SPD-Vorsitz: Was die Kandidaten in den ersten 100 Tagen erreichen wollen
Am Ende fliegen große weiße Luftballons von der Bühne ins Publikum. Oben stehen die Teams, die sich für den SPD-Vorsitz bewerben, unten mehr als 1000 Genossinnen und Genossen. Zweieinhalb Stunden haben sie den Kandidierenden zugehört, welche Ideen sie für die SPD haben. Wegen des großen Interesses musste der Veranstaltungsort gewechselt werden. In der urigen Festhalle des Münchner Löwenbräu-Kellers finden die Zuhörer bequem Platz.
Lauterbach: Ohne Wenn und Aber die GroKo verlassen
Die bayerische Landeshauptstadt ist die letzte von insgesamt 23 Stationen der Vorstellungstour für den SPD-Vorsitz. Am 4. September ging es in Saarbrücken los. Fünf Wochen tourten die Kandidierenden durchs Land. Mitgliedervotum und die Wahl auf dem Parteitag Anfang Dezember sind nun deutlich näher gerückt. „Was wollt ihr in den ersten 100 Tagen im Amt erreicht haben?“, will deshalb Moderator Klaus Tovar von den Teams wissen, nachdem sie sich dem Publikum in ausgeloster Reihenfolge vorgestellt haben.
„Nach 100 Tagen im Amt werden wir zuverlässig, fair und ohne Wenn und Aber die große Koalition beendet haben“, antwortet Karl Lauterbach und seine Co-Kandidatin Nina Scheer ergänzt: „Wir werden ein Klimaprogramm vorlegen, das auch wirklich Klimaschutz bedeutet.“ „Wir werden den neoliberalen Weg verlassen und begonnen haben, den digitalen Wandel mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu gestalten“, sagt Saskia Esken für sich und Norbert Walter-Borjans.
Schwan: Alle Kandidaten zum Essen einladen
„In 100 Tagen wird die SPD nicht zu der Stärke kommen, die wir wollen“, sagt Olaf Scholz. Er und Klara Geywitz wollten aber in diesem Zeitraum dafür sorgen, dass es künftig regelmäßig Veranstaltungen wie die der #unsereSPD-Tour gibt. „Die Mitgliederbeteiligung muss zum Dauermodell der SPD werden“, sagt Scholz. Außerdem sei es ihm und Geywitz wichtig, dass alle Kandidierenden für den SPD-Vorsitz „in der künftigen SPD eine Rolle spielen“. Das will auch Gesine Schwan. „Ralf Stegner und ich werden sofort alle Kandidaten zum Essen einladen und gemeinsam beraten, wie es mit der SPD weitergehen soll“, sagt sie. Gemeinsam mit Parteivorstand und Arbeitsgemeinschaften solle dann ein Programm erarbeitet werden, das spätestens im Juni steht.
Schon in den ersten 100 Tagen wollen Christina Kampmann und Michael Roth eine andere Art der Zusammenarbeit etablieren. „Keine Durchstechereien mehr!“, fordert Roth. „Bevor wir mit der Presse reden, müssen wir miteinander sprechen.“ Auf einen anderen Umgang setzen auch Petra Köpping und Boris Pistorius. „Wir werden erst dann wieder erfolgreich sein, wenn wir als Partei geschlossen sind“, sagt Pistorius. In den ersten 100 Tagen wollen er und Köpping deshalb zu einer „Arbeitssitzung mit Vertretern von allen Ebenen“ einladen, um den künftigen Kurs der SPD abzustecken und Strukturen zu stärken.
Klingbeil: Jetzt tragen die Mitglieder die Verantwortung
Hilde Mattheis und Dierk Hirschel sitzen da schon nicht mehr auf der Bühne. Ihre Vorstellung haben die beiden genutzt, um den Verzicht auf ihre Kandidatur für den Parteivorsitz zu verkünden. Die Fragen des Münchner Publikums richten sich deshalb an die verbliebenen sechs Teams. Sie reichen von der Stationierung von Atomwaffen in Deutschland, über die Legalisierung von Cannabis und Hartz IV bis zum Stellenwert der Arbeitsgemeinschaften in der SPD.
Als dann die Ballons von der Bühne fliegen und über den Köpfen des Publikums von Hand zu Hand wandern stehen auch Mattheis und Hirschel nochmal mit allen Kandidierenden auf der Bühne. „Die Tour hat gezeigt, was für tolle Menschen wir haben, die sich zutrauen, die SPD zu führen“, freut sich SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Und er verspricht: „Egal, wer gewinnt, ihr kriegt die volle Unterstützung der Partei.“ Bevor es soweit ist, sind allerdings die SPD-Mitglieder gefragt. Ab Montag werden sie entscheiden, wer künftig die SPD führen soll. Der Ball(on) liegt bei ihnen. Oder wie es Lars Klingbeil ausdrückt: „Ab Montag tragt ihr die Verantwortung.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.