Parteileben

SPD-Spitze: Unsere Mitglieder haben die wichtigste Rolle

Die kommissarischen SPD-Vorsitzenden wünschen sich von der Mitgliederbefragung einen „Wettbewerb um die besten Personen und besten Ideen“. Die programmatische Neuausrichtung werde dabei fortgesetzt. Malu Dreyer, Thorsten Schäfer-Gümbel und Manuela Schwesig erklären, wie es jetzt weiter geht.
von Kai Doering · 11. Juli 2019
Verstehen sich nicht als „Verwaltungsdirektoren“: Die drei kommissarischen SPD-Vorsitzenden Manuela Schwesig, Thorsten Schäfer-Gümbel und Malu Dreyer (v.l.) organisieren die Mitgliederbefragung und  treiben die Prozesse in der Partei weiter voran.
Verstehen sich nicht als „Verwaltungsdirektoren“: Die drei kommissarischen SPD-Vorsitzenden Manuela Schwesig, Thorsten Schäfer-Gümbel und Malu Dreyer (v.l.) organisieren die Mitgliederbefragung und treiben die Prozesse in der Partei weiter voran.

Macht es Ihnen zurzeit Spaß, in der SPD zu sein?

Thorsten Schäfer-Gümbel: Ja!

Malu Dreyer: Ja, denn wir spüren im Moment mal wieder, was für eine tolle Partei die SPD ist. Wenn man sich – wie wir drei – gut versteht und solidarisch zusammenarbeitet, macht es doppelt Spaß.

Manuela Schwesig: Ja. Wir zeigen gerade, dass wir eine echte Mitgliederpartei sind. Das macht mich stolz. Wir trauen uns, eine Doppelspitze einzuführen und beteiligen unsere Mitglieder bei der Wahl zum Parteivorsitz.

Schon vor dem Rücktritt von Andrea Nahles war die Partei in einer schwierigen Situation. Wie erleben Sie die SPD im Moment?

Thorsten Schäfer-Gümbel: Das ist sehr unterschiedlich. Da gibt es zum einen die Sorge von Mitgliedern um unsere Partei und die Enttäuschung über das schlechte Ergebnis bei der Europawahl. Genauso erlebe ich aber auch viele motivierte und engagierte Mitglieder, die die SPD wieder nach vorne bringen wollen. Und klar ist bei allen: Aufgeben gibt’s nicht. Mut macht mir zudem, dass ich grundsätzlich große Solidarität innerhalb der Partei erfahre. Da spürt man, dass sich die SPD nach dem Rücktritt von Andrea Nahles zusammenreißt. Gleichzeitig wollen die Mitglieder aber wissen, wo sich die SPD im 21. Jahrhundert verortet. Ich habe in den vergangenen Tagen mit einer Reihe von Neumitgliedern telefoniert. Die erste Frage, die dort gestellt wird, ist nie die nach Köpfen oder dem Verbleib in der großen Koalition, sondern die nach dem roten Faden der SPD. Den müssen wir deutlicher machen.

Nach dem Rücktritt von Andrea Nahles haben Sie zu dritt kommissarisch den Parteivorsitz übernommen. Ein Trio an der Spitze der SPD gab es bisher noch nie. Wie sieht Ihre Arbeitsteilung aus?

Thorsten Schäfer-Gümbel: Unser Grundverständnis ist, dass wir uns nicht als Verwaltungsdirektoren verstehen. Das heißt, wir führen auch Dinge zu Entscheidungen. Diese Entscheidungen, wie etwa zum Verfahren für die Mitgliederbefragung, bereiten wir gemeinsam zu dritt vor und stimmen uns eng ab. Das kann nur funktionieren, weil wir ein hohes wechselseitiges Vertrauensverhältnis haben. Das bedeutet auch, dass wir uns offen sagen, wenn etwas nicht rund gelaufen ist.

Malu Dreyer: Thorsten zum Beispiel steckt sehr viel Zeit und Energie darein, Gespräche zu führen – im Willy-Brandt-Haus, in den Landesverbänden, mit den Arbeitsgemeinschaften und befreundeten Verbänden bis hin zu ehemaligen Parteivorsitzenden.

Manuela Schwesig: Wir tauschen uns mehrmals täglich aus, damit wir immer auf dem nahezu gleichen Wissensstand sind, und beraten uns untereinander. Ich denke, dass wir dadurch auch einen guten Überblick darüber bekommen, wie die Stimmungslage bei den Mitgliedern ist.

Am 24. Juni hat der Parteivorstand beschlossen, dass eine Mitgliederbefragung über den neuen Parteivorsitz entscheiden soll. Wie soll sichergestellt werden, dass es in dem ­Verfahren auch um Inhalte und nicht nur um Personen geht?

Manuela Schwesig: Die SPD ist und bleibt eine Programmpartei. Deswegen richten auch unsere Mitglieder immer den ersten Blick auf die Inhalte, aber natürlich ist es für sie auch wichtig, wer diese Inhalte an erster Stelle vertritt. Ich bin sicher, dass alle, die kandidieren, ihren Schwerpunkt bei der Bewerbung auf inhaltliche Fragen legen.

Malu Dreyer: Da sehe ich gar kein Problem. Bei der Mitgliederbefragung geht es darum, wer künftig die Partei führen soll. Da spielen sowohl Personen als auch die Inhalte, für die sie stehen, eine wichtige Rolle. Diese Mitgliederbefragung wird ein Wettbewerb um die besten Personen und die besten Ideen werden. Bei den Regionalkonferenzen der Landesverbände soll sich jedes Mitglied ein eigenes Bild machen können und am Ende nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden.

Wer kandidieren will, braucht die ­Unterstützung von fünf Unterbezirken oder einem Landesverband. Warum wurde die Hürde so hoch gelegt?

Thorsten Schäfer-Gümbel: Wer sich um den Vorsitz der Bundespartei bewirbt, sollte ein Mindestmaß an Überzeugungskraft haben. Die SPD hat 393 Unterbezirke. Wem es nicht gelingt, fünf davon von seiner Kandidatur zu überzeugen, hätte mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit keine Rückendeckung bei einer anschließenden Wahl.

Manuela Schwesig: Ich bin ja für fast jeden Spaß zu haben, aber in diesem Fall wollen wir auch sicherstellen, dass Kandidaturen ernst gemeint sind und auch einen gewissen Rückhalt haben. Das Verfahren ist recht aufwändig, da finde ich es richtig, Kandidaturen aus Jux und Tollerei weitgehend auszuschließen.

Bei der Vorstellung des Verfahrens für die Mitgliederbefragung haben Sie bereits gesagt, dass der oder die neue Vorsitzende bzw. Vorsitzenden viel Zeit brauchen werden, um in die Partei hineinzuhören. Was sollten die Kandidierenden sonst noch mitbringen?

Malu Dreyer: Uns dreien ist wichtig, dass wir den Mitgliedern nichts vorgeben. Sie sollen sich selbst ein Bild machen und dann entscheiden. Ich persönlich denke, die Partei hat es verdient, dass sich nur Genossinnen und Genossen bewerben, die Empathie für die SPD und ihre Mitglieder mitbringen, die etwas bewegen wollen und Zeit investieren wollen und können. Die Fähigkeit zur Teamarbeit ist wichtig und Durchsetzungsfähigkeit. Einen weiten Horizont muss man auch mitbringen, denn von einer oder einem SPD-Vorsitzenden wird auch erwartet, dass er die Welt im Großen und im Kleinen erklären kann. Kurz gesagt es müssen Genossen sein, die sich der Aufgabe SPD-Vorsitz verschreiben wollen. Egal, ob jemand als Team antritt oder als Einzelperson. Mir wäre darüber hinaus wichtig, dass die Kandidierenden den Anspruch haben, dass die programmatische Weiterentwicklung der Partei fortgesetzt wird. Andrea Nahles hat in ihrer Amtszeit wichtige Grundlagen gelegt und Weichen gestellt – etwa mit dem Sozialstaatskonzept. Das muss fortgeführt werden. Die Welt verändert sich rasant und die Menschen erwarten gerade von der SPD Antworten.

Der Prozess wird sich bis in den späten Herbst ziehen. Gerät da nicht die ­programmatische Weiterentwicklung der Partei ins Hintertreffen?

Malu Dreyer: Wir werden alles dafür tun, dass das nicht passiert und haben bereits in den ersten Tagen als kommissarische Parteivorsitzende Entscheidungen, die Andrea Nahles vorbereitet hat, weitergeführt. Ende Juni z.B. haben wir ein Impulspapier zu Umwelt und Arbeit, das Andrea initiiert und maßgeblich beeinflusst hat, beschlossen. Die Partei ist gut aufgestellt, wir haben zu den drängenden Fragen der Zeit klare Positionen und wir sehen unsere Aufgabe bis zum Parteitag auch darin, den Boden für notwendige inhaltliche Debatten zu bereiten.

Manuela Schwesig: Neben Umwelt und Arbeit werden auch noch weitere Zukunftsthemen eine Rolle spielen wie die Digitalisierung der Arbeit. Hier wollen wir mit Weiterbildung und Qualifizierung notwendige Rahmenbedingungen schaffen.

Ist die Neuaufstellung des Willy-Brandt-Hauses jetzt gestoppt, bis ein neuer Parteivorsitz gefunden wurde?

Thorsten Schäfer-Gümbel: Nein. Die Reform der Parteistrukturen und des Willy-Brandt-Hauses wird mit hohem Tempo fortgesetzt werden. Für uns ist klar: Die Zeit bis zum Parteitag im Dezember wird keine verlorene Zeit sein.

Malu Dreyer: Im Parteivorstand haben wir Ende Juni ja auch beschlossen, dass wir rechtzeitig vor dem Parteitag Vorschläge machen werden, wie sich die Führungsstruktur der SPD verändern soll – wie also Präsidium und Vorstand künftig aufgestellt sein sollen. Die organisationspolitische Kommission wird dazu zügig Vorschläge erarbeiten.

Was erhoffen und erwarten Sie in den kommenden Monaten von den Mitgliedern?

Malu Dreyer: Unsere Mitglieder spielen die wichtigste Rolle in diesem Prozess. Sie entscheiden darüber, wer künftig unsere Partei führt. Dafür ist es wichtig, dass sie sich selbst ein Bild von den Kandidaten machen, also zu den Regionalkonferenzen fahren, Fragen stellen, sich informieren und am Ende abstimmen. Ebenso wichtig finde ich aber, dass sie nach der Befragung auch das Ergebnis akzeptieren und den oder die Gewählten nach Kräften unterstützen.

Manuela Schwesig: Wir haben 426.000 Mitglieder, die sich jeden Tag vor Ort engagieren und für unsere Werte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität stehen. Ich hoffe, dass sie  am Ende stolz auf die SPD sind, also eigentlich auf sich selbst. Sie sollen mit ihrem Engagement, ihrer Vernunft und ihrer Weitsicht bestimmen, wie die Zukunft der SPD aussieht. n

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Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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