird genötigt oder gedrängt. Die SPD wusste natürlich, dass ich politisch rot-grüne Positionen habe. Nachdem sie mich nominiert haben, habe ich von mir aus gleich gesagt: Ich find den Herrn Gauck gut, ich würde ihn wählen. Aber wenn der CDU-Kandidat deutlich sympathischer gewesen wäre, hätte mich keiner dazu verpflichten können, ihn nicht zu wählen.
Wie macht man das Kreuz an der richtigen Stelle, wenn man blind ist?
Ich habe das Recht zugesprochen bekommen, eine Begleitperson, in diesem Falle meine Cousine, mit in den Plenarsaal zu nehmen. Dort dürfen sich sonst nur die Wahlmänner und Wahlfrauen aufhalten. Meine Cousine hat mir gezeigt, wo der Name von Herrn Gauck steht und wo ich den Wahlzettel in die Urne werfen muss.
Was hat Sie dazu bewogen, beim Forum Sport der SPD mitzumachen?
Ich habe die Einladung bekommen mitzumachen, und ich denke, dass ich da mein Wissen sehr gut einbringen kann. In der Politik sind Leute, die etwas bewegen wollen, aber sie können selbstverständlich nicht in allen Bereichen Experten sein. Wenn beide sich ergänzen, bringt es die Sache voran.
Nennen Sie ein Beispiel!
Die Behindertenrechtskonvention der UN kennt jeder Politiker. Jeder Politiker weiß, dass es mehr Gemeinsamkeit zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen geben soll, aber viele wissen nicht, wie man es macht. Über die Ausgestaltung dieser Richtlinie machen wir uns beim Forum Sport z.B. Gedanken.
Sind Sie schon SPD-Mitglied?
Ja, im April habe ich meinen Antrag abgeschickt und jetzt im Mai bin ich es geworden. Über Politik reden und Politik machen sind zwei Paar Stiefel. Jetzt will ich mich mehr für die Themen engagieren, in denen ich mich auskenne.
Das klingt, als ob Sie vielleicht noch ein bisschen mehr machen wollen.
Ja vielleicht, mal gucken.