#SPDerneuern: Warum die SPD mehr Mitgliederentscheide braucht
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Menschen engagieren sich in Parteien, weil sie etwas bewegen wollen. Sie wollen nicht vor Wände laufen. Wie also schaffen wir es, alle Mitglieder einzubinden, ohne dass sie sich zunächst monatelang mit Parteistrukturen und althergebrachten Wegen der Entscheidungsfindung befassen müssen?
Lust auf mehr Debatte
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis hat an dieser Stelle vor kurzem eine „radikale Demokratisierung“ der SPD gefordert. Sie wünscht sich eine Partei, die zahlreiche Beteiligungsmöglichkeiten bietet, die „Bottom-Up“ agiert, also von unten nach oben. Sie ist bei weitem nicht die einzige: Auch auf den Regionalkonferenzen der vergangenen Wochen haben zahlreiche Mitglieder ihren Wunsch nach mehr Beteiligung geäußert.
Der Leitantrag des SPD-Vorstands für den Bundesparteitag am Wochenende bietet bereits gute Vorschläge. Wir wollen offener, inklusiver und vielfältiger werden; weniger autoritär, dafür diskursiver und empathischer. Die „sozialdemokratische Lust an der Debatte“ soll wiedergefunden werden, heißt es. Dazu soll der „Kompass 2018“-Prozess gestartet werden: In Foren zu verschiedenen Themen, von Europa bis Migration, sollen Fragen des Parteiprogramms grundlegend neu diskutiert werden – nicht nur parteiintern, sondern offen für alle Bürgerinnen und Bürger. Die Ergebnisse sollen dann in ein neues Grundsatzprogramm münden.
Beteiligung der Basis: Es gibt viel zu tun
Notwendig ist jedoch, ein solches Format auch auf die innerparteiliche organisatorische Erneuerung zu übertragen. Ideen gibt es viele, Diskussionsbedarf sowieso. Dies alles gilt es sinnvoll zu bündeln. Und das nicht im stillen Kämmerlein. Eine Organisationsreform muss vor allem diejenigen aktiv mit einbeziehen, die es betrifft: die breite Mitgliederbasis.
Es gibt viel zu tun, und auch der Leitantrag benennt die Aufgaben klar. Zum Beispiel: Wie können die Regelungen für Mitgliederbegehren und Mitgliederentscheide vereinfacht werden? Wie kann die Repräsentanz von Mandats- und Funktionsträgern an die Alters- und Berufswirklichkeiten der Gesellschaft angepasst werden? Wie können wir gleichberechtigte Teilhabe für alle, insbesondere für Frauen, Menschen mit Behinderungen oder Menschen mit Migrationshintergrund sicherstellen? Wie können wir digitale Kommunikationsformen, wie Online-Foren oder „SPD-Apps“, sinnvoll einsetzen – ergänzend zu der Arbeit in den Ortsverbänden?
Keine Mitgliederentscheide von oben
Antworten auf diese Fragen könnten in Form eines mehrtägigen Partei-Workshops gefunden werden – sozusagen ein „innerparteilicher Demokratie-Konvent“, in dem verschiedene Arbeitsgruppen konkrete Vorschläge für die organisatorische Erneuerung erarbeiten. Wichtig ist, diesen Konvent so offen wie möglich anzulegen, alle interessierten Mitglieder sollten die Möglichkeit bekommen, daran teilzunehmen – auch zum Beispiel durch Erstattung von Fahrt- und Hotelkosten. Die Ergebnisse dieses Konvents sollten der Basis per verbindlichem Mitgliederentscheid zum Beschluss vorgelegt werden – mündend in eine Anpassung des Organisationsstatus, wo es notwendig ist.
Apropos Mitgliederentscheid: Dies ist sicher eines der ersten Instrumente, dessen Regelungen wir so schnell wie möglich verändern müssen. Mitgliederentscheide sollten leichter zugänglich sein und vor allem nicht „von oben“ verordnet werden. Dafür müssen die Hürden gesenkt werden: Längere Fristen für die Unterschriftensammlung, eine Absenkung der benötigten Stimmenanzahl aber auch eine Öffnung der Abstimmungsmöglichkeiten über das Internet würde mehr Mitgliedern die Möglichkeit bieten, sich einzubringen.
Keine Abnickveranstaltungen
Im Netz sollte die Partei zukünftig auch Plattformen anbieten, in denen sowohl Pro- als auch die Contra-Argumente zu jedem strittigen Thema genügend Raum finden. Und: Es muss immer ergebnisoffen diskutiert werden. Dies gilt insbesondere bei vom Vorstand eingeleiteten Mitgliederentscheiden, wie er jetzt zum Thema große Koalition angekündigt wurde. Ein Mitgliederentscheid darf keine „Abnickveranstaltung“ sein.
Nur wenn wir die Organisationsfrage radikal offen behandeln, machen wir uns langfristig zukunftsfähig und attraktiv für politisch aktive und bewegte Menschen.
ist im Februar 2017 in die SPD eingetreten. Sie ist ehrenamtliche Vorstandssprecherin des Landesverbands von „Mehr Demokratie Berlin-Brandenburg“.