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SPD-Vorsitz: Wie funktioniert die Urwahl eines Parteichefs?

Die SPD diskutiert über eine Urwahl des Parteivorsitzenden. Super Idee, sagen die einen. Rechtlich gar nicht möglich, halten andere dagegen. Die Partei will die Sache prüfen.
von Paul Starzmann · 12. Februar 2018
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In der SPD ist die Diskussion um das Thema „Urwahl“ entbrannt: Seit einigen Tagen debattieren die Sozialdemokraten über die Möglichkeiten, ihren Parteivorsitz direkt von der Basis bestimmen zu lassen.

SPD will Basis besser einbinden

Der Grund für die Debatte ist die Entscheidung des Noch-Vorsitzenden Martin Schulz, sich von seinem Amt als SPD-Chef zurückzuziehen. Als Nachfolgerin hat er in der vergangenen Woche Andrea Nahles vorgeschlagen, die Chefin der SPD-Bundestagsfraktion. Am Dienstagnachmittag wird der Parteivorstand im Berliner Willy-Brandt-Haus zusammenkommen, um über die Sache zu beraten. Nahles könnte dann bereits zur „kommissarischen Vorsitzenden“ ernannt werden. Um das Amt längerfristig zu übernehmen, müsste sie von einem Parteitag bestätigt werden.

Im Zuge dieser Entwicklungen diskutieren die Genossen wieder einmal über die Urwahl des Parteivorsitzes. Unumstritten ist in der SPD, dass die Basis in Zukunft mehr in die Entscheidungen der Parteispitze eingebunden werden soll. Ob die Urwahl dafür der richtige Weg ist, da gehen die Meinungen jedoch auseinander.

Stegner: Urwahl rechtlich nicht zulässig

Die geschäftsführende SPD-Arbeits- und Familienministerin Katarina Barley sagte am Wochenende der „Rheinischen Post“: „Der Urwahl-Idee kann ich grundsätzlich etwas abgewinnen und bin dafür offen, denn die direkte Beteiligung der Mitglieder schafft Vertrauen“. Welchen Weg die SPD dafür aber künftig wähle, sei jetzt nicht „die entscheidende Frage“.

 „Das ist etwas, was im Augenblick das Parteiengesetz gar nicht zulässt“, betonte auch Partei-Vize Ralf Stegner im Radiosender NDR Info. In der Tat sieht der Gesetzestext eine Urwahl nicht vor. „Der Parteitag wählt den Vorsitzenden“, heißt es stattdessen. Die Wahl des Parteichefs ist also juristisch gesehen den Delegierten vorbehalten.

SPD-Statut: Urwahl nur in der K-Frage

Im Organisationsstatut der SPD ist eine Urwahl des Parteichefs ebenfalls nicht vorgesehen. Nur bei der Bestimmung des Kanzlerkandidaten kann die Basis unmittelbar an Personalentscheidungen auf höchster Ebene mitentscheiden. Ansonsten sehen die Parteiregeln Mitgliedbefragungen nur für Sachfragen vor: „Ein Mitgliederentscheid kann den Beschluss eines Organs ändern, aufheben oder einen solchen Beschluss anstelle eines Organs fassen.“ Wollen die Sozialdemokraten ihren Parteichef oder ihre Parteichefin per Urwahl bestimmen, müsste also nicht nur das Parteiengesetz, sondern auch das Statut der SPD geändert werden.

SPD-Vize Torsten Schäfer-Gümbel sieht ein weiteres Problem einer möglichen Urwahl der Parteivorsitzenden: die „verschiedenen Legitimationen in der SPD-Führung“. Soll heißen: bei Einführung der Urwahl wären die Mitglieder des Parteivorstands mit unterschiedlichen Stimmen ausgestattet. Der oder die Vorsitzende wäre basisdemokratisch gewählt, die Stellvertreter und anderen Vorstandsmitglieder lediglich mit Stimmen der Parteitagsdelegierten – eine ungleiche Zusammensetzung des Vorstands. Deshalb forderte Schäfer-Gümbel in der „Saarbrücker Zeitung“: „Entweder man wählt alle per Urwahl oder alle auf dem Parteitag.“

#SPDerneuern: Urwahl nicht ausgeschlossen

„Aber wir müssen im Erneuerungsprozess auch diskutieren, wie wir die Mitglieder mehr und transparent beteiligen können“, ergänzte der Parteivize. Auf dem Bundesparteitag im vergangenen Dezember in Berlin hatte sich die SPD bereits grundsätzlich offen für die Urwahl-Idee gezeigt. „Die Anforderungen an die Durchführung von Mitgliederbegehren werden wir überprüfen,“ heißt es in dem Beschluss des Parteitags. „Darüber hinaus werden wir die Beteiligung der Mitglieder bei Personalentscheidungen auf Bundesebene ermöglichen.“

In der jüngeren Geschichte der SPD hat es schon einmal eine Art Urwahl des Parteivorsitzenden gegeben. Im Juni 1993 setzte sich Rudolf Scharping mit einer relativen Mehrheit von 40,3 Prozent der Stimmen gegen Gerhard Schröder (33,2 Prozent) und Heidemarie Wieczorek-Zeul (26,5 Prozent) durch. Die Abstimmung war eine rechtlich unverbindliche Empfehlung der Basis an die Delegierten des darauffolgenden Sonderparteitags. Die wählten Scharping dann offiziell zum Vorsitzenden. Der Pfälzer blieb gut zwei Jahre lang SPD-Chef.

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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