SPD-Präsidium fordert Thilo Sarrazin zum Parteiaustritt auf
Die Aufmerksamkeit war groß, die Kritiken vernichtend. Noch bevor der frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin am Donnerstag in Berlin sein neues Buch „Feindliche Übernahme“ vorstellte, attestierte ihm die „Süddeutsche“, es sei „das verlegerische Unglück dieses Jahres“. Die „Kieler Nachrichten“ bezeichnen es schlicht als „Hetzschrift“. In dem knapp 500 Seiten dicken Buch geht es um Sarrazins Lieblingsthema: den Islam und seinen angeblichen schlechten Einfluss auf Deutschland.
SPD-Präsidium: Sarrazin sollte sich andere politische Heimat suchen
Für den Parteivorstand der SPD Grund genug, sich von Sarrazins Thesen zu distanzieren. „Die von Thilo Sarrazin in seinem neuen Buch aufgestellten Thesen und Ansichten werden von der SPD nicht geteilt. Das Präsidium der SPD lehnt die dort vertretenen Positionen ausdrücklich ab“, teilte die engste Parteiführung nach einer Telefonkonferenz am Donnerstag Nachmittag mit.
Aus den Erfahrungen ihrer 155-jährigen Geschichte gehöre es zum Selbstverständnis der Partei, sich allen menschenfeindlichen Bestrebungen zu widersetzen und entgegenzustellen. „Wer wie Thilo Sarrazin dieses Selbstverständnis nicht (mehr) mittragen will, sondern Menschen pauschal diffamiert und damit bei anderen massive Ängste schürt, sollte sich eine andere politische Heimat suchen“, forderte das Präsidium den früheren SPD-Politiker zum Parteiaustritt auf.
Kühnert: „Die Jusos sind klar für einen neuen Versuch, Sarrazin rauszuwerfen“
Zuvor hatte bereits Generalsekretär Lars Klingbeil Sarrazin einen Austritt nahegelegt. „Wer die Mitgliedschaft in der SPD nur noch für persönliches Gewinnstreben benutzt, sollte gehen“, sagte Klingbeil der Deutschen Presseagentur. Auf Twitter bezeichnete er Sarrazin als „verbitterten alten Mann“.
Sarrazin hatte allerdings bereits vorher erklärt, dass er nicht daran denke, die SPD aus freien Stücken zu verlassen. Er fühle sich „in der SPD, in der ich aufwuchs, nach wie vor gut aufgehoben“, sagte Sarrazin bei der Buchvorstellung in Berlin. Um ihn loszuwerden, denken führende Genossen deshalb bereits laut über einen erneutes Parteiausschlussverfahren nach. „Die Jusos sind klar für einen neuen Versuch, Sarrazin rauszuwerfen“, sagte der Vorsitzende des Parteinachwuchses Kevin Kühnert der „Rhein-Neckar-Zeitung“.
Auflagen für Sarrazin könnten überprüft werden
Ob es tatsächlich zu einem erneuten Anlauf für ein Ausschlussverfahren kommt, ist allerdings bisher offen. Die Hürden dafür sind hoch, zwei Versuche gegen Sarrazin – 2010 und 2011 – bereits gescheitert. Allerdings waren Sarrazin zur Beendigung des zweiten Verfahrens Auflagen auferlegt worden, unter denen er in der SPD bleiben darf. Dazu zählt u.a., dass er sich nicht parteischädigend verhalten darf. Ob sein neues Buch dagegen verstößt, könnte nun überprüft werden.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.