In Syrien engagierte er sich gegen Assad, jetzt ist er SPD-Neumitglied
Samer Fahed
Es gibt ein Wort, das Menschen ins Gefängnis bringen kann. Dieses Wort ist mächtig, mitunter tödlich. Diktatoren fürchten es. So wie Samer Fahed den Begriff ausspricht, klingt er sehr weich und doch bestimmt. „Freiheit“, sagt er, „das ist das Wichtigste.“ Der Wunsch frei zu sein hat ihn veranlasst, in seiner Heimat Syrien politisch aktiv zu werden – bis es zu gefährlich wurde und er fliehen musste. Sie hat den 27-Jährige auch veranlasst, vor einem Monat in die Berliner SPD einzutreten.
Gefährliches Engagement
Das Interesse für Politik begleitet ihn seit seiner Geburt. „In meiner Familie wurde ständig über Politik gesprochen“, erinnert er sich an die Zeit in seiner Heimatstadt As-Suwaida, wo er mit drei Geschwistern aufwuchs. Allerdings lag er dabei mit seinem Vater oftmals über Kreuz – einem Anhänger von Diktator Baschar al-Assad und dessen allmächtiger Baath-Partei.
In der Hauptstadt Damaskus arbeitete Fahed als Buchhalter und wurde schließlich selbst gegen Assad aktiv. Er engagierte sich in einer Gruppe, die zum oppositionellen „Nationalen Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel“ gehörte. Gemeinsam organisierten sie politische Workshops für Jugendliche und nahmen an Demonstrationen teil. „Wir haben viel über Politik, Säkularismus und Demokratie gesprochen“, sagt Fahed, der sich selbst als Atheist bezeichnet. Das politische Engagement war nicht ungefährlich. „Viele meiner Freunde mussten ins Gefängnis.“ Er hingegen habe Glück gehabt.
Keine Rückkehr
Im Jahr 2014 ging er mit einem Stipendium in der Tasche nach Russland. Dort wurde ihm klar, dass eine Rückkehr nach Syrien ausgeschlossen war. „Wäre ich zurückgegangen, hätte ich Militärdienst leisten müssen“, ist er sich sicher. Was das in einem Land bedeutet, in dem seit Jahren ein grausamer Krieg tobt, lässt sich nur erahnen.
Außerdem lasse das Regime politische Gegner wie ihn zwar ausreisen, doch wer zurückkomme, drohe eingesperrt zu werden. Damit werde ein klares Ziel verfolgt: „Für die Außenwelt soll es so aussehen, dass Islamisten hinter der Revolution stehen, die von Assad bekämpft werden müssen.“
Der erste Kontakt
Vor dem Ende seines Russland-Stipendiums machte er sich allein auf nach Norwegen, überquerte die Grenze und gelangte anschließend nach Deutschland. In Berlin war er zunächst in Sporthallen untergebracht. Inzwischen teilt er sich mit einem anderen Syrer ein WG-Zimmer in Berlin-Weißensee. Das Ergebnis seines Asylantrags steht noch aus.
Den ersten Kontakt mit der deutschen Politik hatte der 27-Jährige bei einem Filmworkshop, den SPD-Parteimitglieder der 16. Abteilung im Kreis Berlin-Mitte mit Flüchtlingen veranstalteten. Im Gegensatz zu Syrien gebe es in Deutschland viele Parteien. „Die Menschen können sich entscheiden, welche Partei für sie besser ist.“ Im Juli entschied er sich deswegen, in die SPD einzutreten. „Ich bin politisch links und die SPD ist politisch links“, erklärt Samer Fahed. Nun möchte er sich einbringen und auch am Bundestagswahlkampf mitwirken.
Demokratie muss erfahren werden
Gegenwärtig hat das Erlernen der deutschen Sprache für ihn die höchste Priorität. In der Zukunft hofft er, Politikwissenschaft studieren zu können. Er wolle lernen, wie hierzulande die Demokratie funktioniere. Besonders interessiere ihn, wie die Parteien zusammenarbeiten. „In Syrien haben wir das Problem, dass die Menschen einander nicht zuhören. Sie kämpfen anstatt miteinander zu diskutieren.“
Wenn er eines Tages nach Syrien zurückgeht, möchte er sein in Deutschland erworbenes Wissen an seine Landsleute weitergeben. „Wir haben keine Erfahrung mit der Demokratie. Wir müssen diese Erfahrung erst noch machen.“ Wichtig ist Samer Fahed auch eine weitere demokratische Selbstverständlichkeit: „In Deutschland sind alle Menschen vor der Verfassung gleich. Ich hoffe, dass dies in Syrien eines Tages auch der Fall sein wird.“