SPE: Mit diesem Programm ziehen Europas Sozialdemokraten in den Wahlkampf
Dirk Bleicker
Die Menschen jubeln, tanzen und klatschen zu dem modernen Cover des traditionellen italienischen Partisanenlieds „Bella Ciao“. Wäre die Stimmung im Madrider „Teatro Coliseum“ am Samstag der Gradmesser, hätten die europäischen Sozialdemokraten die Europawahlen, die vom 23. bis 26. Mai stattfinden, bereits gewonnen.
SPE-Manifesto: Ein neuer Sozialvertrag für Europa
Mehr als 1000 begeisterte Delegierte und SPE-Anhänger sind in das Musical-Theater am Rande der Plaza de Espagna in Madrid gekommen, um mit zahlreichen europäischen Spitzensozialdemokratinnen und -sozialdemokraten das Wahlprogramm der SPE zu verabschieden. Eine satte Mehrheit der Delegierten stimmt für das „Manifesto“. Mit einem „neuen Sozialvertrag für Europa“ wollen die Sozialdemokraten den Kontinent gerechter gestalten.
„Ich bin stolz, mit diesem Programm in den Wahlkampf zu ziehen“, sagt der gemeinsame Spitzenkandidat Frans Timmermans. Die gesamte SPE sei „stolz, optimistisch und selbstbewusst“, einen progressiven Wandel in Europa herbeizuführen. „Lasst unsere Kinder wieder träumen“, ruft Timmermans seinen Anhängern zu und erntete tosenden Applaus.
Der Niederländer hatte schon am Vortag deutlich gemacht, dass er einen klaren Anti-rechts-Wahlkampf führen wird: „Wir werden die Zukunft Europas schreiben und das Spiel nicht mitmachen, die Vergangenheit Europas zu beschwören“, betonte er, ohne auch nur ein einziges Mal die Parteien der extremen Rechten zu benennen. „Wir kämpfen um die Seele Europa“, sagt er auch am Samstag.
Nahles: Werden keine Mauern aus Hass zulassen
Dass der Wahlkampf kein einfacher wird und diese Wahlen Richtungswahlen für Europa sein werden, macht am Samstag auch SPE-Generalsekretär Achim Post deutlich: Ende Mai gehe es darum, ob wir künftig ein „isolierendes nationalistisches Europa“ haben, das „schwach“ ist oder ein „freies und starkes Europa unter der Führung von Frans Timmermans“. Welches Europa er selbst will, daran lässt Post keinen Zweifel und er verspricht: „Wir werden einen Wahlkampf abliefern wie noch niemals zuvor!“
Dass die europäische Sozialdemokratie dabei auf die SPD setzen kann, daran lässt deren Vorsitzende Andrea Nahles in Madrid keinen Zweifel. „Vor 30 Jahren ist die Mauer, die Deutschland Jahrzehnte teile, gefallen, weil die Menschen Europa vertraut haben“, sagt Nahles. Nun seien die Rechtspopulisten dabei, neue Mauern „aus Rassimus und Hass“ zu errichten. „Wir Sozialdemokraten werden nicht zulassen, dass neue Mauern gebaut werden“, verspricht Nahles unter dem Jubel der Kongress-Besucher.
Kampf gegen den Klimawandel und für Steuergerechtigkeit
Von einem „Kampf zwischen Hoffnung und Angst“ spricht Antonio Costa mit Blick auif die Europawahlen. „Es kann kein starkes Europa geben, wenn das Mittelmeer zu einem Friedhof wird“, betont der portugiesische Minsterpräsident. Und es könne kein „anständiges Europa“ geben, wenn in einigen Teilen Armut herrsche. In ihrem Wahlprogramm setzt sich die SPE deshalb dafür ein, Migration besser zu steuern und soziale Sicherheit für alle EU-Bürger zu garantieren.
„Die EU existiert für die Menschen und nicht für die Märkte“, betont so auch Schwedens Ministerpräsident Stefan Lövfen. „Wir werden die Macht nie den Extremisten überlassen, sondern ein solidarisches Europa bilden“, verspricht er. Dazu gehören für die SPE ein engagierter Kampf gegen den Klimawandel und für Steuergerechtigkeit sowie eine gerechte Ausgestaltung der Digitalisierung.
Aufbruchstimmung liegt in der Luft
„Um die Krisen unserer Zeit zu bewältigen und das Leben der Menschen in der Europäischen Union nachhaltig zu verbessern, müssen wir soziale, ökologische und wirtschaftliche Faktoren konsequent zusammendenken“, fordert in Madrid Udo Bullmann. „Wir wollen ein anderes Europa mit einem neuen sozialen Vertrag“, stellt der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament klar.
Der Kongress in Madrid, drei Monate vor den Europawahlen, könnte dafür der Anfang gewesen sein. Als die Ministerpräsidenten und Parteivorsitzenden am Ende auf der Bühne ihren Spitzenkandidaten Frans Timmermans und Spaniens Regierungschef Pedro Sanchez, der am 28. April noch eine Parlamentswahl zu bestreiten hat, umrahmen, liegt deutlich Aufbruchstimmung in der Luft im „Teatro Colliseum“.
Katarina Barley steht dabei in der ersten Reihe zwischen Timmermans und SPE-Chef Sergei Stanishev und wippt und klatscht im Takt des Abschlusslieds. Für die deutsche Spitzenkandidatin ist es der erste Auftritt auf der SPE-Bühne. Sie scheint ihn zu genießen. Der Wahlkampf kann also beginnen – in Deutschland und in Europa.
Dirk Bleicker
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.