Parteileben

SPD will digitalen Wandel gestalten

Auf dem SPD-Parteikonvent am Samstag in Berlin hat die SPD die Debatte über das Parteiprogramm für eine digitale Gesellschaft eröffnet. Große Unterstützung erhielt außerdem der TTIP-Kurs von SPD-Chef und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel.
von Marisa Strobel · 26. September 2014
SPD-Chef Sigmar Gabriel
SPD-Chef Sigmar Gabriel

„Wir müssen und dürfen die Digitalisierung nicht dem Markt überlassen“, warnte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel auf dem Parteikonvent in seiner Auftaktrede zur Kampagne „#DigitalLEBEN“. Die fortschreitende Digitalisierung der Lebensbereiche verglich Gabriel dabei mit der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts und folgerte daraus die zentrale Aufgabe der SPD: „So, wie wir damals den Manchester-Kapitalismus für die Menschen gebändigt haben, ohne die Industrialisierung zu verteufeln, müssen wir heute den Silicon-Valley-Kapitalismus zähmen.“ Gleichzeitig warnte Gabriel davor, eine „Angst-Debatte“ zu führen. Dort, wo die Digitalisierung zu einer Verbesserung des Lebens führe, „müssen wir die Chancen auch nutzen“, appellierte Gabriel in seiner Rede.

Daten-Giganten Grenzen setzen

Um die Chancen einer weltweit vernetzten Gesellschaft entfalten zu können, müssten Freiheit, Gleichheit, Demokratie und Gerechtigkeit neu verteidigt werden, so Gabriel weiter, und kündigte Daten-Giganten wie Google, Apple und Co. den Kampf an: „Unser Ziel muss sein, Datensicherheit zum Standortfaktor zu machen und Monopolisten kartellrechtlich in die Schranken zu weisen.“ Gabriel forderte außerdem: „Auch steuerrechtlich müssen den Daten-Giganten endlich Grenzen gesetzt werden!“

In den kommenden 15 Monaten will die SPD unter dem Schlagwort #DigitalLEBEN mit Vertretern der Zivilgesellschaft, Verbänden, Experten und Wissenschaftlern die Folgen und Chancen der Digitalisierung diskutieren. Auch Bürgerinnen und Bürger sind aufgefordert, sich auf der Webseite digitalleben.spd.de und mittels Dialogkarten an der Debatte zu beteiligen, die in einem Programm für die digitale Gesellschaft münden soll. Als Grundlage dient ein Diskussionspapier, an dem unter anderem auch der SPD-Fraktionssprecher der Arbeitsgruppe Digitale Agenda, Lars Klingbeil, und die Internetbotschafterin Gesche Joost mitgearbeitet haben.

Zentrale Themen sind neben einer neuen Wirtschaftsordnung die Schaffung von Rahmenbedingungen für eine digitale Arbeitswelt, der Umgang mit Big Data und den Persönlichkeitsrechten sowie gesellschaftliche Teilhabe. Vor allem Gabriels Vorschlag, Programmiersprache als Schulfach einzuführen, erhielt auf dem Parteikonvent große Zustimmung.

Auf die Notwendigkeit, „wirkliches Breitband" auszubauen, also den Glasfaserausbau flächendeckend voranzutreiben, wies Internetexperte und D64-Vorsitzender Nico Lumma in einer anschließenden Rede hin: „Breitband bedeutet Teilhabe!", betonte Lumma und forderte zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den Herausforderungen des digitalen Wandels auf: „Wenn wir jetzt nicht den Schalter umlegen und beherzt versuchen, unsere Partei mit auf den Weg zu nehmen, dann wird die Digitalisierung der Gesellschaft ohne uns stattfinden."

„Überwältigende Unterstützung“ für Steinmeier

Dem Debattenauftakt zum digitalen Leben war eine länger währende Diskussion um die sozialdemokratische Außenpolitik vorangegangen. Nach einer intensiven Debatte – der nächste Programmpunkt verzögerte sich um eine Stunde – zeigten sich die 200 Delegierten des SPD-Parteikonvents einig.

Der Kurs von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier habe eine „überwältigende Unterstützung“ erhalten, wie Sigmar Gabriel in der anschließenden Pressekonferenz berichtete, sowohl was den Versuch angehe, im Konflikt Russland-Ukraine mit einer Mischung aus Sanktionen und Verhandlungen zu einem besseren Ergebnis zu kommen als auch die „schwierige Entscheidung“, die Peschmerga im Nord-Irak zur Abwehr der IS mit Waffenlieferungen zu unterstützen. „Das war eine wichtige Diskussion, bei der es schon entscheidend ist, dass hinter so schwierigen Entscheidungen nicht nur die Bundesregierung steht, sondern in diesem Fall eben auch die Partei der Sozialdemokratie“, so Gabriel. Unabhängig von diesen akuten Notsituationen formuliert die SPD in ihrem Beschluss Abrüstung und Rüstungskontrolle als langfristiges Ziel.

Parteikonvent stimmt für Gabriels TTIP-Kurs

Auch die Fortsetzung der Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen EU und den USA hat die SPD auf ihrem Parteikonvent beschlossen. Von den 200 Delegierten stimmten lediglich sieben mit Nein, drei enthielten sich. Grundlage des Beschlusses ist das Positionspapier des Bundeswirtschaftsministeriums und des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). In dem Papier werden Schiedsgerichte, bei denen Konzerne Staaten verklagen können, ebenso abgelehnt wie Schutzklauseln. Auch Arbeitnehmerrechte, Verbraucherschutz-, Sozial- und Umweltstandards dürfen nicht gefährdet werden.

Die „TTIP-Leitplanken“ sollen auch für das bereits ausgehandelte Freihandelsabkommen zwischen EU und Kanada (CETA) gelten. Da hier aber die Option von Sonderschiedsgerichten existiert, müsse CETA nun noch einmal überprüft werden. Mit einer Ratifizierung des Abkommen rechnet Gabriel deshalb nicht mehr in diesem Jahr.

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Marisa Strobel

ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2013 hat sie beim vorwärts volontiert.

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