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SPD-Wahlkampfabschluss in Köln: Ein historischer Aufbruch mit Scholz

So gut gefüllt ist der Heumarkt in Köln sonst wohl nur an Karneval. Beim Wahlkampfabschluss der SPD herrscht Volksfeststimmung. Kanzlerkandidat Olaf Scholz begeistert mehr als 2.000 Menschen und wirbt für einen historischen Aufbruch.
von Jonas Jordan · 24. September 2021
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sorgt beim Wahlkampfabschluss in Köln für gute Stimmung.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sorgt beim Wahlkampfabschluss in Köln für gute Stimmung.

Exakt 41 Tage ist es her, dass die SPD Mitte August in Bochum in die heiße Phase des Bundestagswahlkampfes gestartet ist. Seitdem sind 400.000 SPD-Mitglieder quasi pausenlos unterwegs gewesen, haben bundesweit an mehr als drei Millionen Haustüren geklingelt und die Stimmung im Land gedreht. Zwei Tage vor der Wahl liegen die Sozialdemokrat*innen in allen Meinungsumfragen vorne. Die Menschen in Deutschland wünschen sich Olaf Scholz als nächsten Bundeskanzler.

Es ist etwa zehn Minuten nach 16 Uhr, als der Mann der Stunde die Bühne auf dem Kölner Heumarkt betritt. Dass die SPD für Auftakt und Abschluss ihrer Wahlkampftour nach Nordrhein-Westfalen, in die „Herzkammer der Sozialdemokratie“ gekommen ist, ist kein Zufall.

Hier, in Blickweite des Doms, feiern mehr als 2.000 Menschen Scholz, noch bevor er ein Wort gesagt hat. Lässig steht er im weißen Hemd auf der Bühne, winkt in die Menge. Vor ihm sitzt die gesamte sozialdemokratische Parteiprominenz, die Parteivorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken, Generalsekretär Lars Klingbeil, der Fraktionsvorsitzende und Kölner Bundestagsabgeordnete Rolf Mützenich. Auch die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo ist zur Unterstützung extra angereist. Dahinter blickt der SPD-Kanzlerkandidat in ein Meer aus SPD-Fahnen und Schildern mit der Aufschrift „Wer Scholz will, wählt SPD“. Eine benachbarte Kneipe trägt den Namen „Heimat Kölner Helden“.

Scholz betont den Zusammenhalt

Kölner ist Hanseat Scholz gewiss nicht. Für Stimmung sorgt er trotzdem. Selten ist der Finanzminister so gut gelaunt aufgetreten. „Schön, dass Sie alle da sind“, ruft er und kommt dann gleich zur in den vergangenen eineinhalb Jahren politisch wie gesellschaftlich dominierenden Pandemie. „Corona ist noch nicht vorbei. Ich sehe Karl Lauterbach“, sagt Scholz mit Blick auf den Kölner Bundestagsabgeordneten, der ebenfalls direkt vor der Bühne Platz genommen hat, und macht schmunzelnd eine Kunstpause. Natürlich wirft Scholz direkt ein: „Er ist nicht schuld an Corona. Er warnt nur immer davor, aber es ist vieles besser geworden.“ Da bereits mehr als 50 Millionen Menschen in Deutschland geimpft sind, werde es keinen neuen Lockdown und weiterhin Präsenzunterricht in den Schulen geben, verspricht er.

Maßgeblich dafür, dass Deutschland so gut durch die Pandemie gekommen sei, sind aus Sicht des Finanzministers zum einen die enormen finanziellen Anstrengungen in Höhe von 400 Milliarden Euro, vor allem aber der gesamtgesellschaftliche Zusammenhalt. Zusammenhalt und Solidarität haben viele Menschen auch Mitte Juli gezeigt, als die Flutkatastrophe in Teilen von Nordrhein-Westfalen für schwere Schäden sorgte. Betroffene Gebiete wie Euskirchen, Erftstadt oder Bad Münstereifel liegen nur unweit von Köln entfernt. „Wir werden das wieder aufbauen, was zerstört worden ist. Das machen wir zusammen als ganzes Land. Denn wir halten zusammen“, sagt Scholz.

„Die jungen Leute haben Recht“

Das schwere Unwetter war eine Auswirkung des menschengemachten Klimawandels, den Scholz eine „schlimme Katastrophe“ nennt. Es ist gewiss kein Zufall, dass die großen bundesweiten Demonstrationen für mehr Klimaschutz und der SPD-Wahlkampfabschluss auf den selben Tag fallen. In Köln ziehen die Demonstrant*innen von Fridays for Future gleich von drei Standorten in Richtung Heumarkt. Scholz spricht sie direkt an: „Die jungen Leute haben Recht, die heute sagen, es muss etwas getan werden. Und wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden es tun.“

Anfang des Jahrtausends war es die rot-grüne Bundesregierung unter Führung des bislang letzten SPD-Bundeskanzlers Gerhard Schröder, die für den Atomausstieg und das Erneuerbare-Energien-Gesetz sorgte, führt Scholz aus. Er betont zudem, dass die SPD in der aktuellen großen Koalition den durchgekämpft habe, aus der Kohle auszusteigen. Künftig will er als sozialdemokratischer Bundeskanzler dafür sorgen, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral wird. Das sei die größte industrielle Modernisierung seit weit über 100 Jahren, sagt Scholz und fügt an: „Das geht. Denn die Stahlindustrie weiß, wie sie es machen muss.“ Davon überzeugte sich der SPD-Kanzlerkandidat am Tag zuvor bei einem Werksbesuch von Thyssenkrupp in Duisburg.

Der Union nicht die Zukunft des Landes anvertrauen

Gleiches gelte für andere energieintensive Industriezweige. Ihre einhellige Forderung sei: „Damit das funktioniert, müsst ihr dafür sorgen, dass wir genug Strom haben“, referiert Scholz. Er kündigt an: „Genau das werden wir im ersten Jahr der neuen Regierung auf den Weg bringen.“ Er kritisiert die CDU/CSU, die bis Mitte des Jahres geleugnet habe, dass es durch die wirtschaftliche Transformation einen höheren Energiebedarf geben. Scholz folgert: „Diesen Leuten darf man nicht die Zukunft des Landes und auch nicht die Regierung anvertrauren.“ Er hingegen verspricht nicht nur die erfolgreiche wirtschaftliche Transformation des Landes, sondern auch 300 Euro weniger Stromkosten im Jahr für Familien durch die geplante Abschaffung der EEG-Umlage.

Zum Schluss wird Scholz noch einmal grundsätzlich: „Die Weichen werden jetzt gestellt. Wenn das nicht gelingt, kann es sein, dass es in vier, acht oder zwölf Jahren zu spät ist, dass wir dann nicht mehr auf die richtige Strecke kommen.“ Er sei sehr berührt über den großen Zuspruch, sagt er und verrät noch einen Tipp: „Wer will, dass ich der nächste Bundeskanzler werde, muss auch seine beiden Kreuze bei der SPD machen.“ Was folgt, ist großer Applaus, „Olaf, Olaf!“-Rufe und eine Menge von Menschen, die ein Bild machen wollen mit dem Mann, der nach Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder der vierte sozialdemokratische Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik werden könnte.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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