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Stegner fordert: Gerechtigkeit muss Herzensthema der SPD sein

Auf dem Landesparteitag der SPD-Schleswig-Holstein am Samstag steht das Positionspapier „Mehr Gerechtigkeit wagen“ zur Abstimmung. Im Interview fordert Mit-Autor Ralf Stegner mehr Konsequenz von der SPD und erklärt die Einführung einer Bürgerversicherung zur Bedingung für künftige Regierungsbeteiligungen.
von Robert Kiesel · 22. April 2016
Ralf Stegner
Ralf Stegner

Herr Stegner, die Ungleichheit in Deutschland wächst, die Umfragewerte der SPD sinken. Hat die Partei beim Thema Gerechtigkeit ihren Kompass verloren?

Möglicherweise haben wir nicht immer alle genug darauf geachtet, dass wir hauptsächlich an Gerechtigkeitsfragen gemessen werden. Die müssen wir aber immer beachten. Und zwar nicht nur in den Reden, sondern im konkreten Tun. In den Alltagsfragen wie Arbeit, Familie, Rente, Gesundheit und letztlich auch Steuern müssen wir praktikable und gerechte Antworten geben, die auch bei den Leuten ankommen, die nicht jeden Tag drei Zeitungen lesen.

Wie erreicht die SPD diese Leute?

Indem wir zeigen, dass wir immer auf der Seite der Gerechtigkeit sind. Das was nicht in Ordnung ist, müssen Sozialdemokraten ändern wollen. Wenn ein Mensch sein Leben lang arbeitet und am Ende seinen Lebensstandard nicht halten kann, dann ist das nicht in Ordnung. Das zu ändern, in klarer Sprache und mit Leidenschaft und Haltung, ist Aufgabe der SPD als Volkspartei.

Der Schlüssel hin zu mehr Gerechtigkeit liegt also in guter Arbeit?

Ja. Unser Ziel muss Arbeit sein, von der man gut leben kann, die einen nicht krank macht und die eine gute Alterssicherung bedeutet. Das alles vor dem Verständnis, dass soziale Sicherheit immer nur über Solidarität geht. Ohne gute Arbeit geht da nichts. Jung für alt, gesund für krank, Menschen für Menschen. Das ist das Konzept, das wir auf allen Ebenen durchsetzen müssen. Das ist unser Herzens- und Leidenschaftsthema, nicht nur Verstandsthema.

Kritiker fordern, die SPD müsse die eigenen Werten wieder klarer vertreten, sich deutlicher von der Union abgrenzen. Wie kann das gelingen?

Es gibt zwei Beispiele, anhand derer wir uns klar als Alternative zur Union präsentieren. Das eine ist die Bürgerversicherung. Anders als die Union wollen wir die und sollten klar sagen: ‚Wir gehen in keine Regierung mehr rein, die das nicht umsetzt.’ Die zweite Thema ist die Beitragsfreiheit von der Krippe bis zum Studium. Das beschäftigt die ‚ganz normalen Leute’. Für die müssen wir praktische Politik machen. Das tut keine andere Partei außer der SPD.

Stichwort Gerechtigkeit und Demokratie: Wie gefährdet ist die Demokratie durch die steigende Ungerechtigkeit in Deutschland und Europa?

In Europa werden wir Wohlstand und Frieden nicht behalten, wenn in einigen Ländern mehr als die Hälfte der jungen Menschen keine Arbeit haben. Die werden sich abwenden von der Demokratie und anfällig sein für rechte Parteien, die für nichts eine Lösung aber für alles einen Sündenbock haben. Ebenso werden es diejenigen in Deutschland machen, die selbst existenzielle Ängste haben und sehen, wir andere ohne Konsequenzen Millionen an der Steuer vorbei zur Seite schaffen. Beides müssen wir ändern und dazu die Populisten hart angehen, nicht deren Wählen.

Hier geht's zum Positionspapier „Mehr Gerechtigkeit wagen“

Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

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