SPD-Wahlkampfauftakt in Bochum: Scholz‘ emotionaler Auftritt
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Es ist 12:18 Uhr, als Olaf Scholz die Bühne auf dem Bochumer Doktor-Ruer-Platz betritt. Der SPD-Kanzlerkandidat wirkt entspannt. Das kann er auch. Denn pünktlich zum Start in die heiße Wahlkampfphase, die die Sozialdemokrat*innen an diesem Samstag einläuten, klettern die Zustimmungswerte der Partei in Umfragen deutlich. Im ZDF-Politbarometer kommt die SPD in dieser Woche auf 19 Prozent, ein Plus von drei Prozent und der beste Wert seit fast drei Jahren.
Scholz: Steuersenkungen für Reiche unmoralisch
Kein Wunder also, dass mehr als tausend Anhänger*innen Scholz mit großem Applaus begrüßen. „Es ist schön, uns alle versammelt zu sehen“, sagt er. Das Interesse an ihm, dem SPD-Kanzlerkandidaten ist groß, weswegen Generalsekretär Lars Klingbeil immer wieder darauf hinweist, Abstand zu halten und Masken zu tragen. Dass in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes überhaupt wieder Großveranstaltungen möglich sind, ist für Scholz ein Zeichen, dass es aufwärts gehe, nachdem nun 52 Millionen Menschen in Deutschland gegen Covid-19 geimpft seien. „Weil wir zusammengehalten haben“, sagt er.
Auch der finanzielle Aufwand war groß, um die Folgen der Corona-Pandemie abzumildern. 400 Milliarden Euro, rechnet der Finanzminister vor. Umso deutlicher erteilt er Forderungen nach Steuersenkungen für Reiche eine Absage: „Das ist nicht nur unfinanzierbar, sondern auch unsolidarisch und unmoralisch.“
Walter-Borjans und Esken mit Kritik an Laschet
Solidarität, Respekt, Zusammenhalt – das sind die großen Themen in Scholz‘ Rede. Die Unwetterkatastrophe, die große Schäden in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz anrichtete, habe gezeigt, wie groß die Gewalt der Natur sei. Der gemeinschaftlich organisierte Wiederaufbau sei aber auch ein Zeichen für die Kraft der Solidarität. Scholz macht Mut: „Wir können die Zukunft gestalten. Wir müssen uns vor ihr nicht fürchten. Denn wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben einen klaren Plan.“
Es gebe große Herausforderungen in den kommenden Jahren zu bewältigen, sagt er. Da helfe es nicht, sich durchzulavieren. Ein kleiner Seitenhieb auf Armin Laschet? An ihm üben die SPD-Parteivorsitzenden zuvor deutlich Kritik. „Was wir überhaupt nicht brauchen, ist einer, der wankelmütig ist. Die erste Geige dieser Republik spielt man nicht auf einer Larifari“, sagt Norbert Walter-Borjans. Auch Saskia Esken wird deutlich: „Die Menschen müssen wissen, dass Armin Laschet keinen Plan für dieses Land hat. Lasst uns die Union in die Opposition schicken!“
Mindestlohnerhöhung im ersten Jahr als Kanzler
Scholz geht hingegen kaum auf seine Kontrahent*innen ein. Es sei eine schöne Botschaft, „dass es besser wird mit den Umfragen. Viele Menschen haben das Gefühl, es gibt eine Partei, die die Probleme anpackt“. Dass er die Probleme im Land anpacken will, macht er deutlich. Er will das Kindergeld neu organisieren, damit Armut von Kindern in diesem Land verschwinde. „Das muss nicht sein“, sagt der Kanzlerkandidat treffend. Es brauche stabile Renten, gerade mit Blick auf die junge Generation. Und er will dafür sorgen, dass pro Jahr mindestens 400.000 neue Wohnungen in Deutschland gebaut werden. „Das ist kein Hexenwerk. Man muss es nur anpacken“, sagt Scholz.
Besonders wichtig ist ihm auch, dass die Gesellschaft nicht weiter auseinanderfalle. „Niemand soll und darf sich als was Besseres fühlen“, mahnt er. Gesellschaftliche Anerkennung müsse sich aber auch bei der Bezahlung widerspiegeln. Deswegen verspricht er, schon im ersten Jahr seiner Kanzlerschaft den Mindestlohn auf 12 Euro zu erhöhen. Dies würde für zehn Millionen Menschen in Deutschland eine Gehaltserhöhung bedeuten.
Scholz: Union kostet Wohlstand und Arbeitsplätze
Grundsätzlich wolle er alles dafür tun, „dass wir in 10, 20, 30 Jahren noch gute Arbeitsplätze haben“. Dafür sei es jetzt notwendig, die richtigen wirtschaftspolitischen Weichen zu stellen. „Das ist die große Zukunftsaufgabe. Das wollen und das werden wir packen“, sagt Scholz. Dann wird er deutlich. Er nennt es peinlich und unverantwortlich „für die Zukunft unseres Landes“, dass die Union und allen voran Wirtschaftsminister Peter Altmaier lange Zeit so getan habe, als gebe es keinen erhöhten Strombedarf in den kommenden Jahren. Es ist der emotionalste Moment in Scholz‘ Rede: „Es ist so lächerlich, aber es ist so gefährlich. Eine weitere von der CDU/CSU geführte Regierung kostet Wohlstand und Arbeitsplätze. Das darf nicht sein!“
Scholz ruft seinen Zuhörer*innen selbstbewusst zu: „Die verstehen nichts von Wirtschaft, wir aber schon!“ Der SPD-Kanzlerkandidat glaubt an einen Wahlerfolg und er glaubt vor allem daran, dass seine Partei die richtigen Antworten auf die drängendsten politischen Fragen hat. Das wird mit jeder Minute deutlicher. „Wir packen die Zukunft an. Mit uns wird sie gelingen“, sagt er und ruft die SPD dazu auf, in den verbleibenden sechs Wochen des Wahlkampfes noch einmal alles zu geben: „Ich bin ganz berührt von den Umfragen. Wir wollen den Moment nutzen, um mehr daraus zu machen. Lasst uns gemeinsam dafür arbeiten, dass Deutschland seine Zukunft anpackt. Die SPD steht dafür bereit!“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo