Parteileben

SPD-Spitzenkandidat Losse-Müller: Ich bin ein Grenzgänger

Thomas Losse-Müller soll die SPD Schleswig-Holstein in die Landtagswahl im Mai 2022 führen. Im Interview sagt der 48-Jährige, wie es sich anfühlt, plötzlich in der erste Reihe zu stehen, wie er bekannt werden will und warum er auf Rot-Grün setzt.
von Kai Doering · 1. September 2021
Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller: Die SPD hat eine Mission und ein Ziel für Schleswig-Holstein.
Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller: Die SPD hat eine Mission und ein Ziel für Schleswig-Holstein.

Für viele überraschend sind Sie als Spitzenkandidat der SPD Schleswig-Holstein für die Landtagswahl im kommenden Mai nominiert worden. Wie ist es dazu gekommen?

Als die Landesvorsitzende Serpil Midyatli mich gefragt hat, war ich überrascht wie viele in der Partei bei der Verkündigung. Im Nachhinein weiß ich, dass Serpil mich schon recht lange dafür im Blick gehabt hat. Sie hat mich ja schon 2019 in die „Denkfabrik“ der SPD Schleswig-Holstein geholt. Ende letzten Jahres hat sie mich dann gefragt, ob ich mir grundsätzlich die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl vorstellen könnte. Konkreter ist das dann erst geworden als sie auch den geschäftsführenden Landesvorstand einbezogen hat. Der Spitzenkandidat sollte aus ihrer Sicht jemand sein, der die Themen Klimaschutz und Digitalisierung sowie einen wirtschaftspolitischen Aufbruch glaubhaft verkörpert. Und auch die Frage der Regierungserfahrung hat wohl eine Rolle gespielt. Und so ist ihre Wahl auf mich gefallen.

Waren Sie sofort bereit als sie angesprochen wurden?

Mit dem Wechsel in die SPD im vergangenen Jahr hatte ich eigentlich eine andere Planung verbunden und nicht das Ziel einer politischen Karriere. Ich wollte mich eher als Experte und Berater einbringen. Dafür hat sich die Entscheidung, sich um die Spitzenkandidatur zu bewerben, erstaunlich organisch angefühlt. Ich kenne Schleswig-Holstein gut und auch die hiesigen Netzwerke. Und ich kann mich um die Themen kümmern, die mir sehr am Herzen liegen. All das zusammengenommen hat mich schnell überzeugt.

Bevor Sie zur SPD gekommen sind, waren Sie lange Mitglied der Grünen. Was hat Sie zum Parteiwechsel bewogen?

Ich war lange aktiv bei den Grünen, aber eigentlich immer in einer Technokraten-Rolle und weniger parteipolitisch. Im Nachhinein würde ich sagen, der erste Schritt auf dem Weg zur SPD war, dass mir Torsten Albig als SPD-Ministerpräsident sein Vertrauen geschenkt und mich zum Leiter der Staatskanzlei gemacht hat. In dieser Zeit und auch danach sind viele politische Freundschaften in die SPD hinein entstanden. Und es war auch vor allem die SPD, die mich, über Schleswig-Holstein hinaus, auch nach dem Regierungswechsel regelmäßig um Rat gefragt hat. Dadurch habe ich mich dort schon länger gut aufgehoben gefühlt. Spätestens als mich Serpil dann in die „Denkfabrik“ geholt hat, war für mich klar, dass sich die SPD um die Themen kümmert, die jetzt wichtig sind. Auch intellektuell habe ich mich in der SPD gut aufgehoben gefühlt.

Sind Ihre guten Verbindungen zu den Grünen ein Vorteil für den bevorstehenden Wahlkampf und eine mögliche Regierungsbildung?

Es ist auf jeden Fall ein Vorteil, dass es eine rot-grüne Familie gibt, auf die wir uns verlassen können. Mein Wunschbündnis nach der Wahl ist ein rot-grünes, weil es am besten den Herausforderungen, vor denen Schleswig-Holstein steht, gerecht wird. Mein Eindruck ist auch, dass die Grünen Lust auf solch ein Bündnis haben.

Sie waren Staatssekretär und Leiter der Staatskanzlei, haben aber nie in der ersten politischen Reihe gestanden. Ist das ein Unterschied?

Ja, auf jeden Fall. Schon allein von der öffentlichen Wahrnehmung her. Man braucht auch andere Fähigkeiten, wenn man auf einmal ganz vorne steht. Am Ende macht aber genau das die Aufgabe so interessant.

Sehen Sie sich als politischen Quereinsteiger?

Eher als Grenzgänger. Ich bin ja bisher immer gewechselt zwischen politischem Engagement und meiner Arbeit für Unternehmen oder Banken bzw. im akademischen Bereich. Das finde ich auch so interessant. Ich bin von der Weltbank in das Amt als Finanzstaatssekretär in Schleswig-Holstein gewechselt und hatte mit einem Mal mit sehr ähnlichen Themen aus einem komplett anderen Blickwinkel zu tun. Genauso spannend war es, nach meiner Tätigkeit als Leiter der Staatskanzlei in die Beratung von Unternehmen zu gehen und ihnen zu verdeutlichen, warum es auch für sie wichtig ist, konsequenten Klimaschutz zu betreiben. Diese Perspektivwechsel empfinde ich als sehr bereichernd.

Im Mai treten Sie nicht nur als SPD-Spitzenkandidat gegen Ministerpräsident Daniel Günther an, sondern auch im selben Wahlkreis Eckernförde. Macht das einen besonderen Reiz aus?

Ja und ich freue mich schon auf viele Gelegenheiten für inhaltliche Auseinandersetzungen. Die wird es so definitiv mehr geben und das ist gut. Die Wählerinnen und Wähler werden im Kleinen sehen, was die großen Diskussionen sind. Das dürfte spannend werden.

Im Land sind Sie bisher kaum bekannt. Wie wollen Sie das bis zur Wahl im Mai ändern?

Bis zur Landtagswahl sind es noch neun Monate. Das ist eine Menge Zeit. In Schleswig-Holstein kennt man sich. Mir ist es in den letzten Tagen häufiger passiert, dass Menschen auf mich zugekommen sind und gesagt haben, mein Schwager wohnt bei dir im Dorf oder eine Freundin von mir kennt dich aus dem und dem Zusammenhang. Die Verbindungen sind also da. Ich setze auch darauf, mich über das persönliche Gespräch bekannt zu machen. Dafür werde ich viel unterwegs sein und mich vorstellen. Zudem informieren sich Menschen vor allem in den Wochen direkt vor einer Wahl. Dann werden überall im Land Plakate stehen und die Medien werden viel berichten. In dieser Zeit kommt der entscheidende Schub der Bekanntheit.

Den Wahlsieg inklusive Weg dorthin nennen sie die „Mission 2022“. Warum dieser Begriff?

Die Gesellschaft ist mehr und mehr in Missionen unterwegs, sei es der Kampf gegen den Klimawandel oder die Digitalisierung. Transformation kann nur gelingen, wenn wir Unternehmen, Gewerschaften und Gesellschaft in Mission zusammenringen, die koordiniertes Handeln ermöglichen. Für die Politik und die Parteien geht es nicht darum zu regieren um des Regierens Willen. Sondern sie müssen gesamtgesellschaftliche Lösungen ermöglichen. Das machen wir mit dem Begriff deutlich: Die SPD hat eine Mission und ein Ziel für Schleswig-Holstein.

Welches ist das drängendste Problem, das in Schleswig-Holstein in den kommenden Jahren gelöst werden muss?

Wir müssen den Klimaschutz organisieren und die Digitalisierung zu gestalten. Am wichtigsten dafür ist aus meiner Sicht, den Staat zu befähigen, das zu tun. Der Staat muss Gestalter der Veränderung sein. Wenn wir etwa die Elektromobilität zu einem Erfolg machen wollen, brauchen wir eine flächendeckende Ladeinfrastruktur. Wo die sich wirtschaftlich nicht rechnet, muss der Staat im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge einspringen. Beispiele wie dieses gibt es viele, an denen sich entscheidet, ob der Wandel gelingt oder nicht.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare