Parteileben

Tod von Heinrich Potthoff: Mann der nüchternen historischen Urteile

Er war überzeugt, dass die Auseinandersetzung mit der Geschichte Orientierung für Gegenwart und Zukunft geben kann. Viele Jahrzehnte wirkte der Historiker Heinrich Potthoff in der Historischen Kommission der SPD. Nun ist er verstorben.
von Bernd Faulenbach · 10. Januar 2022
Trauer um einen Sozialdemokraten: Der Historiker Heinrich Potthoff ist verstorben.
Trauer um einen Sozialdemokraten: Der Historiker Heinrich Potthoff ist verstorben.

Wenige Tage vor Weihnachten, einige Wochen vor seinem 84. Geburtstag ist Heinrich Potthoff, der profilierte Historiker und engagierte Sozialdemokrat (seit 1966) in Königswinter gestorben. Viele Menschen, nicht nur in der SPD und ihren Umfeldern, kennen die „Kleine Geschichte der SPD“, die er zusammen mit der legendären Susanne Miller verfasst hat. Vermutlich ist es das verbreitetste Buch zur Geschichte der Sozialdemokratie der letzten Jahrzehnte; es erzielte neun Auflagen.

Über viele Jahre der Arbeit der Historischen Kommission mitgetragen

Außer mit Arbeiten zur Geschichte der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung wurde Potthoff bekannt mit Werken zur Geschichte der deutsch-deutschen Beziehungen und der Deutschlandpolitik, in denen er in den 90er Jahren eine Fülle von unveröffentlichten Dokumenten als erster publizierte, diese interpretierte und wesentlich zur Versachlichung der Debatte über die verschiedenen Phasen der Ostpolitik beitrug. Heute ist die große Leistung der Neuen Ostpolitik der Jahre 1969 bis 1982 in Öffentlichkeit wie Fachkreisen weitgehend unbestritten und auch im Hinblick auf die Zeit 1982 bis 1989 haben sich differenzierte Urteile durchgesetzt; an beidem hat Heinrich Potthoff erheblichen Anteil.

Heinrich Potthoff hat über viele Jahre die Arbeit der Historischen Kommission beim Parteivorstand der SPD mitgetragen, von 1989 bis 2003 war er ihr stellvertretender Vorsitzender. Er war davon überzeugt, dass die Auseinandersetzung mit der neueren Geschichte in all ihren Facetten, nicht zuletzt mit der Geschichte der Sozialdemokratie, Orientierung für Gegenwart und Zukunft liefern könne.

Leistungen der deutschen Sozialdemokratie herausgearbeitet

Der in Hattingen an der Ruhr geborene Potthoff studierte in Münster und Bonn, wo er mit einer Arbeit über den österreichischen Außenminister Beust (in der Bismarckzeit) promovierte. Er arbeitete danach viele Jahre als Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Schwerpunkte seiner Arbeit waren der Erste Weltkrieg und die Revolution 1918/19, die Geschichte der Weimarer Republik, insbesondere die Geschichte der Freien Gewerkschaften, dann auch die Nachkriegszeit, u.a.  die Geschichte der SPD-Bundestagsfraktion. Heinrich Potthoff beteiligte sich an diversen Kontroversen, etwa über Herbert Wehner und Fragen der Deutschlandpolitik.

Er wirkte zunehmend als freier Publizist und engagierte sich in der Historischen Kommission, so bei den großen Forumsveranstaltungen in Bonn und Berlin über Themen wie die Zeit der sozial-liberalen Koalition, Sozialdemokraten und Kommunisten nach Nationalsozialismus und Krieg, die Tradition der sozialen Demokratie in Deutschland sowie „Die deutsche Sozialdemokratie und die Umwälzung 1989/90“.

Heinrich Potthoff, der Mann der nüchternen historischen Urteile und des offenen politischen Wortes, hat wie wenige andere Leistungen der deutschen Sozialdemokratie vor dem Hintergrund der Fehlentwicklungen deutscher Geschichte herausgearbeitet.       

Autor*in
Bernd Faulenbach

lehrt als Professor für Zeitgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Er war Vorsitzender der Historischen Kommission beim SPD-Parteivorstand.

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